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Nullzinspolitik im Euroraum beendet EZB erhöht Leitzinsen deutlich

Sitz der EZB in Frankfurt
Sitz der EZB in Frankfurt: Die Zentralbank reagiert mit der Leitzinserhöhung auf die hohe Inflation. | Foto: Imago Images / Reiner Zensen

Im Kampf gegen die Inflation erhöht die Europäische Zentralbank die Zinsen deutlicher als erwartet. Die drei Leitzinssätze steigen um je 50 Basispunkte. Der sogenannte Hauptrefinanzierungssatz, zu dem sich Banken über einen längeren Zeitraum Geld von der EZB leihen können, wird zum 27. Juli auf 0,50 Prozent erhöht. Der Spitzenrefinanzierungszins steigt auf 0,75 Prozent, der Einlagenzins auf null Prozent. Damit entfällt der Negativzins, den Geschäftsbanken seit 2014 für kurzfristig bei der EZB geparkte, überschüssige Liquidität bezahlen mussten.

Die Schritte sollen sicherstellen, „dass die Inflation mittelfristig auf den Zielwert von 2 Prozent zurückkehrt“, heißt es in einem Statement der EZB. Ursprünglich hatte die Notenbank eine Anhebung um 25 Basispunkte angekündigt. Bei den kommenden EZB-Sitzungen soll es weitere Zinserhöhungen geben.   

Angesichts der hohen Inflation und der Schwäche des Euro sei das Vorgehen der EZB „sehr angemessen“, kommentiert Michael Heise, Chefökonom von HQ Trust den Entscheid der Notenbank. Heise erwartet, dass der Leitzins bis zum Jahresende noch auf 1 Prozent angehoben wird. „Eine einigermaßen neutrale Geldpolitik dürfte allerdings erst bei einem Zinsniveau um die 2 Prozent erreicht sein“, so der Ökonom. Trotz der Korrektur der Geldpolitik werden die Inflationsraten 2023 und 2024 noch weit über den Zielen der EZB liegen, prognostiziert Heise. Viel hänge davon ab, wie sich die Rohstoffpreise entwickeln. Daher sei es richtig, dass die EZB flexibel auf Entwicklungen reagieren wolle.

 

„Die Anhebung um 0,5 Prozent war nur ein erster Schritt in Richtung Zinsnormalisierung“, sagt auch Wolfgang Bauer, Fondsmanager bei M&G Investments. Bleibe die Inflation hoch, bestehe noch ein großer Nachholbedarf. Die Währungshüter hätten jedoch mit ihrer Entscheidung gezeigt, dass sie sich der Eindämmung der Inflation verpflichtet fühlen.

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Für Christof Kessler, Vorstandssprecher von Gothaer Asset Management, kommt der Schritt der EZB zu spät: Die Zentralbank habe mit der Zinserhöhung nur auf den Druck des Marktes reagiert. „Um die Inflation wirksam einzudämmen, müsste die EZB die Zinsen deutlich schneller anheben, solange keine Rückkehr der Kerninflation, also Inflation ohne Energie und Nahrungsmittel, zu sehen ist“, so Kessler.

EZB-Rat genehmigt Kriseninstrument

Der EZB-Rat hat bei seiner Sitzung zudem das sogenannte Transmission Protection Instrument (TPI) genehmigt. Das neue Kriseninstrument soll sicherstellen, dass die Zinserhöhungen hoch verschuldete Eurostaaten wie Italien nicht zu stark belasten. „Das TPI wird das Instrumentarium des EZB-Rats ergänzen und kann aktiviert werden, um ungerechtfertigten, ungeordneten Marktdynamiken entgegenzuwirken, die eine ernsthafte Bedrohung für die Transmission der Geldpolitik im Euroraum darstellen“, heißt es dazu von der EZB. Der Umfang der Ankäufe, die die Zentralbank im Rahmen des neuen Instruments tätigen könne, sei nicht von vornherein festgelegt und hänge von der Schwere der Risiken ab.

Dass die Ankündigungen der EZB zum neuen Kriseninstrument vage geblieben seien, hält HQ-Trust-Ökonom Michael Heise angesichts der Lage für richtig. „Anleihekäufe zur Kontrolle von Risikoprämien für hochverschuldete Länder stünden sehr schnell im Konflikt mit dem Verbot der Staatsfinanzierung und mit der Einhaltung der länderspezifischen Quoten bei Anleihebestand.“ Ökonomisch würden Anleihekäufe zudem eine Ausweitung der Geldmenge bedeuten, was die Inflation weiter verstärken könnte.

Kritisch äußert sich Friedrich Heinemann, Ökonom am Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung, zum geplanten Anti-Fragmentierungsinstrument: „Die EZB wird damit immer mehr zur Instanz, die über die Finanzierbarkeit hoher Staatsschulden und damit auch über das Schicksal von Regierungen entscheidet.“ Das sei nicht mit der geldpolitischen Aufgabe einer unabhängigen Zentralbank vereinbar, so Heinemann.

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