Feri-Vorstand Heinz-Werner Rapp
Europas Anlagemarkt droht der Zerfall

Feri-Vorstand Heinz-Werner Rapp
Europa decken viele Investoren mit Marktindizes ab. Dieses Konzept wurde nach Einführung des Euro im Jahr 1999 besonders populär. Getrieben durch die Gemeinschaftswährung sollten die Länder im Euroraum fortschreitende ökonomische Konvergenz entfalten. So sollte sich ganz Europa zu einem einheitlichen Anlagemarkt entwickeln, dessen Substanz sich einfach in Form europäischer Index-Konstrukte abbi...
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
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Europa decken viele Investoren mit Marktindizes ab. Dieses Konzept wurde nach Einführung des Euro im Jahr 1999 besonders populär. Getrieben durch die Gemeinschaftswährung sollten die Länder im Euroraum fortschreitende ökonomische Konvergenz entfalten. So sollte sich ganz Europa zu einem einheitlichen Anlagemarkt entwickeln, dessen Substanz sich einfach in Form europäischer Index-Konstrukte abbilden lässt. Durch zahlreiche Entwicklungen der vergangenen Jahre wird diese schlichte Annahme jedoch zunehmend ad absurdum geführt.
Hinter der Euro-Einführung 1999 stand die Überzeugung, dass eine einheitliche Währung Konvergenzdruck ausübe und somit zwangsläufig ähnliche wirtschaftliche Verhältnisse in Europa erzeuge. Daraus hervorgehen würde letztlich auch ein zunehmend homogener europäischer Aktien- und Anleihemarkt. Eine Auswahl einzelner Länder oder nationaler Branchen im Rahmen der Aktienallokation wäre gemäß dieser These nicht mehr sinnvoll und könnte besser durch breite europäische Anlagekonzepte abgebildet werden.
Diese optimistische Sichtweise hatte weitreichende Konsequenzen. Eine ganze Generation von Investoren wurde darauf konditioniert, Europa als einheitlichen Anlagemarkt zu sehen und dort relativ undifferenziert zu investieren. Seitdem fließen Milliarden in die europäischen Anlagemärkte: über Fonds, ETFs und Zertifikate auf Basis europäischer, paneuropäischer oder Euroraum-basierter Indizes. Doch wie sinnvoll ist dieser undifferenzierte Ansatz eigentlich heute noch?
Entgegen der ursprünglichen Konvergenzthese zeigen wichtige finanzielle und ökonomische Indikatoren sehr klar, dass die Euro-Zone in vielen Bereichen noch nie so divergent war wie im Moment.
Während die Ungleichheit der Wachstumsverläufe seit Einführung des Euro ein klares Indiz für ein tief liegendes ökonomisches und strukturelles Ungleichgewicht ist, signalisiert der aktuelle Trend der sogenannten Target-Salden – mit seinen extremen Divergenzen zwischen „starken“ (Target-Plus) und „schwachen“ (Target-Minus) Euro-Ländern – Verspannungen innerhalb des Eurosystems. Target ist ein Verrechnungssystem (engl.: Trans-European Automated Real-time Gross Settlement Express Transfer System), mit dem grenzüberschreitende Zahlungen zwischen der Europäischen Zentralbank (EZB) und den Zentralbanken der Länder in der Eurozone abgewickelt werden. Offenbar ist es nur den massiven geldpolitischen Interventionen der EZB mit einem Volumen von bislang rund 2,6 Billionen Euro zu verdanken, dass der Zusammenhalt der Euro-Zone bislang gewahrt werden konnte.
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