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Anhebung auf 2 Prozent EZB wagt weiteren Riesen-Zinsschritt – das sagen Finanzexperten

EZB-Präsidentin Christine Lagarde
EZB-Präsidentin Christine Lagarde: Die Leitzinsen im Euroraum sollen um weitere 75 Basispunkte steigen, hat der EZB-Rat am Donnerstag entschieden. | Foto: imago images/Hannelore Förster

Zum zweiten Mal in kurzer Folge soll es um 75 Basispunkte nach oben gehen: Der EZB-Rat hat auf seiner Sitzung am Donnerstag beschlossen, die drei maßgeblichen Zinssätze der Staatengemeinschaft ein weiteres Mal kräftig anzuheben:

  • Der Zinssatz für die Hauptrefinanzierungsgeschäfte in der Europäischen Union („der Leitzins“) steigt von 1,25 auf 2,0 Prozent.
  • Der Einlagenzins für Banken bei der EZB erhöht sich von 0,75 auf 1,50 Prozent.
  • Der Zinssatz für die Spitzenrefinanzierung – der Satz, zu dem sich Banken über Nacht Geld bei der EZB leihen können – steigt von 1,5 auf 2,25 Prozent.

Zuletzt hatte der EZB-Rat die Zinsen im September angehoben, ebenfalls um 0,75 Prozentpunkte. Bis Mitte dieses Jahres hatte der Leitzins im Euroraum über Jahre bei 0 Prozent gelegen. Im Juli erhöhten die Euro-Hüter ihn dann erstmals seit März 2016 auf zunächst 0,5 Prozent.

Mit der straffenden Zinspolitik reagiert die EZB auf die stark gestiegenen Verbraucherpreise im Zuge der aktuellen Energiekrise. Über alle EU-Länder gesehen waren diese im September auf einen neuen Rekordwert von knapp 10 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat angestiegen.

Die aktuelle Erhöhung werde nicht die letzte in Folge bleiben, kündigten die Ratsvertreter an. Ein Zins-Zielwert oder auch nur ein ungefährer zeitlicher Rahmen für den Erhöhungszyklus ließ sich der EZB-Präsidentin allerdings nicht entlocken - trotz wiederholter Nachfragen von Medienvertretern während der anschließenden Pressekonferenz. „Der EZB-Rat wird den künftigen Leitzinspfad an der Entwicklung der Inflations- und Wirtschaftsaussichten ausrichten“, heißt es von der EZB. Entscheiden wolle man über den weiteren Zinsverlauf von Sitzung zu Sitzung.

„Die Inflation ist nach wie vor deutlich zu hoch und wird für längere Zeit über dem Zielwert bleiben“, stellen die Ratsvertreter insgesamt fest. Langfristig streben die Notenbanker eine Inflation von 2 Prozent als Zielwert für stabile Preise im Euroraum an. 

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Zinserhöhungen können allerdings nicht nur die Inflation einfangen, sondern als unerwünschte Nebenwirkung auch die allgemeine Wirtschaftsleistung drücken. Im Spannungsfeld zwischen stabilen Preisen und einer lebhaften Konjunktur agieren die EZB-Vertreter. 

Michael Heise, Chefökonom des Multi Family Office HQ Trust, schreibt anlässlich des EZB-Entscheids:

„Bei fast 10 Prozent Verbraucherpreisanstieg muss die EZB Entschlossenheit bei der Inflationsbekämpfung zeigen. Dies wird zwar kurzfristig wenig an den hohen Energiepreisen ändern. Aber die EZB kann und muss einen weiteren Anstieg der Inflationserwartungen verhindern, die deutlich über die erwünschten 2 Prozent hinaus angestiegen sind.“

Die EZB-Vertreter sollten sich nicht allein an den Erwartungen der Finanzmarktteilnehmer orientieren – denn diese seien in der Vergangenheit häufig zu optimistisch gewesen, so Heise. Vielmehr solle es auf die Verbraucher ankommen: „Für die Notenbank sind derzeit vor allem die Inflationserwartungen der privaten Haushalte wichtig, die weiterhin Sorgen über die Inflationsentwicklung der nächsten Jahre erkennen lassen.“

Die Wirtschaft sieht Heise durch die aktuelle EZB-Entscheidung nicht in Gefahr: „Ein stark dämpfender Konjunktureffekt ist von dem weitgehend erwarteten Zinsschritt nicht zu erwarten. Mit einem Einlagensatz von 1,5 Prozent und einem zentralen Leitzins von 2 Prozent ist die Geldpolitik konjunkturell eher neutral als restriktiv. Bei einem neutralen Zinssatz ist weder Aufwärts- noch Abwärtsdruck auf die Konjunktur gegeben“, so der HQ-Trust-Chefvolkswirt.