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  • Nach der Europawahl: Rechtsruck ist schlecht für Wirtschaft und Börse

Von in FondsLesedauer: 4 Minuten
Demo gegen Rechts in Duisburg im März 2024
Demo gegen Rechts in Duisburg im März 2024 | Foto: Imago Images / Funke Foto Services

Bei den Europawahlen vor fünf Jahren war die Umwelt noch das dominierende Thema, jetzt war es die Migration. Mit den Verlusten der Grünen, werden politische Initiativen bei ökologischen Themen auf der Prioritätenliste nach unten rutschen. Zwar ist der große Rechtsruck ausgeblieben und die pro-europäische politische Mitte bleibt auf EU-Ebene intakt. Allerdings ist die schwache Unterstützung der nationalen Regierungen in Deutschland und in Frankreich, die zum Vorschein kam, problematisch. 

In Deutschland verlor die regierende Ampel-Koalition fast elf Prozentpunkte, die AfD gewann dagegen rund fünf Prozentpunkte hinzu. Der französische Präsident Emmanuel Macron rief nach herben Verlusten sogar Neuwahlen aus. Hier könnte die Rechtsaußenpartei Rassemblement National von Marine Le Pen als Sieger hervorgehen.

 

 

 

Diese Entwicklungen können eine politische Konsensfindung auch auf EU-Ebene nochmals erschweren. Dazu kommt, dass sich das EU-Parlament deutlich fragmentierter darstellt als früher. Insgesamt dürften die Ergebnisse der Europawahl die politische Handlungsfähigkeit auf nationaler und EU-Ebene weiter begrenzen. Es gestaltet sich immer schwieriger, Mehrheiten zu finden. Durch die Fragmentierung droht politischer Stillstand.

Finanzmärkte wollen Stabilität

Politische Unsicherheit schürt Unruhe an den Kapitalmärkten. Insbesondere die Haushaltslage von Frankreich ist nach der Rating-Herabstufung durch S&P Anfang Juni noch stärker in den Mittelpunkt gerückt. Der Euro könnte unter Druck geraten. Eine größere Lücke in der Geldpolitik zwischen Fed und EZB könnte entstehen.

Außerdem besteht zunehmend die Gefahr, dass Staatshaushalte durch Verteilungsgeschenke belastet werden, wohingegen notwendige Investitionen ausbleiben. Nachdem das Bundesverfassungsgericht die alternative Verwendung des sogenannten Coronafonds verboten hat, zeigt sich die rot-grün-gelbe Regierung zunehmend als finanziell handlungsunfähig. Die Erfahrung zeigt aber, wenn ein Staat seine Investitionen zurückfährt, leidet das Wirtschaftswachstum. Die konjunkturelle Entwicklung Deutschlands in den zurückliegenden Quartalen belegt ein weiteres Mal diesen Zusammenhang. 

Während die USA und China durch Subventionen ihre Wirtschaft spürbar ankurbeln, werden in Europa wichtige Schritte hin zu einer wachstumsorientierten Wirtschafts- und Industriepolitik immer weiter erschwert. Und dies in einer Zeit, in der der Wettbewerb zwischen den Wirtschaftsräumen stark ausgeprägt ist und sich die EU beispielsweise im Handelskonflikten zwischen den USA, China und Europa behaupten muss. Hier können nationale Interessen künftig noch stärker einen zielgerichteten Konsens auf EU-Ebene verhindern.  

In Deutschland bereiten die anstehenden Wahlen in drei ostdeutschen Bundesländern im Herbst zunehmend Sorgen. Eine Umfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft im März 2024 zeigt, Unternehmen beurteilen das Erstarken der rechtspopulistischen AfD mehrheitlich als Risiko für den Industriestandort Deutschland. Dabei wird insbesondere die EU-kritische Haltung der AfD und die Sorge hinsichtlich der Fachkräftesicherung angeführt. 

Schon heute herrscht in Deutschland nicht nur ein Fachkräfte-, sondern insgesamt ein Personalmangel. Restaurants müssen ihre Öffnungszeiten verkürzen und Pflegeheime gehen reihenweise pleite, weil sie nicht ausreichend Personal finden. Die Zahl der Menschen im sogenannten Erwerbsalter, also von 20 bis 66 Jahren, wird in den kommenden 30 Jahren von heute von 51,7 auf nur noch 47,4 Millionen sinken, so das Statistische Bundesamt. 

 

 

 

Deutschland braucht eine vernünftige Zuwanderung von Arbeitskräften aus dem Ausland, wenn die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit nicht noch weiter beeinträchtigt werden soll. Vor diesem Hintergrund warnen immer mehr Stimmen aus der Wirtschaft vor weiteren Erfolgen der AfD – angefangen von BDI-Präsident Siegfried Russwurm über VDI-Chef Lutz Eckstein bis hin zum Siemens-CEO Roland Busch.

Schwacher konjunktureller Ausblick 

Nicht zuletzt durch das schwache Wirtschaftswachstum in Deutschland bleiben die Aussichten für die Eurozone gedämpft. Zwar dürfte die Region nach einer Stagnation von fünf Quartalen in der zweiten Jahreshälfte eine Erholung erleben, doch kämpft sie sich nur mühsam in Richtung ihres Trendwachstums von 1,5 bis 1,8 Prozent. Bereits seit Anfang des Jahrtausends zeigt sich eine erhebliche Schere im Produktivitätswachstum zwischen den USA und der Eurozone, was auch an einer verfehlten Standortpolitik liegt.

An den Kapitalmärkten tun sich die europäischen Unternehmen schwer, sich trotz niedrigerer Bewertungen von den US-Märkten abzukoppeln und relative Stärke zu zeigen. Angesichts der politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen meiden internationale Investoren zunehmend Europa. Noch befindet sich der deutsche Aktienmarkt gemessen am Dax mehrheitlich in ausländischer Hand. Was ein weiteres Erstarken von Rechtspopulisten aber für die Börse bedeuten würde, können sich Investoren an fünf Fingern abzählen. 

 


Über den Autor: 

Steffen Kunkel arbeitet bei der Bethmann Bank als Chief Investment Strategist. Davor war der Diplom-Volkswirt unter anderem bei der Credit Suisse und Universal Investments tätig.

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