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Europäische Aktien Die Zinsen in Europa dürften nicht viel weiter steigen

EZB-Chefin Christine Lagarde bei der Pressekonferenz zum jüngsten Zinsentscheid
EZB-Chefin Christine Lagarde bei der Pressekonferenz zum jüngsten Zinsentscheid: Die Inflation in Europa ist zurückgegangen, sie wird aber wohl nicht wieder das niedrige frühere Niveau erreichen. | Foto: Imago Images / Hannelore Förster
Paul Doyle

Not macht erfinderisch und Europa hat schnell gehandelt, um seine Abhängigkeit vom russischen Gas zu verringern. Angesichts der im Zuge des Ukraine-Kriegs gestiegenen Preise haben die europäischen Haushalte ihren Energieverbrauch gesenkt und auch die Unternehmen verbrauchten weniger Gas, konnten aber die Produktion aufrechterhalten.

Europa hatte zudem Glück dank eines milden Winters. Um den Versorgungsproblemen zu begegnen, hat Deutschland seine ersten fünf schwimmenden Terminals für verflüssigtes Erdgas (LNG) gebaut und nach Polen fließt erstmals norwegisches Gas.

Mit dem Abklingen der unmittelbaren Krise sind die Gaspreise gesunken, was die Inflation gesenkt und die Stimmung in der Wirtschaft verbessert hat. Das wirkt wiederum positiv auf die Aktienmärkte.

Bis zum Jahresende, so unsere Schätzung, sollte sich die Verbraucherpreisinflation auf 3 bis 4 Prozent abschwächen, wodurch die Konjunkturentwicklung in Europa gut vorankommen dürfte. Längerfristig erwarten wir jedoch, dass die Inflation nicht auf das Niveau von 2 Prozent zurückgehen wird, an das wir uns seit 20 Jahren gewöhnt haben:  Sie wird eher bei 4 Prozent liegen.

Die Gründe dafür sind unter anderem: Ein Mangel an Rohstoffen nach Jahren niedriger Investitionsausgaben, die Wiederbelebung der chinesischen Wirtschaft im Zuge des Abklingens von Covid, die Überalterung der europäischen Bevölkerung, die europäischen Subventionen für den ökologischen Umbau, die Deglobalisierung und die militärischen Spannungen in Europa. Diese Gemengelage wird zu höheren Anleiherenditen und mehr Marktvolatilität führen – und damit zu niedrigeren Kurs-Gewinn-Verhältnissen als in der jüngeren Vergangenheit.

Die globale Konjunkturentwicklung sendet uneinheitliche Signale

Es gibt Anzeichen für eine konjunkturelle Erholung in Europa, aber noch sind die Signale uneinheitlich. Der beste Frühindikator ist die Geldmenge, die sich weiter abzuschwächen scheint. Wenn die Inflation wie von uns erwartet weiter zurückgeht, wird die Nachfrage für langlebige Güter anziehen. Anders als in den USA, wo die Nachfrage bereits über den vor Covid-19 gesehenen Niveaus liegt, gibt es in Europa ein erhebliches entsprechendes Nachfragepotenzial.

 

Als positiv zu werten ist auch das Ende der chinesischen Null-Covid-Politik. Nach Angaben von Morgan Stanley gehen 8 Prozent der europäischen Exporte in die weltweit zweitgrößte Volkswirtschaft, nur Südostasien verkauft mehr Waren nach China. Es ist absehbar, dass die Probleme in den Lieferketten nachlassen werden, während die erhöhte chinesische Nachfrage die Abwertung des Renminbi verringern wird. Auch diese Entwicklung spielt Europa in die Karten.

Die am stärksten von China abhängigen europäischen Sektoren sind Hersteller von Halbleitern und Werkstoffen, Luxusgüter, Energieerzeugung und Kraftfahrzeuge. China nimmt laut Morgan Stanley ein Viertel der europäischen Halbleiterproduktion und 16 Prozent der von europäischen Herstellern angebotenen Luxusgüter ab.

Größter Bewertungsabschlag in der Börsenhistorie

Die Bewertungen europäischer Aktien sehen nach den Kursverlusten von 2022 mittlerweile angemessen aus. Europäische Aktien werden mit dem größten Abschlag gegenüber US-Aktien gehandelt, den es je gab. Zum Vergleich: Das KGV auf der Grundlage der Gewinne der kommenden zwölf Monate beträgt in Europa das 10-fache und in den USA das 17-fache. US-Unternehmen mögen profitabler sein als andere, aber ein stärkeres China und ein schwächerer US-Dollar werden die Bewertungen auch außerhalb der USA in die Höhe treiben.

Sollte der unwahrscheinliche Fall eintreten, dass die Kurse europäische Aktien im laufenden Jahr stark zurücksetzten, würden hierzu die Unternehmensgewinne stark zurückgehen müssen.

Die USA laufen bei der Geldpolitik außer Konkurrenz

Der neutrale Zinssatz ist der Zinssatz, der der Höhe der Investitionen entspricht, die ein Land mit seinen überschüssigen Ersparnissen tätigt. Alles, was die Ersparnisse senkt oder die Investitionen zunehmen lässt, erhöht den neutralen Zinssatz. Unter den Industrieländern ist er in den USA am höchsten, nicht zuletzt auch, weil die US-Wirtschaft höhere Zinsen verkraften kann als andere Volkswirtschaften in den entwickelten Märkten.

In den USA ist der neutrale Zinssatz seit der globalen Finanzkrise niedrig: So konnten Haushalte und Unternehmen leicht Schulden aufnehmen und abzahlen, was letztlich zu einer deutlichen Zunahme der Geldmenge führte, wodurch der Preis für die Kapitalaufnahme insgesamt sank.

Die Globalisierung und überschüssige Ersparnisse in anderen Teilen der Welt verstärkten diese Entwicklung zusätzlich. Diese Trends haben sich inzwischen umgekehrt, sodass der neutrale Zinssatz gestiegen ist. Die Überalterung sorgt allerdings dafür, dass der Anteil der Nicht-Erwerbstätigen im Verhältnis zu den Erwerbstätigen ansteigt. Sinkt in der Folge die Produktion bei steigenden Ausgaben der Verbraucher, entsteht Inflation.

Die Zinskosten für die US-Regierung, wie auch für andere Regierungen, werden steigen; vielleicht auf das Niveau der frühen 1990er-Jahre. Längerfristig werden indes höhere Kapitalkosten das systemische Risiko in Volkswirtschaften und Kapitalmärkten verringern, da Spekulation und Kapitalfehlallokation zurückgehen. Gleichzeitig dürfte der Krieg in der Ukraine die Investitionen in erneuerbare Energien beschleunigen, wodurch insbesondere die Produktivität in Europa steigen dürfte.

Kurzfristig bleiben jedoch die Risiken für die US-Vermögenspreise (Aktien und Anleihen) bestehen, da die nachlassende Inflation die Reallöhne nach oben treibt – auch wenn angesichts des angespannten US-Arbeitsmarkts das nominale Lohnwachstum hinter der Inflation zurückbleiben wird.

Höhere Reallöhne erhöhen die Verbraucherausgaben, sodass die Wirtschaft letztlich überhitzen könnte. In diesem Fall wäre die US-Notenbank nochmals gezwungen, die Zinssätze anzuheben, was für Aktien ungünstig wäre.

Die Inflationsrisiken in Europa gehen zurück

Wir gehen davon aus, dass die Europäische Zentralbank die Zinssätze nicht so stark anheben wird, wie die Marktteilnehmer erwarten. Der neutrale Zinssatz in Europa ist niedrig – weit niedriger als in den USA. Die europäische Wirtschaft ist zu anfällig, um hohe Zinssätze zu überstehen. Der reale neutrale Zinssatz in Deutschland liegt bei 0 Prozent und in Italien ist er sogar negativ. Deutschland könnte Zinssätze von 2,5 Prozent überstehen, Italien nicht.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Inflation in Europa durch einen angebotsseitigen Schock verursacht wurde, aber eine Lohn-Preis-Spirale abgewendet werden konnte. Die europäische Geldpolitik muss die Zinsen nicht so stark anheben wie die US-Notenbank, was bedeutet, dass europäische Aktien noch Aufwärtspotenzial haben.

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Hinweis: Diese News ist eine Mitteilung des Unternehmens und wurde redaktionell nur leicht bearbeitet.