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EZB: Wie tief sinken die Zinsen?

Quelle: Fotolia
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„Mit recht hoher Wahrscheinlichkeit“ werde die EZB ihren Leitzins in den kommenden Monaten auf 1 Prozent senken, prognostiziert beispielsweise Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank. Damit betriebe die Notenbank de facto eine Null-Zins-Politik, da der Tagesgeldsatz deutlich unter dem Leitzins liegt. Seine Prognose stützt Krämer auf die Taylor-Regel, die den Leitzins in Abhängigkeit von der Inflationsrate und dem Auslastungsgrad der Volkswirtschaft berechnet. Diese lege sogar einen negativen Leitzins nahe, so der Volkswirt. Schließlich habe die EZB gestern sowohl ihre Wachstums- als auch ihre Inflationsprognose deutlich nach unten korrigiert. (DAS INVESTMENT.com berichtete). Natürlich kann die EZB keinen negativen Leitzins setzen. Den Ein-Prozent-Zins habe man bei der Commerzbank dagegen schon seit langem kommen sehen, so der Finanzexperte. Mit seiner Meinung ist der Volkswirt nicht allein. Wie eine Umfrage der Nachrichtenagentur Reuters ergab, rechnen 58 der 66 befragten Ökonomen mit einer Leitzinssenkung im zweiten Quartal 2009. Dabei gehen die meisten von einem zukünftigen Referenzzinssatz von einem Prozent aus. In seiner Erklärung hielt der EZB-Chef Jean-Claude Trichet die Tür für weitere Senkungen offen, unterstrich aber noch einmal die starke Abneigung der Notenbank gegen eine Null-Zins-Politik. Außerdem betonte er, dass die Bank bereits unorthodoxe Maßnahmen ergriffen habe. Schließlich stelle sie den Banken unbegrenzt Liquidität bereit. Außerdem habe sie die Anforderungen an die Wertpapiere gesenkt, die die Banken der EZB als Sicherheit überlassen müssen. Kauf von Unternehmensanleihen eher unwahrscheinlich Aus Bankenkreisen werden indessen Forderungen nach weiteren unkonventionellen Schritten laut. So ist beispielsweise Marco Annunziata von Uni Credit der Meinung, dass „ergänzende geldpolitische Maßnahmen notwendig sind, die weit über eine erneute Leitzinssenkung hinausgehen“. Damit sind, unter anderem, direkte Beteiligungen der Notenbank an Staats- und Unternehmensanleihen gemeint. Ob solche Schritte rechtlich zulässig und ökonomisch sinnvoll sind, hat Michael Schubert von der Commerzbank analysiert. „Der Köcher der EZB ist gut gefüllt. Die Bank wird ihre Pfeile aber sorgfältig auswählen und vermutlich nicht alle verschießen“, behauptet der Experte. Während der Notenbank sowohl eine Kreditvergabe an einen Staat als auch der Kauf von Staatsanleihen auf dem Primärmarkt rechtlich untersagt sind, stehen dem Kauf von Unternehmensanleihen lediglich die „Allgemeinen Regelungen“ im Weg. „Sollte es der weitere Verlauf der Finanzmarktkrise notwendig erscheinen lassen, dürfte die EZB diese selbstauferlegte Beschränkung wohl aufheben“, erklärt Schubert. „Die Diskussion über die Möglichkeit eines Kaufs von Unternehmensanleihen befindet sich in einem sehr frühen Stadium“, zitiert Schubert das EZB-Ratsmitglied George Provopoulos. Grundsätzliche Bedenken scheint die Notenbank also nicht zu haben. Ob solche Maßnahmen jedoch tatsächlich zur Anwendung kommen werden, bezeichnen sowohl Schubert als auch sein Kollege Krämer als fraglich. Denn mit expansiven geldpolitischen Maßnahmen könnte auch die Basis für die nächste Finanzblase gelegt werden. Nur im äußersten Notfall würde die EZB zu unkonventionellen Maßnahmen greifen, davon sind die beiden Commerzbank-Experten überzeugt. Die von Reuters befragten Ökonomen sehen dagegen „eine Chance von 50 Prozent, dass die EZB zur Bekämpfung der Rezession unkonventionelle geldpolitische Maßnahmen ergreifen wird“.

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