Experte der Baader Bank über Krypto „Eine halbe Million unterm Kopfkissen wird irgendwann schwierig“
Während Bitcoin & Co. längst im Mainstream angekommen sind, steht die institutionelle Adoption noch am Anfang. Im Interview mit DAS INVESTMENT erklärt Lukas Burkart, Head of Distribution bei der Baader Bank, warum Europa bei der Regulierung die Nase vorn hat, weshalb Stablecoins boomen und was er von den optimistischen Kursprognosen im US-Wahljahr hält.
DAS INVESTMENT: Die Krypto-Welt hat sich in den vergangenen Jahren stark gewandelt. Wo stehen wir aktuell bei der Entwicklung von digitalen Assets?
Lukas Burkart: Krypto gibt es noch nicht so lange und ist in der Finanzwelt noch nicht vollends etabliert. Es gibt nach wie vor sehr große Unterschiede zur klassischen Welt: Zum einen ist es die Volatilität, die im institutionellen Bereich noch viele Investoren abhält. Zum anderen wird der Markt ganz klar von Privatanlegern befeuert. Wenn wir über Krypto reden, müssen wir zudem immer unterscheiden: Der Bitcoin steht für über 50 Prozent des gesamten Krypto Market Caps. Auf der anderen Seite haben wir Smart-Contract-Plattformen, die wahrscheinlich wirklich große Anwendungsbereiche in Zukunft haben werden.
Was sind die größten Unterschiede zu traditionellen Anlageklassen?
Burkart: Die Krypto-Welt ist wie gesagt hauptsächlich Retail-driven. Deswegen haben wir auch diese extremen Ausschläge. In der klassischen Welt machen institutionelle Investoren einen wesentlich höheren Anteil aus. Diese setzen sich einen Fair Value – wenn es deutlich drunter fällt, kaufen sie, wenn es deutlich drüber geht, verkaufen sie. In der Krypto-Welt haben wir immer noch die Situation, dass bei fallenden Kursen Panik entsteht und bei steigenden die FOMO einsetzt. Der zweite entscheidende Unterschied: Wir haben keine regulierte Referenzbörse. Wenn Sie online auf Coinmarketcap oder Coingecko Preise anschauen, ist das immer ein Aggregat von verschiedenen, meist unregulierten Börsen.
Wie stark ist denn die Nachfrage nach Krypto bei jüngeren Anlegern?
Burkart: Eine aktuelle Studie der International Organization of Securities Commission hat in den USA ergeben: Bei den unter 25-jährigen Investoren – wohlgemerkt nur aktive Anleger – haben bereits 60 Prozent in Krypto investiert. Bei den unter 35-Jährigen haben sich zumindest 60 Prozent schon mal Krypto-Assets angeschaut. Über 45 sieht das ganz anders aus. Deswegen müssen besonders Neo-Broker auf den Zug aufspringen - die wollen ja nicht, dass dieses Business an ihnen vorbeigeht. Auch für klassische Vermögensverwalter wird es zunehmend wichtiger, wenn sie junge Kunden gewinnen oder halten wollen.
Wie sieht es bei der steuerlichen Behandlung aus?
Burkart: Das ist ein interessanter Punkt. In Deutschland wird Krypto steuerlich anders behandelt als klassische Wertpapiere. Die Österreicher sind da schon einen Schritt weiter - sie haben Krypto bereits in die Kapitalertragssteuer mit aufgenommen.
Europa gilt als Vorreiter in der Krypto-Regulierung. Was genau macht die EU besser?
Burkart: Europa hat als erstes eine ordentliche Regulierung aufgesetzt. Jedes Unternehmen, das innerhalb der EU Krypto anbietet, muss nach bestimmten Regeln handeln. Ein nicht reguliertes Unternehmen kann beispielsweise keine Werbung mehr machen. Die Unternehmen werden beaufsichtigt, was die Anzahl von Scams und Hacks wesentlich reduzieren sollte.
1.200% Rendite in 20 Jahren?
Apropos Sicherheit - welche Aspekte sollten Investoren bei der Verwahrung von Krypto-Assets beachten?
Burkart: In der Vergangenheit hatte die Branche große Probleme – denken Sie an Mount Gox, wo die damals größte Kryptobörse gehackt wurde und viele Investoren ihr Vermögen verloren. Bis vor einiger Zeit war es Standard, dass man als Retail-Investor Hardware Wallets nutzt. Aber eine halbe Million unterm Kopfkissen wird irgendwann schwierig. Dann braucht man ein Bankschließfach – aber da ist die Flexibilität wieder weg. Durch regulierte Verwahrstellen, die Bafin-reguliert sind und zusätzlich noch eine Versicherung für die Assets haben, ist das ein ganz anderes Gefühl. Wir bei der Baader Bank arbeiten mit Tangany zusammen.
Wo sehen Sie das größte Innovationspotenzial im Krypto-Sektor?
Burkart: In Emerging Markets ist der Zugang zu Banken, wie wir ihn in Deutschland kennen, oft nicht gegeben – aber jeder hat ein Smartphone. Mit Blockchain-basierten Applikationen können wir Dinge realisieren, die vorher nicht möglich waren. Auch im Settlement von Transaktionen, ob im Private-Equity-Bereich oder anderen Bereichen, gibt es echte Business Cases.
Blockchain wird oft als revolutionäre Technologie bezeichnet. Manche argumentieren aber auch, wenn es nach 15 Jahren keinen konkreten Anwendungsfall gibt, ist die Technik im Grunde obsolet. Stimmen Sie zu?
Burkart: Nein, ganz und gar nicht. Interessant ist zum Beispiel der Immobilienbereich. In Südamerika und Kenia wird bereits diskutiert, ob man nicht auf ein Blockchain-basiertes Real-Estate-Register umsteigen könnte. Da müsste der Notar eigentlich nur noch einmal anfänglich bescheinigen, wenn das Haus gebaut wird. Danach würde alles über Token geregelt. Klar würde das die Notarkosten drastisch senken – deswegen wäre es auch überraschend, wenn sich die Notare nicht aktiv dagegen wehren würden.
Gibt es noch andere Beispiele in der westlichen Welt?
Burkart: Walmart nutzt die Blockchain bereits in der Logistik. Mit QR-Codes kann man dort jedes Produkt tracken – wann wurde dieser Lachs gefangen, welchen Weg hat er genommen? Die Boston Consulting Group hat ähnliche Projekte gestartet. Viele Kunden wissen vermutlich auch gar nicht, wenn im Hintergrund Blockchain-Technologie verwendet wird.
Stablecoins sind derzeit ein großes Thema. Wozu braucht man die eigentlich?
Burkart: Der Use Case ist vor allem das Verleihen in der dezentralen Welt. Man kann seine Coins verleihen und sich dafür dann in US-Dollar-Gegenwert auszahlen lassen. Für solche Geschäfte ist eine weniger volatile Währung wie der US-Dollar einfach angenehmer.
Mit Blick auf die US-Wahl: Ein Analyst hat kürzlich prognostiziert, dass Bitcoin mit Trump auf 220.000 Dollar steigt und mit Harris auf 75.000 Dollar...
Burkart (lacht): Ich habe einen fantastischen Track Record, wenn es darum geht, den falschen Präsidenten vorherzusagen – ich liege wirklich bei jeder Wahl falsch. Was ich aber sagen kann: Wir sind nach wie vor in einer Situation, wo die Krypto-Welt noch early stage ist. Auch unter Kamala Harris wird die Entwicklung nicht stehen bleiben. Die Märkte werden extrem volatil bleiben, aber der langfristige Trend zeigt eher nach oben.
Was sind die häufigsten Missverständnisse über Krypto-Investments?
Burkart: Es kommt immer wieder der Spruch mit Geldwäsche und Drogenhandel. Viele verstehen nicht, dass Krypto nicht anonym, sondern pseudonym ist. Es wäre so, als würden Sie Ihr Drogengeschäft mit einem Euro-Schein abwickeln, den Sie vorher markiert haben und auf dem jeder weitere Nutzer auch noch eine Markierung hinterlässt. Ein weiteres Missverständnis verdanken wir den Influencern im Pump-and-Dump-Bereich. Gestern las ich noch eine Prognose, dass XRP auf 1.000 Dollar steigen soll – das würde dem doppelten Marketcap aller Aktien auf der Welt entsprechen. Das ist unwahrscheinlich, würde ich sagen.
Welche Rolle wird Krypto bei der Baader Bank in den nächsten Jahren spielen?
Burkart: Wir werden unser Krypto-Angebot weiterentwickeln. Der nächste Schritt ist Staking. Für uns ist es wie andere Assetklassen ein wichtiges Produkt. Wir wollen unseren B2B-Kunden ermöglichen, über uns regulatorisch sicher und preislich kompetitiv alle möglichen Assetklassen handeln zu können. Wir haben ein eigenes Krypto-Team und wollen – wie in jedem andere Produkt, das wir anbieten – state of the art sein.