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Was die Fida-Verordnung für die Finanzbranche bedeutet

Die Europäische Kommission arbeitet seit geraumer Zeit daran, den Finanzsektor mithilfe einer umfassenden Regulierung namens Fida („Framework for Financial Data Access“) weiter zu öffnen und zu modernisieren. Doch wie ist der aktuelle Stand in Brüssel? Warum braucht es überhaupt eine solche Verordnung, welche Ziele verfolgt die EU-Kommission, und welche Chancen und Konflikte zeichnen sich ab? Und vor allem: Was bedeutet das konkret für Unternehmen und Verbraucherinnen und Verbraucher, wenn wir unter dem Stichwort „Open Finance“ die nächsten Schritte gehen?
Warum Fida? Hintergrund und Ziele der EU-Kommission
Die Fida-Verordnung wurde von der Europäischen Kommission vorgeschlagen, um den Zugang zu Finanzdaten stärker zu vereinheitlichen. Sie knüpft an die Verordnung PSD2 (Payment Services Directive 2) an, geht jedoch deutlich weiter: Ziel ist es, sowohl Privatkundinnen und Privatkunden als auch Unternehmen mehr Kontrolle über ihre eigenen Finanzdaten zu geben, den Wettbewerb im Finanzsektor zu stärken und Innovationen bei datenbasierten Dienstleistungen zu ermöglichen (zum Beispiel neue Versicherungs- oder Investmentprodukte). Gleichzeitig will die EU-Kommission den Binnenmarkt weiter harmonisieren.
In den vergangenen Monaten kam Fida allerdings etwas ins Wanken: Ein politisches Tauziehen im Rat der EU und zwischen verschiedenen Generaldirektionen der EU-Kommission führte zu einem Beinahe-Aus. Letztlich blieb der Vorschlag aber erhalten. Nun steuert das Verfahren in die entscheidenden Trilogverhandlungen mit Europäischem Parlament, Rat und Kommission. Gerade dort wird sich zeigen, wie umfassend oder eingeschränkt die Verordnung am Ende tatsächlich sein wird.
Die Kernziele von Fida lassen sich wie folgt zusammenfassen:
- Verbraucherinnen und Verbraucher stärken: Mehr Transparenz und Entscheidungshoheit über eigene Finanzdaten.
- Wettbewerb fördern: Offene Schnittstellen und Regeln, damit FinTechs und andere Anbieter auf Finanzdaten zugreifen können.
- Innovation unterstützen: Neue datenbasierte Geschäftsmodelle, etwa für Finanz- oder Versicherungsprodukte.
- Binnenmarkt vereinen: Einheitliche und klare Datenstandards für alle EU-Mitgliedstaaten.
Warum viele den „Open Finance“-Sprung noch nicht ganz greifen können
Obwohl die Weichen für Open Finance gestellt sind, scheint vielen noch unklar zu sein, wie massiv Fida beziehungsweise Open Finance die Finanzwelt verändern können. Denkbar sind nicht nur neue Services wie automatische Finanzportale oder zentralisierte Versicherungsübersichten, sondern auch völlig neue Beratungskonzepte, die Daten intelligent auswerten. Dabei wird oft übersehen, dass technologische Entwicklungen – beispielsweise leistungsfähige KI-Systeme, sichere Cloud-Infrastrukturen oder Virtual-Reality-Anwendungen – ein weiterer wesentlicher Treiber für Innovation sein können.
Wenn rechtliche Klarheit und neue Technologien Hand in Hand gehen, entsteht Potenzial für völlig neuartige Kundenerlebnisse. Wie diese aussehen können, lässt sich anhand der Geschichte einer fiktiven Finanzberaterin illustrieren.
>> Hier geht es zu „Ein Tag im Leben von Eva Schwarz, Finanzbegleiterin im Jahr 2035
Aus dieser Zukunftsvision lassen sich zentrale Punkte destillieren, die Open Finance aus Sicht der Finanzberatung ausmachen:
- Nahtloser Datenaustausch: Dank offen gestalteter Schnittstellen (APIs) können Konten, Depots, Versicherungen und andere Finanzkomponenten in Echtzeit gebündelt und überwacht werden.
- Persönliche und automatisierte Begleitung: KI-Agenten und virtuelle Meetingräume entlasten die Finanzbegleiterin; menschliche Beratung und Empathie werden trotzdem weiterhin sehr geschätzt.
- Neue Geschäftsmodelle: Zukünftige Beratungsleistungen können jenseits klassischer Provisionen funktionieren.
- Skalierung durch Technologie: Es lassen sich viele Kundinnen und Kunden effizient betreuen, weil auch komplizierte Abläufe stark digitalisiert und automatisiert sind.
- Soziale Aspekte: Sowohl einkommensstärkere als auch schwächere Gruppen erhalten Zugang zur Beratung – für Letztere übernehmen kostengünstigere digitale Avatare zentrale Aufgaben.
- Beraterberuf wird attraktiver: Digital geprägte Finanzdienstleistungen könnten mittelfristig wieder mehr junge Menschen für den Beruf begeistern.
All das setzt aber voraus, dass es einen klaren Rechtsrahmen gibt, der zugleich Innovation fördert und Verbraucherschutz sicherstellt. Genau hier kommen PSD2, Fida, neue technologische Innovationen und natürlich auch der ernste Wille von Regulierern, Unternehmen und Verbrauchern ins Spiel, diesen Datenaustausch überhaupt erst in größerem Stil zu ermöglichen.
Unternehmen zwischen Unterstützung und Widerstand
Tatsächlich scheint die Branche derzeit gespalten: Immer mehr Akteure finden die Idee eines offenen Finanzdatenmarkts reizvoll, weil sie auf neue Ertragsquellen und stärkere Kundenzentrierung hoffen. Andere jedoch fürchten Umsetzungs- und Compliance-Kosten sowie einen schärferen Wettbewerb.
Auf politischer Ebene ringen unterschiedliche Mitgliedstaaten, ob sie Fida lieber begraben oder das Projekt aktiv vorantreiben sollen. Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht mehren sich allerdings die Stimmen, die sagen: Open Finance ist längst nicht mehr aufzuhalten – selbst wenn Fida politisch verzögert würde, triebe der Markt dank neuer Technologien, Fintech-Innovationen und Datenstrategien die Entwicklung weiter voran.
Zudem möchten immer mehr Unternehmen lieber den Weg der Chancen nutzen und sich konstruktiv an einem geordneten Gelingen der Fida-Verordnung beteiligen. Dabei sprechen viele Argumente dafür, dass einige geplante Inhalte der Verordnung überarbeitet werden sollten, um Handhabung und Kosteneffizienz zu verbessern, dabei aber den Grundgedanken – offenen und fairen Datenzugang – nicht zu verwässern.
Aktuelle Stellungnahmen begleiten den Trilog
Die Deutsche Kreditwirtschaft (DK) erkennt in einer aktuellen Stellungnahme zwar grundsätzlich die politischen Ziele der Fida-Verordnung an – etwa die Förderung von Wettbewerb und Innovation durch besseren Zugang zu Finanzdaten. Sie kritisiert jedoch in deutlicher Form den vorliegenden Entwurf: Fida in ihrer jetzigen Form verfehle diese Ziele, weil sie weder den tatsächlichen Bedarf der Datennutzer angemessen berücksichtige noch praktikable Rahmenbedingungen schaffe.
Vielmehr drohten neue Bürokratie, ein überbordender Anwendungsbereich, schwer umsetzbare Vorgaben und eine massive Zusatzbelastung für die Finanzinstitute – insbesondere angesichts bereits bestehender regulatorischer Anforderungen. Die DK fordert deshalb eine „grundlegende Überprüfung“ des Entwurfs sowie eine schrittweise Umsetzung mit realistischen Fristen und klaren Begrenzungen des Datenzugangs.
Der Versichererverband GDV und der Fondsverband BVI sprechen sich derzeit noch gegen Fida aus – obwohl Versicherungs- und Fondsprodukte meist über Banken oder freie Finanzberater empfohlen werden und nur selten direkt an Privatanleger gehen.
Die German Open Finance Charta
In einem weiter gefassten, sektorenübergreifenden Ansatz möchte die German Open Finance Charta viele dieser berechtigten Kritikpunkte aufgreifen und zu einer gemeinsamen konstruktiven Zusammenarbeit der willigen chancenorierten Unternehmen im Versicherungs- und Finanzdienstleistungsbereich aufrufen. Die Charta, initiiert von der Free Insurance Data Initiative (Frida) sowie vom Votum-Verband und dem AfW – Bundesverband Finanzdienstleistung, versteht sich als Plattform für Dialog, Analyse und die Entwicklung konkreter Lösungsvorschläge. Ziel ist es, Open Finance in Deutschland so zu gestalten, dass Innovation und Wettbewerb gefördert werden, ohne bewährte Strukturen und Schutzmechanismen zu gefährden.
Zwar liegen derzeit noch keine ausgearbeiteten Lösungen vor, doch der Prozess ist bereits im Gange. Er ist bewusst offen angelegt, um die Interessen aller Beteiligten – Banken, Berater, Verbraucher – in eine zukunftsfähige Regulierung zu überführen. Damit wird deutlich: Sowohl Kreditwirtschaft als auch freie Finanzberatungsbranche befürworten grundsätzlich einen regulierten Zugang zu Finanzdaten – sofern dieser durchdacht, risikobewusst und im Einklang mit den realen Marktbedingungen erfolgt.
Es bleibt spannend zu beobachten, wie das europäische Gesetzgebungsverfahren ausgeht. In jedem Fall ist klar: Open Finance ist nicht bloß ein Buzzword, sondern ein grundlegender Paradigmenwechsel, dessen Chancen und Risiken gleichermaßen real sind. Wer heute versteht, was morgen möglich sein wird, hat alle Voraussetzungen, in der neuen Finanzwelt erfolgreich zu sein.

Über den Autor:
Andreas Beys ist Finanzvorstand des Kölner Dachfondshauses Sauren und zudem Mitglied im Steuerausschuss des deutschen Fondsverbands BVI. Als Kolumnist für DAS INVESTMENT beleuchtet Beys Themen der Investmentfondsbesteuerung aus der Perspektive von Anlegern und Finanzberatern.