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Anlageexperten zum EZB-Entscheid „EZB will hohe Inflation aussitzen“

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„Lohn-Preis-Spirale befürchtet“

Investmentchef Achim Stranz von Axa IM sagt nach der jüngsten EZB-Sitzung mit Blick auf die anziehende Inflationsrate: „Die EZB betrachtet dies immer noch als 'transitory' – also als vorübergehende Folge der Nachholeffekte nach der Corona-Pandemie und Folge der ebenfalls als kurzfristig eingeschätzten derzeitigen Lieferkettenunterbrechungen. Allerdings werden die Warnsignale immer deutlicher. Die mittelfristigen Inflationserwartungen steigen. Dies könnte Konsumenten, Produzenten, aber – noch entscheidender – Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu verändertem Verhalten veranlassen und eine Lohn-Preis-Spirale auslösen, die wiederum in nachhaltigere Inflation münden könnte.“

Nicolas Forest

„Widerspruch muss aufgelöst werden“

Nicolas Forest, globaler Anleihen-Leiter bei Candriam, kommentiert: „Die Inflationsprognosen werden auf der Dezembersitzung sicherlich nach oben korrigiert werden. Vor diesem Hintergrund dürften die Märkte die Zentralbank in den kommenden Wochen auf die Nachhaltigkeit des Inflationsdrucks testen. Als Reaktion darauf sind die Kurzfristzinsen im Anschluss an die Sitzung deutlich gestiegen, was die Widersprüchlichkeit noch verstärkt hat; eine Widersprüchlichkeit, die früher oder später aufgelöst werden muss. Diese Pressekonferenz hat dies nicht zugelassen.“    

„Marktpreise haben sich verändert“

Obwohl Notenbankpräsidentin Christine Lagarde einer baldigen Zinserhöhung heute deutlich entgegentrat, trauten die Märkte dem offenbar nicht, meint Pimco-Portfoliomanager Konstantin Veit: „Der Markt erwartet die erste Zinserhöhung der EZB bereits im Juli 2022, was anhand der aggressiven Preisanpassung am vorderen Ende der Zinskurve zu erkennen ist. Dies würde ein Ende aller Nettokäufe von Vermögenswerten spätestens im zweiten Quartal nächsten Jahres bedeuten.“

Und weiter: „Obwohl Präsidentin Lagarde betonte, dass diese Markterwartungen nicht mit den neuen Richtlinien für die Leitzinsen und den Inflationsprognosen der EZB übereinstimmen, haben sich die diesen Erwartungen entsprechenden Marktpreise im Nachgang der heutigen Sitzung nicht wesentlich verändert.“

Daniel Hartmann

„Erste Zinserhöhung 2023“

Daniel Hartmann, Chefvolkswirt der Bantleon Bank, glaubt, dass die EZB ihre Inflationserwartungen im Dezember heraufsetzen werde – was sich auch auf die Anleihekäufe auswirken dürfte: „Vor dieser Kulisse gehen wir davon aus, dass die Währungshüter das Ende des PEPP im Dezember definitiv beschliessen werden. An dessen Stelle dürfte ein deutlich kleineres Nachfolgeprogramm treten.“

Und weiter: „Insgesamt erwarten wir eine sukzessive Rückführung der Netto-Wertpapierkäufe. Ende 2022 sollten sie ganz eingestellt werden. Wir sind außerdem überzeugt davon, dass Teile des aktuellen Teuerungsschubs nicht nur temporärer Natur sind, sondern sich als nachhaltig erweisen werden. Die Inflationsrate (auch diejenige ohne Energie- und Nahrungsmittelpreise) dürfte demzufolge Ende 2022 bei gut 2,0 Prozent liegen. Damit ist die Basis für geldpolitische Straffungen gelegt. Wir rechnen mit der ersten Leitzinserhöhung im ersten Halbjahr 2023.“

„EZB ist größte Zinsbremse“

Otmar Lang, Chefvolkswirt der Targobank, meint: „Unter den großen Notenbanken ist die EZB der größte Zinsbremser. Das BIP-Wachstum im Euroraum wird im letzten Quartal des Jahres 2021 möglicherweise sogar negativ ausfallen. Unter diesen Umständen fiel es der obersten Währungshüterin Christine Lagarde heute leicht, den Kurs des braven Abwartens beizubehalten, ohne auch nur einen neuen Akzent zu setzen oder anzudeuten.“

Lang erinnert an den kürzlich verkündeten Abgang von Bundesbank-Präsident Jens Weidmann, der den EZB-Kurs wiederholt kritisiert hatte: „Man könnte daraus schließen, dass es für die EZB dann noch einfacher wird, ihren lockeren monetären Kurs sogar bis ins nächste Jahr hinein fortzusetzen. Aber nicht einmal diese Option wurde angedeutet. So sorgte die EZB heute also einfach nur für Langeweile.“

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