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Europa: Unternehmensanleihen sind lukrativ aber stressgefährdet

Bevor Stefan Lutz und Tatjana Greil-Castro zueinander finden, braucht es einige Wochen, Besuche, Flüge. Es fängt damit an, dass ein Vertriebsmitarbeiter vor gut zwei Jahren das Bankhaus Julius Bär in Zürich besucht. Im Gepäck hat er Fonds der New Yorker Boutique Muzinich – nicht gerade eine weltbekannte Firma.

Auch Stefan Lutz sagt der Name nichts. Und er kennt viele solche Anbieter. Denn er analysiert ausschließlich Investmentfonds. Was er und das bankinterne Gremium für gut befinden, bieten Berater im Privatkundengeschäft von Julius Bär an. Eine eigene Fondsgesellschaft hat das Institut seit ein paar Jahren nicht mehr.

Die Produkte machen Eindruck. Es folgen weitere Gespräche. Beim zweiten Mal fliegt Tatjana Greil-Castro, Managerin des Muzinich Enhanced Yield Short-Term Bond Fonds, in die Schweiz. Den dritten Treff gibt es später bei ihr in London. Dann nimmt Julius Bär ihren Fonds in seine Empfehlungsliste für hauseigene Kundenberater auf. „Das ist ein guter, defensiver Fonds für Anleger, die es recht ruhig mögen und trotzdem Unternehmensanleihen haben wollen“, beschreibt Lutz den Fonds der gebürtigen Österreicherin.

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Schuldscheine von Unternehmen, auf die sich Muzinich spezialisiert hat, finden starken Zuspruch. Europaweit investierten Anleger im Januar und Februar netto 21,5 Milliarden Euro in Rentenfonds, meldet Morningstar. Davon entfielen mehr als 16 Milliarden Euro auf Unternehmensanleihen. Klassische Staatsanleiheprodukte blieben eher außen vor.

Kein Grund für Staatsanleihen

Kein Wunder, schließlich sind die derzeit keine rentable Alternative. Entweder ist der Schuldner okay, bringt aber kaum Zinsen (Deutschland). Oder die Zinsen sind in Ordnung, dafür schliddert der Staat bereits an der Pleite entlang (Portugal, Spanien und, und, und …).

Im Gegensatz dazu erledigen Unternehmen ihre Hausaufgaben. Sie bauen Schulden ab (siehe Grafik oben). Trotzdem liegen die Renditen ihrer Anleihen zum Teil noch deutlich über denen von Staatsanleihen. Das treibt Milliarden in den Markt – sogar von Anlegern, die man dort nicht unbedingt erwarten würde.

„In den USA gibt es viele Investoren wie Versicherungen, die Hochzinsanleihen als strategisches Investment halten“, sagt Michel Ho. Auch in Europa seien Versicherer dabei, sich den Hochzinsmarkt anzusehen, so der Portfoliomanager für Hochzinsanleihen bei ING Asset Management.

Hochzinsanleihen (High Yield Bonds) kommen von Schuldnern, die Rating- Agenturen als „risikobehaftet“ einstufen – Standard & Poor’s vergibt dann maximal die Note BB+. Dass Versicherungen sich so etwas auch nur ansehen, zeugt von einer gewissen Verzweiflung.

Bislang trifft das viele Geld allerdings noch auf einen kleinen Markt. Das Volumen aller nicht von Finanzinstituten kommenden Unternehmensanleihen beträgt derzeit lediglich 837 Milliarden Euro. Der Aktienmarkt in Euroland ist mehr als fünfmal so groß.
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