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Robert Halver zur Wirtschaftspolitik Europas Irrweg

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Daher ist es zunächst verständlich, dass eine konjunkturstimulierende Finanzpolitik und die sie bezahlende Geldpolitik ein Zweckbündnis eingehen. Und EZB-Chefin Lagarde macht ja an allen Ecken und Enden deutlich, dass selbst Covid-19-Impfstoffe die wirtschaftlichen Pandemie-Probleme nicht zeitnah beenden. Sie warnt sogar davor, „überschwänglich“ zu werden.

Über ein so an die Wand gemaltes Weltuntergangsszenario wird die EZB das Not-Anleiheaufkaufprogramm zum Standard-Programm machen. Dabei ist die schwache eurozonale Inflation in der Eurozone ja geradezu ein Befehl, geldpolitisch „all in“ zu gehen. Also wird die EZB im Dezember als Weihnachtsgeschenk eine weitere Liquiditätsausweitung ankündigen, mit der sie bis Ende 2021 komplett alle Neuemissionen an Staatsanleihen wie ein Schwamm aufnimmt. Das ist Staatsfinanzierung in Vollendung. Zur Erinnerung: Das war einmal verboten. Die Entwicklung der EZB dürfte Richtung japanischer Notenbank gehen, die vor der Finanzkrise etwa neun, aber heute weit über 50 Prozent der Staatspapiere Japans hält.

Auf einen deutschen Orkan der stabilitätspolitischen Entrüstung sollte niemand warten. Angesichts auch unserer kriegsähnlichen Neuverschuldung kommt es höchstens zum Sturm im Wasserglas. In Berlin ist man dankbar, dass die EZB für negative Kreditzinsen und reibungslosen Schuldenabsatz sorgt. Jeder ist sich selbst der nächste und unsere Bundesfinanz- und Länderfinanzminister stehen direkt neben sich. Wird die Schuldenbremse nach ihrem Karfreitag jemals österliche Wiederauferstehung erleben? 

Nothilfen dürfen kein Dauerzustand werden

Die Frage sei erlaubt, in welcher Wirtschaft wir nach der Notlage leben wollen. Kommen wir zurück zur marktwirtschaftlichen Ausrichtung oder machen wir die Not zur Tugend, gewöhnen wir uns an die schöne neue staatswirtschaftliche Welt, die uns vermeintlich alle Probleme abnimmt?

Wir kennen alle diesen Spruch unserer Eltern: „Du sollst es später einmal besser haben als wir“. Dazu wurden uns zwei Dinge mitgegeben: Liebe und Ausbildung. Diese Anstrengungen waren weder für Eltern noch deren Sprösslinge immer nur ein Zuckerschlecken. Ja, das Leistungsprinzip tut mitunter weh. Aber war es nicht alle Mühe wert? Natürlich! „Ohne Fleiß kein Preis“ war eines der Lieblingszitate meines Vaters. Man wollte doch, dass die Kinder auf die harte berufliche Leistungsgesellschaft vorbereitet sind. Dort sollten sie mit den Adlern fliegen, nicht mit den Hühnern scharren.

Daher dürfen ebenso Politiker ihren schutzbefohlenen Bürgern niemals suggerieren, dass durch den Staat alles anstrengungslos darstellbar ist, sozusagen das Pudding-Abitur für alle. Von nichts kommt nichts. Leistung ohne Gegenleistung funktioniert schon mathematisch nicht. Selbst wirtschaftspolitisch auf Halten spielen, führt ja letztlich auch zu keinem Gewinn. Schon dieses Unterfangen wird in einer wettbewerbsstarken Welt, die Europa nicht das Schwarze unter den Nägeln gönnt, gnadenlos ausgenutzt. Stillstand ist bereits Rückschritt. 

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