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Aktualisiert am 15.02.2021 - 10:33 Uhrin MärkteLesedauer: 4 Minuten
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Expertenkommentar AB Wachstumspotenzial in schwächelnden Emerging Markets finden

Laurent Saltiel, Chief Investment Officer Emerging Markets Growth bei AB
Laurent Saltiel, Chief Investment Officer Emerging Markets Growth bei AB

Die Emerging Markets haben in den letzten Jahren viele Anleger enttäuscht. In vielen Ländern liess das Wirtschaftswachstum nach. Aktienrenditen sind hier im Vergleich zu Industrieländern zurückgeblieben. Außerdem sind die Gewinnzuwächse von Unternehmen im MSCI Emerging Markets Index von ihrem Spitzenwert von 18,8% aus dem Jahr 2010 inzwischen auf 12% zurückgegangen.

Einige Anleger haben deswegen bereits aufgegeben. Wir halten das für einen Fehler. Denn auch wenn Wirtschaftswachstum und politisches Risiko vielleicht Schlagzeilen machen, bieten Emerging Markets eine Vielzahl von beträchtlichen Wachstumsnischen, die derzeit übersehen werden (Abbildung). Die Kunst liegt darin, Unternehmen zu finden, deren Erfolg nicht vom Wirtschaftswachstum abhängt, und sich auf Branchen zu konzentrieren, die von strukturellen Veränderungen profitieren. Solche Veränderungen werden durch Produkte oder Dienstleistungen herbeigeführt, die ausgehend von einem sehr niedrigen Niveau immer stärkere Verbreitung finden.

Augenmerk auf Finanzdienstleistungen

Finanzdienstleistungen stellen einen guten Ausgangspunkt dar. In vielen Emerging Markets kommt es im Zahlungsverkehr zu einer raschen Umstellung von Bargeld auf Kartenzahlungen. Außerdem legen in Ländern wie China, Indien und Indonesien die Löhne trotz wirtschaftlicher Schwierigkeiten jährlich immer noch um etwa 10% zu.

Diese Trends lösen einen Prozess aus, den wir finanzielle „Vertiefung“ nennen. Haushalte, die mehr Einkommen zur freien Verfügung haben, können mehr Geld in Finanzdienstleistungen kanalisieren. Hypotheken, Konsumentenkredite, Versicherungen und andere Sparprodukte haben auf den Massenmärkten noch nicht annähernd eine ähnliche Verbreitung erreicht wie in Industrieländern. In Indien beispielsweise haben nur etwa 10% der Haushalte Hypotheken. In Peru liegt die Verbreitung von Versicherungen bei gerade einmal 3% - und gehört damit zu den niedrigsten in allen Emerging Markets.

Menschen mit mehr Geld erhalten mehr medizinische Versorgung

Die medizinische Versorgung ist eine weitere Wachstumsquelle, die nicht wirklich vom makroökonomischen Wachstum beeinflusst wird. In vielen Emerging Markets hat das strukturelle Wachstum in den letzten beiden Jahrzehnten große Veränderungen bei der Ernährungsweise und beim Gesundheitsbewusstsein mit sich gebracht. In dem Maße, in dem sich eine eiweißbasierte Ernährung verbreitet - und Junk Food an Beliebtheit gewinnt -, treten auch Diabetes und Herzkrankheiten vermehrt auf.

Das Gesundheitswesen hat aber noch einen weiten Weg vor sich. Laut Weltbank steigen die Ausgaben für medizinische Leistungen in Emerging Markets durchweg um rund 8% pro Jahr. Das ist mehr als doppelt so viel wie in Industrieländern und liegt deutlich über der Wirtschaftswachstumsrate in Emerging Markets, die auf etwa 4% geschätzt wird. Viele Arzneimittel sind hier deutlich weniger verbreitet als in Industrieländern, was auf die niedrigen Pro-Kopf-Ausgaben für Medikamente zurückzuführen ist (Abbildung). Die Versorgung in Krankenhäusern ist ebenfalls deutlich weniger verbreitet. Bei Unternehmen, die diese Lücken schließen können, bestehen gute Chancen, solide Wachstumszuwächse – und Aktienrenditen – für schlaue Anleger zu erzielen.

Boom im privaten Bildungswesen

Auch das private Bildungswesen ist einer näheren Betrachtung wert. In Brasilien hat sich die Regierung zum Ziel gesetzt, bis 2020 die postsekundäre Bildung in der Altersgruppe der 18- bis 24-jährigen von 15% auf 33% zu erhöhen. Dem Plan zufolge wird die Zahl von Studenten in postsekundären Bildungseinrichtungen von 7,3 Millionen im Jahr 2014 auf 12 Millionen im Jahr 2020 steigen. Die Regierung stützt sich bei der Verwirklichung dieses Ziels auf den privaten Sektor, und Zuwächse werden durch subventionierte Studentenkredite gefördert.

Ähnliche Trends zeichnen sich in China ab. Von der Vorschule bis zur Universität wird die private Bildungsindustrie nach Schätzungen von Deloitte 2015 voraussichtlich 102 Mrd. USD wert sein. Zwischen 2008 und 2013 ist sie nach Aussagen des in Peking ansässigen Beratungsunternehmens BDA explosionsartig um etwa 20% pro Jahr gewachsen. In China erhält die Branche Auftrieb durch die kulturelle Fokussierung auf Bildung sowie durch die Ein-Kind-Politik, die Eltern und Großeltern zu großzügigen Ausgaben für ihren Nachwuchs veranlasst.

Strukturelle Veränderungen fördern Wachstum

Diese unterschiedlichen Trends zeichnen sich durch einige gemeinsame Merkmale aus: Erstens werden sie alle durch mehrjährige Veränderungen und sozio-ökonomische Verschiebungen im großen Stil angetrieben. Zweitens könnten auch bei gedämpftem BIP-Wachstum Ergebnisse erreicht werden, da jedes Thema über kurzfristige wirtschaftliche Probleme hinausgeht. Drittens können Benchmarks für Emerging Markets die Macht dieser großen Trends gar nicht richtig widerspiegeln, weil ein Index auch durch viele Unternehmen beeinflusst wird, die hochgradig zyklisch sind, eine mindere Qualität aufweisen oder durch schlechte Unternehmensführung beeinträchtigt werden.

Lassen Sie sich also von den düsteren Nachrichten aus den Emerging Markets nicht beirren. Selbst in einem schwierigeren makroökonomischen und politischen Umfeld können Emerging Markets immer noch eine ergiebige Wachstumsquelle für Anleger darstellen, die zu einem Engagement abseits ausgetretener Pfade bereit sind.

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