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Aktualisiert am 08.09.2022 - 13:12 Uhrin Corona-KriseLesedauer: 4 Minuten

Geldpolitik der Notenbanken EZB lässt Leitzins bei 0 Prozent, britische Notenbank erhöht erneut

Christine Lagarde
Christine Lagarde: Die EZB-Chefin bei der Pressekonferenz nach der EZB-Sitzung am Donnerstag. | Foto: Imago Images / Political-Moments

Entgegen der Prognosen hat sich die Inflation in der Eurozone im Januar nicht abgeschwächt, sondern weiter beschleunigt. Mit 5,1 Prozent wurde eine neue Rekordmarke seit Bestehen des Währungsraums aufgestellt. Dennoch beließ die Europäische Zentralbank (EZB) den Leitzins am Donnerstag auf dem Rekordtief von 0 Prozent. Und Banken müssen weiter Strafzinsen zahlen, wenn sie überschüssige Gelder bei der Notenbank parken. Den Einlagesatz beließen die Währungshüter bei minus 0,5 Prozent.

Die britische Notenbank hat dagegen ihren Leitzins abermals angehoben, um 0,25 Prozentpunkte auf 0,5 Prozent. Es ist der zweite Zinsschritt der Bank of England in der Corona-Pandemie, Ende des vergangenen Jahres hatten die Währungshüter in London den Satz von 0,1 auf 0,25 Prozent erhöht. Auch im Vereinigten Königreich ist die Inflation hoch.

Wie beurteilen Ökonomen die Zinspolitik der EZB und der Bank of England? Wir haben einige Stimmen ausgewählt.

Jan Krahnen, Direktor des Leibniz-Instituts für Finanzmarktforschung Safe in Frankfurt:

Angesichts der aktuellen Inflations- und Verbraucherpreisentwicklungen sowie der bereits erfolgten Richtungsentscheidungen in den USA und in England ist eine wegweisende Entscheidung der EZB überfällig – sie wird derzeit auch in seltener Übereinstimmung von den allermeisten Beobachtern eingefordert. Eine solche Aussage über eine Kursänderung beim Leitzins und/oder beim Anleiheaufkaufprogramm ist heute aber ausgeblieben. Das ist erstaunlich, denn damit hat die EZB eine Chance verspielt.

Sie hätte nämlich ihre gegenwärtige Unsicherheit über die Interpretation der Inflationsentwicklung als dauerhaft oder vorübergehend durch eine Form der Selbstbindung mit ihren Politikzielen transparent verbinden können. Zudem hätte die EZB ankündigen können, dass sie im Falle einer konstant hoch bleibenden Inflationsrate in der Eurozone über einen gewissen Zeitraum einen positiven Zinsschritt verbindlich macht. Zugleich würden die Märkte befähigt, ihre Erwartungen in den kommenden Monaten dynamisch in die Zinsstruktur einzupreisen.

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Jan Viebig, Investment-Chef von Oddo BHF:

Frau Lagarde und der EZB-Rat haben sich nicht entscheiden können, die geldpolitischen Zügel trotz einer Inflationsrate von 5,1 Prozent endlich anzuheben. Wir erwarten, dass die EZB ihren geldpolitischen Kurs irgendwann in diesem Jahr korrigieren muss. Die Bank of England hat anders als die EZB die Zinsen um 25 Basispunkte angehoben (vier Mitglieder votierten sogar für eine Anhebung um 50 Basispunkte). Die EZB hingegen setzt die Käufe von Anleihen wie im Dezember 2021 beschlossen weiter fort und weigert sich, die Zinsen anzuheben.

Im EZB-Rat, dem obersten Beschlussorgan der EZB, überwiegen heute eher die geldpolitischen Tauben und nicht die Falken. Als der Euro 1999 zunächst als Buchgeld eingeführt wurde, war Ottmar Issing Chefvolkswirt der EZB. Die Geldmenge spielte damals eine herausragende Rolle bei der Formulierung der Geldpolitik. Von der eher monetaristischen Ausrichtung der EZB in der Anfangszeit ist wenig geblieben.

Bei einem volkswirtschaftlichen Wachstum in der Eurozone von über 4 Prozent und einem Preisanstieg von 5 Prozent gibt es heute eigentlich keinen Grund mehr, die Wirtschaft weiterhin durch Niedrigzinssätze und Anleihekäufe zu stimulieren. Es ist nicht Aufgabe der EZB, die Zinsaufschläge in den höher verschuldeten EU-Mitgliedstaaten künstlich niedrig zu halten.

Die derzeit hohen Inflationsraten üben einen hohen Druck auf die EZB aus, ihre Geldpolitik irgendwann in diesem Jahr endlich zu modifizieren. Die Marktteilnehmer erwarten mindestens vier Zinserhöhungen in den USA und eine Zinserhöhung in der Eurozone im Jahr 2022. Ein guter Rat für Anleger in diesem geldpolitischen Umfeld lautet weiterhin: Kurze Duration bei Anleihen und Untergewichtung von teuren Wachstumsaktien.

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