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EZB-Staatsanleihekauf 1.140.000.000.000 Euro, fürs Erste

Degussa-Chefvolkswirt Thorsten Polleit
Degussa-Chefvolkswirt Thorsten Polleit
Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) hat am gestrigen Donnerstag beschlossen, zusätzlich zu Hypothekenpfandbrief- und Bankkreditkäufen auch Euro-Staatsanleihen aufzukaufen. Ab März 2015 werden monatlich Kreditschulden in Höhe von insgesamt 60 Milliarden Euro gekauft – die mit neuen, aus dem nichts geschaffenen Euro bezahlt werden. Bis September 2016 (oder darüber hinaus) sollen auf diese Weise zusätzlich 1,14 Billionen Euro (in Zahlen: 1.140.000.000.000) geschaffen werden. Doch das dürfte wohl nur der Anfang sein, auf den nachfolgend noch größere Beträge folgen.




Vorgesehen ist zudem, dass 12 Prozent der gesamten Schulden, die gekauft werden, von europäischen Institutionen ausgegeben wurden und von den nationalen Notenbanken zu kaufen sind. Die EZB wird 8 Prozent aller zu kaufenden Wertpapiere erwerben. Daraus folgt, dass für mögliche Verluste von 20 Prozent aller zu kaufenden Wertpapiere die nationalen Steuerbürger (über ihre Zentralbankbilanz) geradestehen müssen.

Die EZB-Entscheidung ist ein Verstoß gegen den Maastricht-Vertrag. Er verbietet der EZB ausdrücklich, die öffentlichen Haushalte zu finanzieren. Durch dieses Verbot sollten die Bürger vor einer Allmacht des Staates ge-schützt werden, die droht grenzenlos zu werden, wenn der Staat seine Aus-gaben mittels Anwerfen der elektronischen Notenpresse finanzieren kann. Genau in diese Richtung arbeiten aber die EZB-Anleihekäufe.

Sie ermächtigen de facto die Regierungen ohne Wählerzustimmung: Regie-rungen sind bei Finanzengpässen nicht mehr darauf angewiesen, ihre Politik von Parlament und damit den Steuerbürgern legitimieren zu lassen, weil sie nunmehr Finanzprobleme, für die sie verantwortlich sind, durch den Rückgriff auf Notenbankkredite lösen (also Kredit erhalten, die sie bei tatsächlicher Darstellung ihrer Finanzlage von anderer Seite nicht mehr erhalten). So gesehen lässt sich der EZB-Staatsanleihekauf als undemokratisch begreifen.

Der EZB-Beschluss, Staatsanleihen zu kaufen, kam zwar nicht überraschend – er sollte jedoch selbst den hartgesottensten Befürwortern der Euro-Einheitswährung klar gemacht haben: Der Einheitswährungsraum lässt sich nur zusammenhalten, wenn die nationalen Staats- und Bankschulden im Euroraum kollektiviert werden und die Kaufkraft des Euro durch Inflation vermindert wird.

Was ist „QE“?

Die Abkürzung „QE“ steht für den englischen Begriff „Quantitative Easing“. Er lässt sich als „mengenmäßige Lockerung“ übersetzen. Gemeint ist damit, dass die Zentralbank die (Basis-)Geldmenge ausweitet, indem sie Staatsanleihen aufkauft, und die Käufe mit neu geschaffenem, „aus dem Nichts“ geschöpften Geld bezahlt.

Was sind die Konsequenzen von „QE“?

1. Tiefere Zinsen

Wenn die EZB Staatsanleihen kauft, senkt sie die Zinsen der Euro-Staatsanleihen künstlich ab: Die Zinsen werden unter das Niveau gedrückt, das sich ergeben würde, wenn die Zentralbank diese Papiere nicht nachfragen würde. Niedrigere Zinsen entlasten zwar die Staatshaushalte und schaffen den Regierungen neue Ausgabenspielräume. Gleichzeitig senken sie jedoch den Reformeifer – weil sinkende Zinskosten den Druck, Reformen anzugehen und durchzuführen, verringern.

2. Steigende Geldmenge

Der Aufkauf von Staatsanleihen bedeutet spiegelbildlich ein Ausweiten der (Basis-)Geldmenge. Wenn die EZB Euro-Staatsanleihen von sogenannten Nichtbanken (hierzu zählen zum Beispiel Versicherungen, Pensionsfonds und private Sparer) kauft, überweist sie den Kaufbetrag direkt auf das Konto des Verkäufers. In diesem Fall steigen Basisgeldmenge und die nachfrage-relevanten Geldmengen M1 bis M3 in Höhe des Kaufbetrages an.

3. Abwertung des Euro-Außenwertes


Eine steigende Euro-Geldmenge wird Abwertungsdruck auf den Außenwert des Euro ausüben. Die Befürworter meinen, dass eine abwertende Währung die Exporte eines Landes preislich wettbewerbsfähiger macht und auf diese Weise die heimische Nachfrage stärkt. Angesichts weltweit miteinander verflochtener, arbeitsteilig organisierter Volkswirtschaften ist das jedoch eine verkürzte Sicht. Eine Währungsabwertung verteuert die Importgüter, und sie schmälert vor allem auch die Kapitalimporte – und das wiederum schwächt die Wachstums- und Prosperitätsaussichten.

4. Höhere Inflation

Eine steigende Geldmenge wird notwendigerweise zu höheren Preisen führen (im Vergleich zu einer Situation, in der die Geldmenge nicht ausgeweitet wird). Wo der Preiseffekt zuerst in Erscheinung tritt, lässt sich allerdings nicht vorhersagen. Es ist gut möglich, dass zunächst die Preise für Bestandsgüter (wie Aktien und Häuser) in die Höhe gehen, bevor dann die Preise der Lebenshaltung ansteigen. In jedem Falle schwindet die Kaufkraft des Euro, sobald die Geldmenge ausgeweitet wird.
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