Robert Halver zur Wirtschaftspolitik Europas Irrweg
Die Wirtschaftswelt von morgen wird sich deutlich von der gestrigen unterscheiden. Das liegt nicht nur an den Kollateralschäden der Corona-Pandemie. Auch der technologische Wandel wird Schleifspuren hinterlassen. Doch werden diese Herausforderungen in Europa viel gelassener betrachtet als in Asien. Man verlässt sich auf einen vermeintlichen Trumpf. Denn in Asien setzt man auf das Leistungsprinzip, in Europa auf den Förderverein.
Impfstoffe werden nicht alle Probleme ruckzuck in Wohlgefallen auflösen
Die Freude über die Entwicklung von Impfstoffen ist verständlich. Doch muss man wie bei einem Beipackzettel auch das Kleingedruckte lesen. Wie schnell ist ein Grad an Durchimpfung erreicht, so dass Lockdowns nachhaltig zurückgefahren werden können? Wie lange hält der Impfschutz? Wenn Covid-19 vermutlich wie das Grippe-Virus mutiert, muss jedes Jahr nachgeimpft werden. Doch ist selbst in Deutschland eine Grippe-Komplettimpfung nicht möglich. Zunächst werden coronale Lockdowns hartnäckig sein wie Kaugummi am Schuh.
Im Vergleich zu früheren Krisen hat die Pandemie ausgerechnet den Dienstleistungssektor voll erwischt, der immer als wirtschaftspolitischer Hoffnungsträger galt. Da er sehr arbeitsintensiv ist, hat man in Kneipen, Gaststätten oder Schnellrestaurants zur Not immer irgendwie einen Job bekommen. Doch fallen hier Arbeitsplätze weg, dauert es lange, bis sie erneut geschaffen werden, wenn überhaupt. So manche Zapfanlage wird für immer versiegen.
Die gute alte Industriewelt ist Wirtschafts-Geschichte
1.200% Rendite in 20 Jahren?
Früher garantierte die (Export-)Industrie beste Jobs und gute Löhne für die Mittelschicht. Doch es ist wie mit der Jugend: Sie kommt nicht mehr zurück. Der dynamische Prozess des Ersatzes von Menschen durch Maschinen hat erst begonnen. Hinzu kommt das Ende der fossilen Ära, deren Krone vor allem Deutschland z.B. bei Verbrennungsmotoren trug. Nicht zuletzt hat die Globalisierung und damit die Happy Hour der außenhandelsstarken Nationen ihre Höhepunkte erreicht bzw. schon überschritten. Übrigens, auch US-Präsident Biden hat eine protektionistische Ader.
Insgesamt kommen die Einschüsse selbst bei top ausgebildeten Facharbeitern in Deutschland näher. Und in immer mehr EU-Ländern fährt die einst hoffnungsvolle Jugend mit Uni-Abschluss Taxi oder räumt Regale im Supermarkt ein.
Zwar profitieren einige Marktsektoren wie Technologie in phantastischer Weise von Corona und grundsätzlich von der Digitalisierung. Doch ist der Jobeffekt der new zur old economy gering. So verfügt das amerikanische IT-Unternehmen ZOOM, das Software für Videokonferenzen anbietet, zwar über eine Marktkapitalisierung wie der Ölkonzern Exxon, beschäftigt aber nur ein Prozent seiner Belegschaft. Heute ist der Aktienmarkt nicht mehr wie früher das Abbild volkswirtschaftlicher Basisdaten, sondern das Spiegelbild eines dramatischen Strukturwandels.
In der Not haben Finanz- und Geldpolitik da zu sein
Angesichts der coronalen Naturkatastrophe wird keine Regierung ihre Wirtschafts-Hände in den Schoß legen. Und die Menschen verlangen zu Recht, dass man sich um ihre Belange kümmert. Ansonsten könnte es zu einer „demokratischen Rezession“ ohne Wiederaufschwung kommen.