Exodus nach Kursverlusten Warum russische Firmen die Londoner Börse verlassen
Drei von Russlands führenden Firmen aus dem Rohstoffbereich bereiten bereits einen Rückzug von der Börse vor, während die Preise von Rohstoffen einbrechen und die Aktienverkäufe russischer Unternehmen dieses Jahr auf weniger als eine Milliarden Dollar eingebrochen sind - verglichen mit mehr als 30 Milliarden Dollar im Jahr 2007.
Eurasia Drilling Co. Ltd., die größte Ölbohrfirma des Landes, teilte vergangene Woche mit, ihre Eigentümer und Führungsriege böten den Aktionären ein Buy-Out und einen Rückzug des Unternehmens von der Börse an. Vorher hatte bereits der Kalikonzern Uralkali PJSC einen Großteil seines Streubesitzes zurückgekauft und im August ein Delisting in London in Aussicht gestellt. Die Familie von Milliardär Suleiman Kerimow plant ebenfalls, Polyus Gold International Ltd. wieder als nicht- börsennotierte Gesellschaft zu führen.
Viele andere dürften dem Beispiel folgen, erwartet Kirill Chuyko, Leiter Aktienanalyse bei der BCS Financial Group in Moskau. Das Interesse der Eigentümer, ausländische Aktien als eine Expansionsmöglichkeit zu nutzen, nehme im Gleichschritt mit dem Interesse der ausländischen Anleger an Rohstoff- und Schwellenmarkt-Aktien ab. Sinkender Rohstoff-Appetit und schlechte Bewertungen
"Jedes Unternehmen hat einen bestimmten Grund, aber der gemeinsame Nenner ist, dass der Appetit der Investoren auf Aktien aus dem Rohstoffbereich, insbesondere aus Schwellenmärkten, erschöpft ist", sagte Chuyko. "Gleichzeitig sehen die Eigentümer, dass die Bewertungen der Unternehmen nicht ihre Hoffnungen und Wünsche widerspiegeln, während die Beibehaltung der Börsennotierung Einsatz und Geld kostet."
Die gesamten Aktienverkäufe russischer Unternehmen dürften in diesem Jahr etwa 30Mal niedriger als bei ihrem Höchststand im Jahr 2007 liegen, als die globalen Rohstoffpreise rund 90 Prozent über ihrem aktuellen Niveau gelegen hatten. Ein weltweiter Index für Aktien aus Schwellenländern ist in den vergangenen zwölf Monaten um 14 Prozent gefallen. Russland gehörte zu den aufstrebenden Volkswirtschaften, die von dem Preiseinbruch bei Öl und Gas am stärksten in Mitleidenschaft gezogen wurden. Die russische Wirtschaft schrumpfte im zweiten Quartal auf Jahressicht um 4,6 Prozent. Russland weniger attraktiv als Schwellenländer insgesamt
"In den Augen der Investoren ist Russland sogar ein noch weniger attraktives Investment als die Schwellenmärkte insgesamt", erklärte George Buzhenitsa, Analyst bei der Deutsche Bank AG in Moskau, telefonisch gegenüber Bloomberg. "Die Unternehmen sehen den Vorteil einer Börsennotierung nicht mehr."
Die Wirtschaft leidet zusätzlich unter den Handelssanktionen von USA und Europäischer Union infolge des Ukraine-Konflikts, der zu den stärksten Spannungen mit Russland seit dem Kalten Krieg geführt hatte. In diesem Monat verschlechterten sich die Beziehungen noch weiter, als Russland mit dem Bombardement in Syrien seine erste militärische Kampagne außerhalb der ehemaligen Sowjetunion seit Jahrzehnten startete, was in den USA auf Kritik stieß.
Die Rückkehr zum Ost-West-Antagonismus ist auch für unternehmerische Verbindungen über diese Linie hinweg ungünstig. Die geplante Übernahme von Eurasia Drilling durch Schlumberger Ltd. aus Houston scheiterte im September. Russlands Förderale Sicherheitsbehörde (FSB), der Hauptnachfolger des KGB, habe die Transaktion aufgehalten, sagten damals mit dem Vorgang vertraute Personen. Die Aktien von Eurasia Drilling rutschten in London während der vergangenen zwölf Monate um mehr als 60 Prozent ab. In Russland gibt es mehr Liquidität
Der Kurs von Uralkali in London ist im selben Zeitraum um 15 Prozent gefallen, in Moskau angesichts des schwächeren Rubel jedoch um 31 Prozent gestiegen. Das Management des Unternehmens teilte mit, man wolle sich stärker auf die Notierung in Russland konzentrieren, weil es am heimischen Markt ein stärkeres Anlegerinteresse und mehr Liquidität gebe.
"Wenn russische Unternehmen früher Aktien verkauft haben, dann hofften sie, das Kapital entweder als Finanzierungsquelle oder für Fusionen und Übernahmen zu benutzen", sagte Chuyko von BCS. Heutzutage "betrachten Unternehmen den Aktienmarkt nicht mehr als eine potenzielle Kapitalquelle. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass weitere Delistings folgen werden."