Bantleon-Volkswirt Jörg Angelé
Die EZB saugt alle neuen Schulden auf
Jörg Angelé ist Volkswirt bei Bantleon. Foto: Thomas Wieland
Die EZB könnte mit ihren Anleihekäufen wie schon 2020 die gesamte Neuverschuldung der Euroländer absorbieren. Zahlreiche Analysten halten einen weiteren Renditeanstieg langlaufender Euro-Staatsanleihen daher für so gut wie unmöglich. Bantleon-Volkswirt Jörg Angelé teilt diese Einschätzung jedoch nicht.
Das ergibt sich zumindest auf Basis der jüngsten Emissionsplanung der Mitgliedsländer. Angesichts der sich abzeichnenden Verlängerung bzw. Verschärfung der Massnahmen zur Pandemiebekämpfung bis weit ins 2. Quartal hinein dürfte dieser Wert am Ende jedoch höher liegen. Zuletzt hatten beispielsweise Deutschland (7 Prozent statt 5,3 Prozent des BIP) und Italien (10 Prozent statt 7 Prozent des BIP) eine größere Neuverschuldung angekündigt als bis dato angenommen.
Nichtsdestotrotz sieht es so aus, als ob die EZB erneut sämtliche neuen Schuldpapiere der Euroländer aufkaufen könnte (vgl. Abbildung 1). Das ist auch ein Grund dafür, weshalb sich das Renditeniveau in allen Euroländern...
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Das ergibt sich zumindest auf Basis der jüngsten Emissionsplanung der Mitgliedsländer. Angesichts der sich abzeichnenden Verlängerung bzw. Verschärfung der Massnahmen zur Pandemiebekämpfung bis weit ins 2. Quartal hinein dürfte dieser Wert am Ende jedoch höher liegen. Zuletzt hatten beispielsweise Deutschland (7 Prozent statt 5,3 Prozent des BIP) und Italien (10 Prozent statt 7 Prozent des BIP) eine größere Neuverschuldung angekündigt als bis dato angenommen.
Nichtsdestotrotz sieht es so aus, als ob die EZB erneut sämtliche neuen Schuldpapiere der Euroländer aufkaufen könnte (vgl. Abbildung 1). Das ist auch ein Grund dafür, weshalb sich das Renditeniveau in allen Euroländern trotz der gewaltigen Neuverschuldung, die 2020 aufgelaufen ist bzw. bis Ende 2021 auflaufen wird, nahe den historischen Tiefständen befindet (vgl. Abbildung 2).
Im Zuge des erwarteten dynamischen Konjunkturaufschwungs, der bis weit ins Jahr 2022 anhalten sollte, dürfte die Inflationsrate im nächsten und übernächsten Jahr höher ausfallen als von der EZB unterstellt. Wir halten es daher für fraglich, ob die EZB den aktuellen Rahmen bei den PEPP-Käufen am Ende ausschöpft. Wahrscheinlicher erscheint uns eine Reduzierung der Käufe im 1. Halbjahr 2022 und eine Einstellung der Nettokäufe Ende des nächsten Jahres. Eine nochmalige Aufstockung des PEPP-Rahmens erwarten wir nicht. Eine erste Zinsanhebung wäre dann 2023 möglich.
EZB absorbiert zwar gesamte Neuverschuldung, nicht jedoch sämtliche Neuemissionen
Die EZB dürfte also im laufenden Jahr rechnerisch die gesamte Neuverschuldung der Euroländer absorbieren. Im Endeffekt wird sie aber nicht sämtliche neu emittierten Staatsanleihen und Geldmarktpapiere kaufen. Das liegt unter anderem daran, dass die Anleihenkäufe auch Quasi-Staatsanleihen – sprich Emissionen mit expliziter oder impliziter Staatsgarantie – umfassen.
Im Fall Deutschlands sind das beispielsweise Anleihen der Bundesländer oder der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Der Anteil dieser Bonds am Universum, innerhalb dessen die EZB im Rahmen ihrer Programme Anleihen kauft, schwankt stark von Land zu Land: In Deutschland beträgt er fast 30 Prozent, in Italien und Portugal liegt er hingegen bei unter 1 Prozent (vgl. Abbildung 3).
Zudem führt die EZB die Wertpapierkäufe nicht laufzeitenkongruent durch. Das geht aus der gewichteten durchschnittlichen Restlaufzeit hervor (Weighted Average Maturity, WAM), welche die EZB regelmässig für die von ihr im Rahmen des PEPP gekauften Anleihen veröffentlicht. Demzufolge betrug zum Beispiel die WAM des deutschen Anleihenuniversums, das im Zeitraum März 2020 bis Januar 2021 den PEPP-Kriterien entsprach, etwa 6,5 Jahre. Die von der EZB erworbenen Anleihen hatten jedoch nur eine WAM von 4,2 Jahren.
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