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Ferienparadies statt Wirtschaftswachstum Russland schwächt sich auf Dauer selbst

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Lange Sicht gefragt

Fernand Braudel hat in seinem dreibändigen Werk Das Mittelmeer und die mediterrane Welt in der Epoche Philipps II. aus dem Jahr 1949 untersucht, was lang- und was kurzfristig ist in der Geschichte. Braudel unterscheidet das Ereignis (événement, zum Beispiel einen Regierungswechsel), das nur Tage oder Wochen dauert, von der mittleren Dauer (moyenne durée, zum Beispiel das Goldene Zeitalter in den Niederlanden oder die Weltwirtschaftskrise), die Jahre oder Jahrzehnte dauern kann. Dies sind die Umstände, die den kurzfristigeren historischen Entwicklungen zugrunde liegen.

Für den Historiker ebenso wichtig ist aber die longue durée, die sich über Generationen oder gar Jahrhunderte hinziehen mag. Die Entwicklung des Rechtsstaats betrifft ebenso die longue durée wie die Insellage Englands oder die Entdeckung Amerikas.

Putin meint also in langen Zeiträumen zu denken, ist aber doch nur von Ereignissen getrieben. Dächte er langfristig, so würde er, wie Peter der Große, etwas für die Verwaltung, den Rechtsstaat und die Wirtschaft tun, würde die Entwicklung des Landes fördern, würde es aus seiner Dritte-Welt-Ökonomie herausholen.

Alles, was die Unterwanderung der Krim und der Ostukraine langfristig schafft, sind Feindschaften in Osteuropa. Geostrategisch wird Russland zu einem Satelliten Chinas, und was bekommt es dafür? Lugansk und die Sympathien der schweigenden Mehrheit der Deutschen, die einen starken Führer für eine feine Sache halten.

Politische Börsen haben kurze Beine, weshalb im Börsenblatt selten von Politik die Rede ist. Aber Politik und die Börse haben gemeinsam, dass am Ende die longue durée das einzige ist, was greifbar ist und zählt. An der Börse lässt sich sagen, ob die Bewertungen hoch oder niedrig sind und daraus lässt sich folgern, ob die langfristigen Renditen gering oder gut sein werden.

Auf Sicht von drei Monaten oder drei Jahren ist es unmöglich zu prognostizieren, ob eine Aktie steigt oder fällt. Man kann sich für jeden Zeithorizont schöne Hoffnungen machen, aber je kürzer die gedanklichen Fristen und je mehr das Handeln von Ereignissen und Konjunkturen getrieben ist, desto geringer sind die Erfolgsaussichten.

Für Einzelaktien lässt sich noch ein Schritt weiter gehen: Ist die Firma für den Tag, für das Ereignis, für den Konjunkturzyklus gemanagt, oder verfolgt sie eine langfristige Perspektive, hat sie sich einen Markt oder eine Marktstellung geschaffen, die eine langfristige Blüte erlaubt? Warren Buffett ist als Beispiel für einen langfristig denkenden Investor hinreichend zitiert worden („Our preferred holding period is forever“).
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