Volkswirt Klaus Bauknecht
Fachkräftemangel: Was die Deutschen dagegen tun können

Klaus Bauknecht arbeitet als Volkswirt bei der IKB Deutsche Industriebank. Foto: IKB Deutsche Industriebank AG / Canva
Die Diskussion über den Fachkräftemangel nimmt in Deutschland Fahrt auf, denn in den nächsten 15 Jahren gehen hierzulande die zahlenmäßig starken Jahrgänge 1957 bis 1969 in den Ruhestand. Hier sagt Klaus Bauknecht von der IKB Deutsche Industriebank, welche Trends den Arbeitsmarkt bestimmen.
Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes werden 12,9 Millionen Erwerbspersonen bis 2036 das Renteneintrittsalter überschritten haben. Das entspricht knapp 30 Prozent der dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehenden Personen. Nachrückende jüngere Altersgruppen werden die Älteren zahlenmäßig nicht ersetzen können, sodass je nach Prognose 4 bis 7 Millionen Erwerbspersonen fehlen.
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Bislang ist die Anzahl der Erwerbstätigen ungebrochen angestiegen und hat aktuell ein Niveau von 45,8 Millionen erreicht. Dazu hat die wachsende Teilnahme von Frauen am Arbeitsleben entscheidend beigetragen. So ist die Frauenerwerbstätigenquote laut Eurostat von 68 Prozent...
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Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes werden 12,9 Millionen Erwerbspersonen bis 2036 das Renteneintrittsalter überschritten haben. Das entspricht knapp 30 Prozent der dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehenden Personen. Nachrückende jüngere Altersgruppen werden die Älteren zahlenmäßig nicht ersetzen können, sodass je nach Prognose 4 bis 7 Millionen Erwerbspersonen fehlen.

Bislang ist die Anzahl der Erwerbstätigen ungebrochen angestiegen und hat aktuell ein Niveau von 45,8 Millionen erreicht. Dazu hat die wachsende Teilnahme von Frauen am Arbeitsleben entscheidend beigetragen. So ist die Frauenerwerbstätigenquote laut Eurostat von 68 Prozent im Jahr 2005 auf fast 77 Prozent im Jahr 2022 gestiegen.
Deutschland hat insgesamt eine deutlich höhere Erwerbstätigenquote als viele andere Industriestaaten. Was die durchschnittlichen Jahresarbeitsstunden angeht, liegt Deutschland laut OECD jedoch auf dem letzten Platz. Viele Menschen stehen in Arbeit, aber zu wenig in Vollzeit, unter anderem, weil Frauen häufiger in Teilzeit arbeiten. Ziel muss es also sein, Rahmenbedingungen zu schaffen, die nicht nur dem Rückgang der Erwerbstätigenzahl entgegenwirken, sondern die vor allem die Arbeitsstunden und die Produktivität der Erwerbstätigen erhöhen.
Unternehmen reagieren auf Fachkräftemangel
Auch der Staat sieht in Anbetracht der aktuellen Entwicklungen mittlerweile Handlungsbedarf. Viele Unternehmen haben jedoch schon längst auf den Fachkräftemangel reagiert. Denn die Folgen – eskalierende Lohnkosten und begrenztes Wachstumspotenzial – sind für sie bekannte Herausforderungen. Dies gilt vor allem für das verarbeitende Gewerbe, das schon länger seine Wertschöpfung ins Ausland verlagert, um komparative Kostenvorteile zu nutzen. So sorgt die Industrie für eine höhere Spezialisierung und damit auch Produktivität der Arbeitskräfte am Standort Deutschland.

Die zunehmende Globalisierung der deutschen Wertschöpfungsketten und Unternehmen hat also nicht nur mit Kosteneinsparungen zu tun, sondern auch mit der Notwendigkeit, mehr globale Produktionsfaktoren zu nutzen, um Lieferketten robuster zu machen und Wachstum zu sichern. Mit einem deutschen Potenzialwachstum, das nur etwa ein Drittel des globalen Durchschnitts ausmacht und in der Tendenz weiter sinken sollte, ist diese Verlagerung notwendig, um globale Marktanteile zu behaupten.
Für ein global agierendes Unternehmen ist demnach die Verlagerung von Investitionen und Wertschöpfung ins Ausland eine wichtige Option, dem begrenzten deutschen Wachstum und damit einem möglichen Wettbewerbsverlust entgegenzuwirken. In diesem Fall nutzen deutsche Unternehmen globale Produktionsfaktoren und erwirtschaften eine Kapitalrendite mit Hilfe fremder Arbeitskräfte. Fließt diese Rendite zurück, profitiert auch Deutschland davon. Im Jahr 2021 sind immerhin rund 50 Prozent der Gewinne aus deutschen Direktinvestitionen in China nach Deutschland zurückgeflossen.
Auch erlaubt die Verlagerung eine zunehmende lokale Spezialisierung und damit höhere Wertschöpfung pro Arbeitnehmer in Deutschland. Diese Entwicklung ist schon seit Jahren zu erkennen. So ist das Beschäftigungswachstum des verarbeitenden Gewerbes im Ausland deutlich stärker als im Inland. Die Produktionssteigerung deutscher Hersteller ist somit vor allem auf die Kapazitätsausweitung und damit Nutzung ausländischer Fachkräfte zurückzuführen. Schon seit Jahren werden zum Beispiel deutlich mehr PKW deutscher Hersteller im Ausland als in Deutschland produziert.
Die Abwanderung von Wertschöpfung wird grundsätzlich eher kritisch gesehen. Schließlich werden Arbeitsplätze und Wertschöpfung ins Ausland verlagert, was mit Arbeitslosigkeit im kapitalexportierenden Land einher gehen kann. Doch angesichts des Fachkräftemangels in Deutschland sollte dieses Thema von geringer Relevanz sein.
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