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Fida-Verordnung: An Branchenstandards wird schon gefeilt


Die Nachricht verbreitete sich am 10. Februar sehr schnell in hiesigen Finanzkreisen: Die EU-Verordnung Fida war urplötzlich von der Agenda der EU-Kommission verschwunden. War das Projekt ad acta gelegt worden? Zwei Tage später die Rolle rückwärts: Die EU-Kommission verfolge Fida weiter. Die Verordnung stand auf einmal wieder unter den „Pending Proposals“, also den noch offenen Vorhaben der Kommission für dieses Jahr.
Einer, den das Brüsseler Hin und Her besonders berührte, ist Slobodan Pantelic. Der Bereichsleiter des Versicherers HDI hat vor einigen Jahren den Verein Frida mitgegründet. Dort treibt er mit Mitstreitern das Thema Datenaustausch im Versicherungswesen voran. Vor allem fixiert sich der Verein auf die Fida-Verordnung und deren Umsetzung. Möglicher Stopp des Projekts? Ein Drama. Das in diesem Fall gut ausging.
Im Nachhinein war von Unstimmigkeiten zwischen Kommissionschefin Ursula von der Leyen und der Finanzkommissarin Maria Luis Albuquerque die Rede. Das Regulierungsprojekt Fida vertrug sich offenbar schlecht mit der aktuellen Forderung, Bürokratie abzubauen, und stand daher kurzzeitig im Feuer. Am Ende konnte Albuquerque ihre Chefin aber überzeugen – Fida war wieder da.
Das Hin und Her habe der umstrittenen Verordnung eine Extraportion Aufmerksamkeit beschert, sagt Pantelic. Er ist überzeugt: „Das Thema ist nicht mehr aufzuhalten.“
Darum geht es bei Fida
Die Fida-Verordnung (Financial-Data-Access-Verordnung) soll einen standardisierten Datenaustausch im Finanz- und Versicherungswesen der EU ermöglichen. Ähnlich der bereits etablierten PSD2-Richtlinie im Bankensektor, jedoch umfassender und tiefgreifender. Es sind nicht nur Zahlungskonten, sondern auch andere Arten von Konten erfasst.
Die Verordnung verpflichtet sogenannte Dateninhaber – Banken, Versicherungen, Fondsgesellschaften – Kundendaten in Echtzeit über standardisierte Schnittstellen (APIs) bereitzustellen. Wenn sich der Kunde das wünscht und dem zustimmt, sollen Dritte darauf zugreifen können – um etwa günstigere Produkte oder spezielle Dienstleistungen anzubieten. Jeder Dateninhaber muss ein Dashboard bereitstellen, über das der Kunde seine Zugriffsrechte verwalten kann.
Bei den Daten, die zugänglich gemacht werden müssen, handelt es sich zum Beispiel um Kreditverträge, Ersparnisse, Wertpapieranlagen, Versicherungsverträge oder Kryptowerte. Eine unpassende Police oder ein müder Fonds im Bestand des Kunden? Da können Wettbewerber schnell einen Gegenvorschlag unterbreiten. Natürlich nur, wenn der Kunde sein Einverständnis gegeben hat. Ausgenommen von Fida sind nach aktuellem Entwurf jedoch Daten im Zusammenhang mit Krankenversicherungen oder mit Lebensversicherungen, wenn diese sensible Biometriedaten enthalten.
Der Zugriff auf persönliche Finanz- und Versicherungsdaten in Echtzeit und einheitliche Schnittstellen sollen Prozesse effizienter machen. Verbrauchern gewähre Fida umfassende Transparenz – so werben die Fida-Befürworter für die Verordnung. Knut Besold, Partner bei der KPMG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, sieht in Fida „einen Prozessbeschleuniger, weil es datengetriebene Modelle unterstützt.“ Das Aufbereiten und Bereitstellen der Daten bedeute für viele Institute jedoch einen erheblichen technischen Entwicklungsaufwand.

Der Fida-Zeitplan
Aufwand hin oder her: Die Fida-Verordnung sei etwas Besonderes, findet Unternehmensberaterin Melanie Schlünder. Die Regulatorik-Expertin des Beratungsunternehmens PWC sagt: „Fida ist eine der wenigen Regulatorik-Initiativen, die für den Versicherungsnehmer etwas wirklich Positives bringen können.“
Aktuell liegt Fida in drei Entwürfen vor: dem der EU-Kommission, des EU-Parlaments und des Rats der EU. Anfang April startete der Trilog der drei Seiten, bei dem die drei EU-Institutionen ihre Positionen übereinanderlegen und einen finalen Vorschlag entwickeln. Im dritten oder vierten Jahresquartal könnte das Projekt verabschiedet werden, schätzen Beobachter.
Bisher ist von einer schrittweisen Umsetzung die Rede. Je nachdem, ob es sich um den Bereich Kfz-Versicherungen, Kredite, Altersvorsorgeprodukte oder andere Finanzverträge handelt, sollen unterschiedliche Fristen gelten, innerhalb derer die Datenaustausch-Plattformen, „Schemes“ genannt, einzurichten sind.
Rolle der Schemes
Die sogenannten Financial Data Sharing Schemes (FDSS, kurz „Schemes“) sind ein Herzstück von Fida. Man könnte sie auch als „Austauschplattformen zur Gestaltung des Datenverkehrs“ bezeichnen. Nach Brüsseler Vorstellung sollen sie von der Finanz- und Versicherungsindustrie gemeinsam entwickelt werden. Dabei sollen nur solche Standards anerkannt werden, an die sich auch ausreichend viele Teilnehmer halten.
„Ein Scheme für eine Produktgruppe muss voraussichtlich 25 Prozent der Marktabdeckung erreichen, bezogen auf die betreuten Versicherungsnehmer“, erläutert Schlünder. Ein Scheme soll also mindestens 25 Prozent der relevanten Kundschaft eines Produkts in einem geografischen Markt repräsentieren.
Julius Kretz, neben Pantelic ebenfalls Mitgründer des Vereins Frida, verdeutlicht die praktischen Herausforderungen: „Beim Einrichten der Schemes muss man überlegen: Macht man ein Scheme für Hausrat, eines für Kfz? Oder ein allgemeines für Versicherungen? Wie schneiden wir die Themen inhaltlich zu – und wie viel darf die Nutzung kosten?“
In Deutschland haben sich mehrere Initiativen gebildet, die sich schon jetzt mit der praktischen Umsetzung von Fida befassen: Der erwähnte Verein Frida, gegründet 2021, zählt mittlerweile mehr als 65 Unternehmen aus der Versicherungswirtschaft, Plattformen, Technologie-Anbieter und Beratungsfirmen. Frida fokussiert sich auf den Vertrieb und will mögliche Anwendungsfälle („Use Cases“) testen. Der Verein will den Open-Finance-Gedanken insgesamt vorantreiben. Auch mit dem Bundesfinanzministerium war man schon in Kontakt.
Ebenfalls mit Fida befasst sich der Verein Bipro, der schon seit Jahren für kompatible Schnittstellen im Versicherungswesen sorgt. Ein weiterer Hub ist der Fida-Roundtable des Frankfurter Tech-Quartiers sowie eine Arbeitsgruppe des Versichererverbands GDV – auch wenn der Verband öffentlich immer wieder am Nutzen der Verordnung zweifelt. Es ist ein offenes Geheimnis: Der GDV mag Fida nicht. Einige Versicherer be- fürchten hohe Kosten für das Einrichten der Schnittstellen und die Datenaufbereitung. Ebenso fürchten sie Wettbewerbsnachteile. Andere Versicherer sind Fida gegenüber durchaus aufgeschlossen.
Anwendungen im Test
Die Initiative Frida, die sich die Fida-Verordnung durch die Brille des Versicherungsvertriebs und der Endnutzer ansieht, bastelt zudem an konkreten Anwendungsfällen: etwa am Use Case „Car Claims“, der die Schadenregulierung auf Basis standardisierter Daten für alle Seiten vereinfachen will. Oder am Use Case „Cyber“, in dem Vermittler auf standardisierte Weise herausfiltern können, wie sicher ihre Kunden digital aufgestellt sind und ob es Cyber-Bedrohungen gibt. Dieser Service übersteigt sogar den Fida-Rahmen und geht in Richtung Open Data – ein Projekt, das Deutschland und die EU ebenfalls verfolgen.
Wenn Use Cases fertig aufgesetzt sind, darf ausprobiert werden. Dafür stellen die Frida-Mitstreiter eine sogenannte Sandbox zur Verfügung – zum Test unter Realbedingungen. Im März hat Frida zusammen mit den Vermittlerverbänden AfW und Votum zudem eine Open- Finance-Charta vorgestellt, für die man um Mitunterzeichner wirbt. Auch damit will der Verein Open Finance voranbringen.
Ob Kreditvergleiche, Vertragsänderungen bei Zinsbewegungen, Überprüfen von Hausratversicherungen oder Finden von Deckungslücken – Fida hat viele potenzielle Anwendungen.
Kritik an Fida
Doch nicht jeder freut sich auf Fida. Während die Verordnung in Vermittlerkreisen kaum bekannt ist, äußerte sich auf Linkedin kürzlich DZ-Bank-Chef Cornelius Riese besorgt: Fida könne zwar das Fintech-Universum stärken. Die Verordnung sei faktisch jedoch „ein Zementierungsprogramm für die Macht der Bigtechs – und würde die digitale Souveränität Europas weiter schwächen“.
Der Vorstand der Fondsgesellschaft Sauren, Andreas Beys, widerspricht dieser Einschätzung in einem Antwort-Post: „Fida ist nicht dazu da, ein Fintech-Ökosystem zu stärken, sondern bei genauerer Betrachtung die klassischen Finanzdienstleistungen zu evolutionieren.“ Gerade etablierte Finanzunternehmen und deren Kunden könnten am meisten davon profitieren.
Nicola Breyer, Ex-Chefin des Open-Banking-Dienstleisters Qwist, kontert auf diese und ähnliche Argumentationen: „Wenn es zentral für ihre Strategie ist, werden Bigtechs sowieso mit Finanzangeboten in den europäischen Markt kommen!“ Apple biete in Großbritannien schon erste Open-Banking-Angebote mit Wallet an. „Viele dieser Unternehmen sind aber durchaus vorsichtig im Umgang mit dem europäischen Regulator“, meint sie. Breyer schätzt: Ohne Fida würden viele bilaterale Verträge entstehen, wovon wiederum vor allem die Großen profitierten. „Kleinere Institute und Finanzvermittler könnten so benachteiligt werden.“
Fida schütze den europäischen Markt sogar vor den Technologieriesen: Anbieter aus Drittländern, die auf entsprechende Daten in der EU zugreifen wollten, dürften das laut dem letzten Fida-Entwurf nur mit einer besonderen Lizenz tun. Die benötigte FISP-Lizenz (Financial Information Service Provider) sollen wiederum nur Unternehmen erhalten, die auch in der EU ansässig sind. US-Firmen müssten sich in der EU also entweder mit einem lizenzierten TPP-Partner zusammentun (TPP = Third Party Provider) oder ein eigenes lizenziertes Unternehmen gründen – was laut Breyer ein sehr langwieriges Verfahren nach sich zöge.
Absehbar ist: Im anstehenden Trilog zu Fida wird der Zugang von Unternehmen aus Drittländern zum europäischen Open-Finance-Markt ein Hauptdiskussionspunkt sein.
Blaupause Open Banking
Die Finanzbranche kann bei Fida auf ihre Erfahrungen mit Open Banking aufbauen. Da Banken wegen der PSD2-Richtlinie zumindest das schon kennen, sind sie anderen Akteuren nun voraus. Nicht verwunderlich, dass gegenüber Fida nun auch die Banken im Gros aufgeschlossener als die Versicherer sind.
Die Rahmenbedingungen für Open Finance durch Fida seien heute viel besser als die Bedingungen ehemals für Open Banking durch PSD2, beobachtet Breyer. Zum Start von PSD2 im Jahr 2018 hätten Banken das Einrichten von Schnittstellen kaum als Chance, sondern als lästige Pflicht angesehen. Fehlende finanzielle Anreize sorgten dafür, dass Schnittstellen oft nur unzureichend ausgestaltet wurden. Auch die Datenqualität ließ vielfach zu wünschen übrig. Unter Fida soll das anders laufen. Innerhalb der Schemes soll geregelt werden, wie Dateninhaber für die Herausgabe von Daten entschädigt werden können. Nicht zuletzt sollen die Regeln den großen datenführenden Stellen einen Anreiz geben, zu modernen Datenunternehmen zu werden und ihrerseits von Open Finance zu profitieren. Heute ist mehr Marktteilnehmern klar: Open Finance ist für alle interessierte Seiten ein Geben und Nehmen.
Für Finanzberater und Vermittler lautet die Empfehlung aus dem Frida-Umfeld: nicht abwarten, sondern aktiv werden. Gerade Vermittler könnten von der Offenheit profitieren (Grafik unten). PWC-Beraterin Melanie Schlünder rät zu schauen: „Was müssen Makler ganz konkret tun, um sich möglichst schnell wie gefordert einem Scheme anzuschließen?“ Breyer empfiehlt allen Betroffenen unabhängig von ihrem Hintergrund: „Nicht warten, was die anderen tun, sondern Open Finance zur Chefsache machen!“

Wer die kommenden Details zur Fida-Verordnung gerne selbst mitbestimmen möchte, dürfte gut beraten sein, einmal bei einer der Umsetzungsinitiativen vorbeizuschauen. Dort ist Mitmachen erwünscht.