Zukunft der Altersvorsorge „Fakten statt ideologiegetriebene Diskussionen“

Deutschland braucht nicht nur für den Klimaschutz ein langfristiges, generationengerechtes und sozial ausgewogenes Konzept, sondern auch eine nachhaltige Reform des Altersvorsorgesystems, die auf diesen Pfeilern ruht. Übertriebener Alarmismus hilft niemandem, aber die notwendigen Veränderungen unseres Alterssicherungssystems dürfen auch nicht von einer Regierungskommission in die nächste delegiert werden.
Gesetzliche Rente zukunftsfest machen
Nach unserer Überzeugung muss eine unabhängige und ideologiefreie Debatte darüber geführt werden, wie das bislang dreisäulige Rentenkonzept in Anbetracht des demografischen Wandels und der voraussichtlich noch auf Jahre anhaltenden Tiefzinssituation weiterentwickelt werden kann.
Dabei muss über die Nachjustierung aller Stellschrauben der gesetzlichen Rentenversicherung gesprochen werden, ohne einerseits den sozialen Frieden hierzulande zu gefährden und andererseits die Sozialabgaben deutlich über 40 Prozent und die Steuerzuschüsse extrem steigen zu lassen.

Um die gesetzliche Rente zukunftsfest zu machen, werden alle Beteiligten Zugeständnisse machen müssen. Dazu gehört auch eine sachliche Diskussion darüber, welche Auswirkungen die weiter steigende Lebenserwartung auf das Renteneintrittsalter hat.
Handlungsbedarf bei Altersvorsorge
Daneben sehen wir auch politischen Handlungsbedarf in der kapitalgedeckten Altersvorsorge. Nach der gescheiterten Riester-Reform haben bereits viele Anbieter angekündigt, sich aus diesem Marktsegment und der Beitragszusage mit Mindestleistung in der betrieblichen Altersversorgung ganz oder teilweise zurückzuziehen.
Dieser Leerraum muss gefüllt werden, um die erwartbaren Rentenlücken der nächsten Generationen zu schließen. Und die Pläne einer Deutschland-, Generationen- oder Aktienrente sind in ihrer bisherigen Form aus aktuarieller Sicht noch nicht die Lösung. Denn all diese Konzepte nehmen ausschließlich die Ansparphase in den Blick, lassen die hoch komplexe und vor allem jahrzehntewährende Auszahlungsphase aber außer Acht.

Hallo, Herr Kaiser!
Konzepte müssen nachgebessert werden
Ein 2020 geborenes Mädchen hat laut der aktuellen Kohortensterbetafel des Statistischen Bundesamts eine Lebenserwartung von gut 93 Jahren, ein Junge von gut 90 Jahren. Damit ergibt sich eine Rentenbezugsdauer von 25 und mehr Jahren, in denen die künftigen Rentnerinnen und Rentner würdevoll leben möchten.
Dies ist nur über eine Rente möglich, die ab Beginn der Ansparphase bis zum Lebensende eine Mindestzahlung sicherstellt, egal wie lange die Lebenszeit im konkreten Einzelfall ist. Dieses wichtige Element ist bisher in den politischen Konzepten nicht vorgesehen. Im Interesse der Menschen muss hier nachgebessert werden.
Investitionen in Aktien oder Immobilien
Zugleich sind aber auch die Bürgerinnen und Bürger gefordert, sich noch stärker auf die veränderten Kapitalmarktwirklichkeiten einzulassen. Die alte Sparwelt wird es vielleicht nie wieder geben. Nur durch Investitionen in Substanzwerte wie Aktien oder Immobilien können künftig Renditen oberhalb der Inflation erzielt werden.
Diese Aussage bleibt auch vor dem Hintergrund der heftigen Kapitalmarktschwankungen des vergangenen Jahres richtig. Insofern ist es positiv, dass die Aktienbesitzquote hierzulande zuletzt gestiegen ist.
Wir müssen konsequent daran arbeiten, dass die Vorbehalte gegen Aktien weiter abgebaut werden, und gleichzeitig verhindern, dass der Einzelne die damit verbundenen Verlust- beziehungsweise Schwankungsrisiken alleine tragen muss. Das lässt sich am besten durch eine langfristig ausgerichtete, kollektive Kapitalanlage erreichen, wie sie Lebensversicherer und Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung organisieren.
Über den Autor:

Maximilian Happacher ist Vorstandsmitglied der Ergo International und seit diesem Frühjahr auch der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV). Der Verein ist die berufsständische Vertretung der Versicherungs- und Finanzmathematiker hierzulande mit derzeit über 5.900 Mitgliedern. Ferner stehen derzeit rund 1.600 meist jüngere Finanz- und Versicherungsmathematiker nach entsprechendem Hochschulstudium und mindestens dreijähriger Berufspraxis im geregelten Ausbildungsgang zum Aktuar DAV.