Feri-Vorstand Heinz-Werner Rapp
Europas Anlagemarkt droht der Zerfall
Aktualisiert am 17.03.2020 - 15:39 Uhr
Heinz-Werner Rapp ist Vorstand von Feri sowie Gründer und Leiter des Feri Cognitive Finance Institute. Foto: Feri
Investoren betrachten Europa als einheitlichen Anlagemarkt. Der Kontinent fragmentiert sich jedoch seit Jahren. Aus Sicht von Feri-Vorstand Heinz-Werner Rapp sind undifferenzierte Investitionsstrategien deshalb nicht mehr zeitgemäß.
Grundsätzlich gilt: Strukturelle Verwerfungen, politische Gegensätze und ökonomische Divergenzen sind in der Regel keine tragfähige Basis für einen homogenen Wirtschaftsraum, folglich also auch kein gutes Rezept zur Umsetzung einer darauf basierenden einheitlichen Anlagestrategie. Das lässt sich durch quantitative Analysen europäischer Aktienindizes und deren Performance seit dem Jahr 2000 klar belegen. Die Analyse beschränkt sich dabei auf die größeren Länder der Europäische Wirtschafts- und Währungsunion (EWU) beziehungsweise auf Aktienmärkte mit hinreichend großer Marktkapitalisierung. Auf eine analoge Auswertung für die europäischen Anleihemärkte wurde hier bewusst verzichtet; diese sind...
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
Da diese Artikel nur für Profis gedacht sind, bitten wir Sie, sich einmalig anzumelden und einige berufliche Angaben zu machen. Geht ganz schnell und ist selbstverständlich kostenlos.
Grundsätzlich gilt: Strukturelle Verwerfungen, politische Gegensätze und ökonomische Divergenzen sind in der Regel keine tragfähige Basis für einen homogenen Wirtschaftsraum, folglich also auch kein gutes Rezept zur Umsetzung einer darauf basierenden einheitlichen Anlagestrategie. Das lässt sich durch quantitative Analysen europäischer Aktienindizes und deren Performance seit dem Jahr 2000 klar belegen. Die Analyse beschränkt sich dabei auf die größeren Länder der Europäische Wirtschafts- und Währungsunion (EWU) beziehungsweise auf Aktienmärkte mit hinreichend großer Marktkapitalisierung. Auf eine analoge Auswertung für die europäischen Anleihemärkte wurde hier bewusst verzichtet; diese sind durch die massiven Kaufprogramme der EZB stark verzerrt und würden ein unzutreffendes Bild „scheinbarer“ Konvergenz zeigen.
Die linke Grafik zeigt die Kursverläufe der Indexauswahl in den Jahren 2000 bis 2009, die rechte Grafik den Verlauf dieser Indizes im gleichen Zeitabschnitt jeweils als relative Entwicklung gegenüber dem EWU-Gesamtindex. Dabei zeigt sich anfänglich eine relativ homogene Performance der Einzelmärkte. Diese laufen weitgehend synchron und folglich auch sehr eng korreliert zum Gesamtindex. Ab dem Jahr 2003 zeigen jedoch Italien und Spanien deutliche Abweichungen: Bekanntlich hat die Einheitswährung beiden Ländern einen stark kreditgetriebenen Boom (in Spanien speziell im Sektor Immobilien) ermöglicht, der wiederum ab 2010 für die Verschärfung der Euro-Krise verantwortlich war. Aus diesem Grund entwickelten sich die Aktienmärkte genau dieser beiden Länder für kurze Zeit spürbar stärker als der Gesamtindex.
Analytisch ist die Entwicklung der Aktienmärkte in den Jahren 2010 bis 2019 von besonderem Interesse, da er zahlreiche kritische Phasen und Ereignisse abdeckt, etwa die Zeit der Euro-Krise (ab 2010), die Eskalation um Griechenland (ab 2014), den „China-Schock“ (2015), den „Brexit-Schock“ (ab Juni 2016), die zunehmende politische und ökonomische Verhärtung in Italien (ab 2017) sowie den heraufziehenden globalen Handelskrieg (ab 2018). Hier formiert sich ein deutlich divergentes Verlaufsmuster, das sich in je einem Cluster starker (Deutschland, Frankfreich und die Niederlande) beziehungsweise schwacher Performance (Spanien und Italien) niederschlägt. Am Ende dieses Anlagezeitraums hätte ein Investor in Deutschland nahezu 100 Prozentpunkte mehr Performance erzielt als in Italien oder Spanien.
Anhand der relativen Stärke gegenüber dem EWU-Index in der rechten Abbildung oben werden diese unterschiedlichen Verläufe noch klarer: Die relativen Länder-Indizes streuen hier sowohl im Verlauf als auch im Endergebnis deutlich, wobei wiederum die beiden stark divergenten Cluster Deutschland, Frankreich und die Niederlande einerseits sowie Spanien und Italien andererseits hervortreten. Wie die Grafik deutlich aufzeigt, resultiert am Ende des zweiten Anlagezeitraums eine deutliche Divergenz sowohl der absoluten wie auch der relativen Wertentwicklungen. Die Performance des EWU-Index bleibt in diesem Zeitabschnitt um rund 20 Prozentpunkte hinter dem Durchschnitt des „starken“ Länder-Clusters zurück.
Diese Ergebnisse bestätigen prinzipiell die These einer zunehmenden Fragmentierung und Differenzierung der europäischen Anlagemärkte. Darin spiegeln sich – nicht ganz überraschend – strukturelle Unterschiede und grundlegende ökonomische Tendenzen bestimmter Länder. Offensichtlich hat sich diese Fragmentierung in den vergangenen zehn Jahren verstärkt und könnte – als Folge grundlegender ökonomischer Divergenzen in der EWU – weiter fortschreiten.
Fazit:
- Die Auswertung längerer Anlagezyklen in den Jahren 2000 bis 2019 zeigtin Europa deutlich heterogene Renditeprofile und zunehmend divergente Länder-Cluster.
- Folglich liefern passive Anlagen in breite Europa-Aktienindizes nur suboptimale Ergebnisse.
- Auch wenn zeitraumabhängige Sonderfaktoren stets eine Rolle spielen, legt die Analyse nahe, dass sich dieser Trend künftig verstärken wird.
Wie hat Ihnen der Artikel gefallen?
Über den Autor