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Warum Pictet jetzt europäische Aktien übergewichtet

Das Jahr begann für die meisten Aktienmärkte zunächst positiv, da hinreichend bekannte politische Maßnahmen in den USA die Investoren dazu veranlassten, in eine Handvoll Trades rund um Donald Trumps Vision des amerikanischen Exzeptionalismus einzusteigen. Dann wurde es ernst. In den letzten Wochen ist der US-Dollar gefallen, und US-Aktien haben sich schlechter entwickelt als Europa und die Schwellenländer.
Dies spiegelt neue Entwicklungen wider, die jetzt in den Vordergrund treten. Der Wachstumsabstand zwischen den USA und dem Rest der Welt wird sich verkleinern, das verarbeitende Gewerbe erholt sich, der Dienstleistungssektor wächst, und das Wachstum der Unternehmensgewinne beschränkt sich jetzt nicht mehr auf die US-Technologieriesen – das sorgt für eine gesunde Marktrotation und eine breitere Nachfrage seitens der Investoren, was die Märkte stützen dürfte.
US-Konjunktur beginnt zu schwächeln
Im Ergebnis sind wir bei europäischen Aktien etwas positiver und bei US-Aktien etwas negativer eingestellt. Wir bevorzugen US-Staatsanleihen und reduzieren unser Engagement in europäischen Staatsanleihen.
Insgesamt reichen die Anzeichen für eine Anfälligkeit der US-Wirtschaft jedoch nicht aus, um bei Aktien in einen pessimistischen Modus zu schalten und bei Anleihen in einen optimistischen, da es in bislang schwachen Bereichen der globalen Wirtschaft wie Europa und das verarbeitende Gewerbe Hinweise für eine Erholung gibt.
Unsere Konjunkturzyklus-Indikatoren zeigen, dass das Wachstum der US-Wirtschaft zwar weiterhin etwa einen Prozentpunkt über dem Potenzial liegt, sich aber im kommenden Jahr wieder auf die Trendrate von 2 Prozent abkühlen dürfte. In den kommenden Monaten wird die Wirtschaft die dämpfenden Auswirkungen der Politik von Präsident Trump zu spüren bekommen. Bislang sind die Kürzungen bei den öffentlichen Ausgaben trotz viel Tamtam moderat ausgefallen, obwohl es Anzeichen dafür gibt, dass ernsthafte Anstrengungen zur Verringerung des Defizits unternommen werden. Dies könnte die Wirtschaftstätigkeit auf kurze Sicht beeinträchtigen.
Eigentlich hat die Abkühlung des Wachstums die Fed dazu gebracht, die Zinssätze zu senken, aber auch die Inflation bereitet Sorge. Preisdruck geht sowohl von der starken Konsumnachfrage als auch von den steigenden Lohnkosten aus, die die Unternehmen weitergeben können. Trumps Einfuhrzölle werden diesen Aufwärtsdruck wahrscheinlich noch verstärken. Die Verbraucher spüren bereits die Belastung und scheinen weniger Geld auszugeben (Grafik 1), was unsere Sorge über eine allmähliche Abschwächung des Wachstums des US-BIP verstärkt.
Grafik 1: Inflation schmerzhaft für US-Verbraucher. US-Konsumklima und Inflationserwartungen der Schwellenländer (in %)

In anderen Regionen erscheinen die Wirtschaftsaussichten etwas erfreulicher. Die Zinssenkungen zeigen langsam aber sicher positive Wirkung auf die Wirtschaft der Eurozone und insbesondere auf das verarbeitende Gewerbe.
Und China weist Anzeichen von Stärke auf – das Wachstum betrug im vierten Quartal 2024 8 Prozent, und die positive Dynamik könnte sich 2025 fortsetzen. Die Kreditvergabe hat zugenommen, und es gibt Hinweise auf eine Stabilisierung des Immobiliensektors. Wir gehen davon aus, dass China ein weiteres Konjunkturpaket auflegen wird, um den Konsum anzukurbeln und die Banken zu rekapitalisieren, auch wenn Peking wahrscheinlich warten wird, bis das volle Ausmaß von Trumps Zöllen deutlich wird.
Unsere Liquiditätsindikatoren zeigen einen leicht positiven Trend für riskante Anlagen. Von den 30 wichtigsten Zentralbanken lockern 23 die Geldpolitik, vier behalten ihren Kurs bei und nur drei, allen voran Japan, straffen sie.
Da die Kreditvergabe an den privaten Sektor zunimmt, kann es sich die Fed leisten, ihre Zinspause zu verlängern. Im Gegensatz dazu muss die Europäische Zentralbank die private Kreditaufnahme ankurbeln, damit die Expansion im Währungsraum an Fahrt gewinnt. Wir gehen davon aus, dass sie ihren Leitzins auf 1,75 Prozent senken wird.
Die Schweizerische Zentralbank steht unter dem Druck, ihre Zinssätze auf Null zu senken, wenn sie den Franken im Zaum halten will. Die Bank von Japan dagegen dürfte die Geldpolitik weiter straffen, aber nicht zu schnell, um eine zu starke Aufwertung des Yen zu vermeiden.
Unsere Bewertungsindikatoren zeigen, dass Aktien weiterhin teuer sind, während Anleihen weitgehend angemessen bewertet erscheinen. Nach unserer Einschätzung ist der Markt immer noch zu optimistisch, was die weltweiten Unternehmensgewinne angeht, insbesondere in den USA, wenngleich die Gewinndynamik in Europa besser wird und in Japan weiterhin stark ist. Die Renditen von US-Aktien im Vergleich zu Anleihen liegen drei Standardabweichungen über dem Trend und wieder auf dem Niveau von 1999. Allerdings mussten US-Aktien einen Teil der Prämie abgeben, weil sich der Markt seit Jahresbeginn unterdurchschnittlich entwickelt.
An den Anleihemärkten bieten Lokalwährungsanleihen aus Schwellenländern, die sowohl durch einen erheblichen Zinspuffer gegenüber US-Staatsanleihen als auch durch billige Währungen gestützt werden, eine Reihe von Vorteilen.
Unsere markttechnischen Indikatoren sind weiterhin positiv für Aktien, unterstützt durch eine starke Trenddynamik in Europa und einzelne Schwellenländer. Die Indikatoren für Anleihen und den US-Dollar sind neutral; im April dürften keine saisonalen Faktoren zum Tragen kommen. Die technischen Signale für US-Aktien haben sich verbessert, da die Begeisterung der Privatanleger für Aktien abnimmt.
Ein negatives Signal für den Markt geht jedoch von der gedämpften impliziten Aktienvolatilität aus, die im Widerspruch zur steigenden wirtschaftlichen Unsicherheit steht. Gold ist taktisch überkauft, japanische Anleihen dagegen überverkauft.
Aktienregionen und -sektoren: Wo Anleger auf der Suche nach Rendite fündig werden
Im Jahr 2025 wird sich an den globalen Aktienmärkten alles ändern. Die Nachzügler des letzten Jahres treten aus dem Schatten, während die Stars der jüngeren Vergangenheit Gewinnmitnahmen zum Opfer fallen. Die von uns beobachteten Fundamentaldaten verheißen insbesondere für einen traditionellen Nachzügler Gutes – europäische Aktien.
Die Wirtschaftsindikatoren deuten auf eine Verbesserung in der Region hin, flankiert von einer Aufhellung des Konsumklimas und einer Verbesserung der Einkaufsmanagerindizes im verarbeitenden Gewerbe – wenn auch von einem niedrigen Niveau aus. Das hat uns dazu veranlasst, unseren makroökonomischen Ausblick für den Euroraum von negativ auf neutral anzuheben. In politischer Hinsicht tragen die Lösung des französischen Haushaltsproblems und der Ausgang der Wahlen in Deutschland zu mehr Stabilität bei.
Auch die Aussichten für die europäischen Unternehmensgewinne haben sich etwas aufgehellt: Zum ersten Mal seit zwei Jahren steigen die Gewinnprognosen für die nächsten zwölf Monate in der Eurozone schneller als in den USA (Grafik 2). Die Verbesserung ist über fast alle Sektoren breit abgestützt, wahrscheinlich in Erwartung einer zyklischen Erholung der Wirtschaft, eines möglichen Waffenstillstands in der Ukraine und möglicher höherer Staatsausgaben. Auch der geldpolitische Kurs ist in der Eurozone günstiger – unser Liquiditätsmodell deutet auf vier weitere Zinssenkungen der EZB im laufenden Jahr hin, bei der Fed ist es nur eine.
Grafik 2: Europa liegt bei Unternehmensgewinnen vor. Aktienmarktgewinne und geschätzte Unternehmensgewinne in den nächsten zwölf Monaten: US-Aktien im Vergleich zu europäischen Aktien

US-Aktien dagegen werden es schwer haben. Unsere größte Sorge ist, dass die Unternehmensgewinne kein Gegengewicht mehr zu den hohen Bewertungen bilden. Auf dem US-Markt liegt das durchschnittliche KGV bei 22 und der langfristige Durchschnitt unserer Fair-Value-Schätzung bei 19. Bei einem Vergleich der Bewertungen von US- und europäischen Aktien wird deutlich, dass letztere immer noch mit einem attraktiven Abschlag von 30 Prozent gehandelt werden, selbst unter Berücksichtigung der Unterschiede in der Sektorzusammensetzung.
Aus all diesen Gründen erhöhen wir unsere Positionierung in europäischen Aktien auf übergewichtet, während wir unser Engagement in US-Aktien auf neutral reduzieren.
In Schwellenländeraktien ohne China und in Schweizer Aktien bleiben wir übergewichtet, da beide Regionen attraktiv bewertet sind. Die Schwellenländer zeigen sich weiterhin wirtschaftlich robust, während die Aussichten für die Schweiz durch eine verbesserte Ertragsdynamik unterstützt werden.
Bei den Sektoren bleiben wir bei einer Übergewichtung von Finanzwerten, die von dem sich beschleunigenden Kreditwachstum und einer möglichen Deregulierung unter der neuen US-Regierung profitieren dürften. Der Sektor weist eine gesunde Ertragsdynamik und neutrale Bewertungen auf, was ihn zu einem recht attraktiven „Trump Trade“ macht.
Übergewichtet sind wir in Kommunikationsdiensten und Versorgern. Der erstgenannte Sektor wird durch gesunde Unternehmensgewinne und technische Signale gestützt, obwohl die Bewertungen hoch sind (neben Technologie der teuerste Sektor in unserem Modell). Unsere Liquiditätsindikatoren sind für Kommunikationsdienste sehr positiv. Versorger weisen defensive Merkmale sowie positive langfristige Trends, wie eine steigende Nachfrage nach Strom, auf.
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