Deka-Chefvolkswirt Ulrich Kater
Das steckt hinter der EZB-Politik
Ulrich Kater ist Chefvolkswirt der Dekabank. Foto: Dekabank
Die Europäische Zentralbank erhöht ihre Inflationsprognose auf 2,2 Prozent und behält ihre Nullzinspolitik bei. Was hinter der Strategie steckt, erklärt Deka-Chefvolkswirt Ulrich Kater.
Die Inflationsangst hält an. Die hohen Steigerungen bei Erzeuger- und Einfuhrpreise belegen, dass der Überwälzungsdruck von dieser Seite immens ist. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat zwar ihre Inflationsprognose zuletzt erhöht, bleibt aber dabei, dass der mittelfristige Ausblick nicht alarmierend, sondern lediglich mit mehr Unsicherheit behaftet sei. Die Anfang September vorgenommene leichte Aufwärtsrevision der Inflationsprojektionen für 2021 auf 2,2 Prozent und 2022 auf 1,7 Prozent hat denn auch gemäß der neuen geldpolitischen Strategie keine unmittelbaren Implikationen für die zukünftigen Leitzinsen. Unterdes wirken die ständigen Hinweise der Notenbanken auf den vorübergehenden Charakter...
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Die Inflationsangst hält an. Die hohen Steigerungen bei Erzeuger- und Einfuhrpreise belegen, dass der Überwälzungsdruck von dieser Seite immens ist. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat zwar ihre Inflationsprognose zuletzt erhöht, bleibt aber dabei, dass der mittelfristige Ausblick nicht alarmierend, sondern lediglich mit mehr Unsicherheit behaftet sei. Die Anfang September vorgenommene leichte Aufwärtsrevision der Inflationsprojektionen für 2021 auf 2,2 Prozent und 2022 auf 1,7 Prozent hat denn auch gemäß der neuen geldpolitischen Strategie keine unmittelbaren Implikationen für die zukünftigen Leitzinsen. Unterdes wirken die ständigen Hinweise der Notenbanken auf den vorübergehenden Charakter der Preisbewegungen nicht mehr so ganz glaubwürdig, wie der langsame Anstieg der Inflationserwartungen an den Märkten deutlich macht.
Auch innerhalb der EZB dürfte die Unsicherheit über die Inflationsprognose gestiegen sein. Trotzdem: Wie ernst es steht, wird man erst ab Januar bewerten können, wenn der Basiseffekt der Mehrwertsteuernormalisierung die europäische Inflationsrate wieder unter die Zwei-Prozent-Marke drücken sollte. Neben dem Basiseffekt vermuten die Notenbanken, dass einige Preise aufgrund der extremen coronabedingten Verknappungen viel zu stark angestiegen sind: von den Preisen für Holz über Gebrauchtwagen bis hin zu Wohnimmobilien. Ein Rückgang dieser Preise würde die Inflationsraten in 2022 noch zusätzlich abbremsen. Wenn sich diese Überlegungen als Fehleinschätzung erweisen, hat die EZB ein Problem.
Schon jetzt aber vermittelt die EZB selbst den Eindruck, dass von der Corona-Pandemie kein dämpfender Einfluss mehr auf die Inflationsentwicklung ausgeht. Eine zentrale Aufgabe des PEPP-Ankaufprogramms wäre damit erfüllt. Folgerichtig hat die EZB eine erste Drosselung dieser Wertpapierkäufe in ihrer September-Sitzung begonnen. Damit spaltet die EZB die zweite Raketenstufe des PEPP-Programms ab, nämlich die seit März geltenden „signifikant höheren“ Ankäufe, die den Renditeanstieg der ersten Jahreshälfte bremsen sollten. Das ist ein kleiner Schritt in Richtung Ausgang – oder auch nicht. Ob dies der Anfang einer längerfristigen Normalisierung der geldpolitischen Bedingungen ist, lässt die EZB vollkommen offen.
Entscheidungen zum PEPP-Programm selber wird damit nicht vorgegriffen. Wir gehen allerdings davon aus, dass diese Käufe im Frühjahr kommenden Jahres eingestellt werden. Allerdings wird sich die EZB auch weiterhin nicht auf ein konkretes monatliches Volumen festlegen, sondern die Käufe an „ausreichend günstigen Finanzierungsbedingungen“ ausrichten. Interessant ist, dass die EZB Spekulationen gedämpft hat, dass die mittelfristig wegfallenden Käufe des PEPP zumindest teilweise und vorübergehend durch höhere Volumina in einem anderen Programm ausgeglichen werden könnten. Offenbar ist man zurückhaltender geworden, die weniger strengen Regeln des PEPP auf das unbefristete APP auszuweiten. Die besondere Flexibilität des PEPP ist nur in Ausnahmesituationen wie der Pandemie gerechtfertigt.
Alles in allem folgt die EZB eher der Regel: Im Zweifel länger Gas geben, um möglichst weit vom Epizentrum der Krise wegzukommen. Wir erwarten beides: Eine anhaltende Inflationsdiskussion und eine erste Zinserhöhung im Euroraum erst 2026. Damit hätte die Pandemie die Normalisierung der Geldpolitik um ziemlich genau zwei Jahre nach hinten verschoben. Am Rentenmarkt wird der überfällige Renditeanstieg wohl durch weitere Corona-Wellen nicht mehr aufgehalten werden. Dieser Anstieg sollte sich jedoch, wie auch bei den Leitzinsen, in relativ engen Grenzen halten.
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