Eyb & Wallwitz-Manager über die Euro-Krise: Déjà vue
Deutschland: Wie viel ist uns die Rettung der Eurozone wert?
Für die bisherigen Hilfspakete für Griechenland, Irland, Portugal und zuletzt Spaniens Banken waren die europäischen Rettungsschirme ausreichend. Sollten aber die Renditen für spanische und italienische Anleihen auf dem derzeitigen hohen Niveau verharren oder gar weiter ansteigen, werden Spanien und Italien ebenfalls Unterstützung benötigen und den Rahmen des EFSF/ESM sprengen. Hier kommt Deutschland ins Spiel. Angela Merkel hat immer wieder betont, was sie nicht will: keine Aufstockung des ESM, keine Teilmonetisierung der Haushaltsdefizite durch die EZB, keine Abkehr vom strikten Sparkurs und keine Eurobonds. Ohne ein gewisses Entgegenkommen Deutschlands wird die Eurozone aber kaum überleben können. Letztlich läuft alles auf die Frage hinaus, wie viel der Erhalt der Eurozone Deutschland tatsächlich wert ist.
Nach Berechnungen des Ifo-Instituts haftet Deutschland aktuell für etwa 1.400 Milliarden Euro oder über 50 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung. Diese gigantische Summe umfasst neben den Rettungsaktionen beziehungsweise Rettungsschirmen und den bereitgestellten Bürgschaften beziehungsweise Kreditvolumina (386 Milliarden Euro) die Beträge, welche die EZB für Staatsanleihenkäufe ausgegeben hat (211 Milliarden Euro), und die Target-Kredite an die Zentralbanken von Griechenland, Irland, Portugal, Spanien und Italien (818 Milliarden Euro). Letztere sind Ausfluss des chronischen Leistungsbilanzdefizits jener Länder und in jüngster Zeit vermehrt auch der Kapitalflucht nach Deutschland.
Gerne wird von den Befürwortern eines größeren deutschen Engagements ins Feld geführt, dass Deutschland Hauptnutznießer der Währungsunion gewesen sei und immer noch ist. Diese Aussage ist aber nicht zutreffend: Durch die riesigen privaten Kapitalexporte in die europäische Peripherie hatte Deutschland lange Zeit weltweit eine der geringsten Nettoinvestitionsquoten und das Wirtschaftswachstum war so niedrig und die Arbeitslosenquote so hoch, dass der Economist Deutschland im Jahre 2003 als „the sick man of Europe“ bezeichnete.
Erst seit dem Ausbruch der Eurokrise ist das Wachstum in Deutschland wieder überdurchschnittlich. Durch Sozialreformen und jahrelange Zurückhaltung bei den Löhnen hat sich die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie verbessert. Von den aktuellen Problemländern hat allein Irland einen ähnlichen Weg eingeschlagen und steht deshalb im Vergleich zu Griechenland, Portugal oder auch Spanien deutlich besser da. Außerdem sind durch die gestiegene Risikoaversion nach der Finanzkrise größere Teile der in Deutschland generierten Ersparnis im Land geblieben und haben hier zu einem Investitionsboom beigetragen. Auch die Abhängigkeit der deutschen Exportindustrie von Südeuropa wird gerne überschätzt (vergleiche Grafik).
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Exporte nach Griechenland, Irland, Portugal, Spanien und Italien machen unter 5 Prozent des deutschen Bruttoinlandsprodukts aus, während der Anteil der Exporte in Länder, die nicht der Eurozone angehören, fünfmal so hoch ist und sich in den letzten Jahren außerdem deutlich dynamischer entwickelt hat. In dieser Hinsicht profitiert Deutschland überdurchschnittlich von dem schwächeren Euro gerade gegenüber dem US-Dollar, da die USA der zweitgrößte und China der fünftgrößte Exportmarkt sind und insgesamt knapp 40 Prozent aller deutschen Exporte in außereuropäische Länder gehen.
Angesichts der bereits jetzt sehr hohen Haftungsrisiken einerseits und der abnehmenden Bedeutung der Eurozone für die deutsche Exportindustrie andererseits wird verständlich, warum die deutsche Regierung so zurückhaltend auf Forderungen nach einem größeren deutschen Beitrag reagiert. Vor diesem Hintergrund kann und wird sich Deutschland auch nicht auf die vielzitierten Eurobonds einlassen.
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