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Faktencheck Spanien: Wie ernst ist die Lage wirklich?

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Die Bauaktivität liegt zwar mittlerweile unterhalb des jährlichen Neubedarfs, das Problem sind jedoch die Altlasten. Einer Schätzung der Notenbank zufolge (offizielle Zahlen gibt es nicht) bestand Anfang 2011 ein Überangebot von Wohnungen und Häusern in der Größenordnung von 700.000 bis 1.100.000.  Bis dieser Überhang abgebaut ist, vergehen selbst bei niedriger Bauleistung noch mindestens vier bis fünf Jahre.

Allerdings setzt eine Trendwende bei Wohnimmobilien nicht unbedingt eine komplette Bereinigung der Altlasten voraus. Vielmehr würde ein neuer Nachfrageschub recht schnell Knappheiten in den vergleichsweise begehrten Regionen hervorbringen. Eine solche Belebung ist indes nicht in Sicht.

Ganz im Gegenteil! Die Spanier haben derzeit andere Sorgen: Die Arbeitslosigkeit ist auf einem Rekordniveau (24,1 Prozent im März 2012) und die Privathaushalte sind hoch verschuldet (durchschnittlich mit 125 Prozent des verfügbaren Einkommens, Eurozone: 95 Prozent). Überdies führt die prekäre wirtschaftliche Lage zu einer Umkehr des Wanderungssaldos (Auswanderung statt Einwanderung).

Was die rückläufige Preisentwicklung anbelangt, dürfte das Ende der Fahnenstange gleichfalls nicht erreicht sein. Bislang haben die Preise für Wohnimmobilien seit dem Hochpunkt um durchschnittlich 20 Prozent korrigiert – deutlich weniger als in Irland (-40 Prozent) oder den USA (35 Prozent, vgl. Abb. 1). Auch Indikatoren, die Ungleichgewichte am Immobilienmarkt entlarven sollen, signalisieren zusätzlichen Anpassungsbedarf.

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Ein prominentes Beispiel ist die "Preis-Miet-Rate". Hier geht man davon aus, dass sich Miet- und Immobilienpreise langfristig gleichgerichtet entwickeln, mithin bei zu großen Abweichungen Arbitrage stattfindet und die Relation somit langfristig gegen 1,0 konvergiert. Der entsprechende Indikator für Spanien hat zwar seit 2008 deutlich nach unten korrigiert, lag zuletzt aber immer noch erkennbar über dem Gleichgewichtswert und deutet somit auf zusätzliche Preisanpassungen von 30 Prozent hin – ein mögliches Unterschiessen ist dabei noch gar nicht eingerechnet.

Insgesamt kann festgehalten werden: Bei der Bauaktivität hat Spanien das Abwärtspotential allmählich ausgereizt – aus dem einfachen Grund, weil kaum noch gebaut wird. Die negativen Wachstumsbeiträge vonseiten der Bauinvestitionen sollten damit kleiner werden. Gleichzeitig gibt es aber – anders als etwa in den USA – noch keinerlei Anzeichen einer Wiederbelebung. Die Nachfrage nach Wohnraum dürfte wegen anhaltend fallender Immobilienpreise und der schwachen Binnennachfrage auf absehbare Zeit niedrig bleiben.  

Sind die Banken ausreichend gewappnet?  

Mitverursacher und nunmehr Leidtragende des Auf und Ab am Immobilienmarkt ist der Bankensektor. Dabei erscheint die spanische Finanzindustrie auf den ersten Blick – anders als die irische – nicht überdimensioniert. Die aggregierte Bilanzsumme aller Kreditinstitute liegt bei 340 Prozent des spanischen BIPs, was in etwa dem Durchschnitt der Eurozone entspricht (Irland: 830 Prozent).  

Beim Kreditgeschäft mit Privatpersonen und Unternehmen belegen die Iberer allerdings zusammen mit den irischen Banken eine Spitzenposition (vgl. Abb. 4). Das Volumen hat sich hier in den vergangenen zehn Jahren mehr als verdreifacht (auf 1.750 Milliarden Euro) und liegt derzeit bei 160 Prozent des BIPs. Ursache dafür ist der Immobilienboom. Nahezu zwei Drittel des Kreditportfolios (1.050 Milliarden Euro) sind private Hypothekenkredite (650 Milliarden Eurp) oder Kredite an die Immobilienwirtschaft (400 Milliarden Euro).  

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Als Folge der Wirtschaftskrise und der geplatzten Immobilienblase ist es in den vergangenen drei Jahren zu einem sprunghaften Anstieg der „zweifelhaften Kredite“ gekommen. Deren Anteil am Kreditportfolio (im Folgenden als Ausfallrate bezeichnet) wuchs von 0,8 Prozent Ende 2007 auf mittlerweile 8,2 Prozent (vgl. Abb. 5) – ein 17-Jahres-Hoch.  

Wie in Irland konzentrieren sich die Problemfälle bei den Krediten an die „Immobilienentwickler“, die Bauprojekte planen und umsetzen. Hier schnellte die Ausfallrate in den vergangenen vier Jahren von 0,5 Prozent auf 21 Prozent nach oben. Mit 2,8 Prozent immer noch vergleichsweise moderat fällt hingegen die Quote der zweifelhaften Hypothekendarlehen aus.  Bei den sonstigen Unternehmenskrediten beträgt die Ausfallrate immerhin bereits 5,0 Prozent.

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Wie Abbildung 5 deutlich macht, ist das Wachstum der „faulen Kredite“ sehr stark mit der wirtschaftlichen Entwicklung und der Situation am Arbeitsmarkt verbunden. In den nächsten zwei Jahren ist in dieser Hinsicht aufgrund der extrem restriktiven Fiskalpolitik keine Entspannung in Sicht. Stattdessen wird die Arbeitslosenquote nach unserer Prognose von aktuell 24,1 Prozent in Richtung 28,0 Prozent (Ende 2013) anziehen. Im Einklang damit gehen wir davon aus, dass die Quote der zweifelhaften Kredite den letzten Hochpunkt (Februar 1994: 9,2 Prozent) überspringt und mindestens 12 Prozent erreicht. Kann das spanische Bankensystem diese Erschütterung abfedern, zumal der anhaltende Immobilienpreisverfall auch noch den Wert der Sicherheiten schmälert?    
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