Suche Event Calendar Icon EVENTKALENDER Newsletter Icon Newsletter Icon Newsletter Abonnieren
  • Startseite
  • Wie Europa mit Fida die digitale Zukunft des Finanzsektors sichern kann

Von in RegulierungLesedauer: 9 Minuten
Außenansicht des Berlaymont-Gebäudes in Brüssel
Das Berlaymont-Gebäude in Brüssel ist Sitz der Europäischen Kommission. | Foto: Imago Images / NurPhoto

Die Diskussion rund um Fida schien vor wenigen Tagen in einer Sackgasse zu enden: Gerüchte um einen bevorstehenden Rückzug des Projekts machten die Runde. Doch jetzt die Kehrtwende: Im neu veröffentlichten Arbeitsprogramm der EU-Kommission steht Fida weiterhin auf der Agenda. Dies ist eine spektakuläre Wendung, die zeigt, dass Europa beim Thema Datentransparenz im Finanz- und Versicherungsbereich offenbar noch nicht aufgegeben hat. Dennoch bleiben viele Fragen offen: Wird Fida tatsächlich konsequent umgesetzt oder nur formal weitergeführt? Und was bedeutet das für die Zukunftsfähigkeit des europäischen Finanzmarktes?

Der Anlass für diesen Beitrag war ursprünglich die Befürchtung, dass die EU-Kommission Fida (Financial/Finance Data Access) wieder fallen lassen könnte, obwohl es als bahnbrechendes Projekt für mehr Transparenz und Datenaustausch im Finanzsektor gilt. Nun, da Fida entgegen erster Anzeichen im aktuellen Arbeitsprogramm der EU-Kommission weiterhin geführt wird, soll dieser Artikel noch einmal beleuchten, welche Chancen dieses Projekt für alle Beteiligten bietet – und wieso sein endgültiges „Aus“ dennoch keinesfalls ausgeschlossen werden sollte.

Zugleich stellt sich die Frage, wie glaubwürdig die Politik noch wirkt, wenn strategisch wichtige Regulierungsinitiativen teils offen infrage gestellt werden, nur um dann doch wieder auf einer offiziellen Liste zu erscheinen.

Einordnung in die Ziele der aktuellen EU-Kommission

Unter der Präsidentschaft von Ursula von der Leyen hat sich die Europäische Kommission für den Zeitraum 2019 bis 2024 mehrere Hauptprioritäten gesetzt:

  1. Der Europäische Grüne Deal – Maßnahmen gegen den Klimawandel und für Nachhaltigkeit.
  2. Ein Europa fit für das digitale Zeitalter – Schaffung eines einheitlichen Datenraums sowie klare rechtliche Rahmenbedingungen für digitale Innovation.
  3. Eine Wirtschaft im Dienste der Menschen – Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und des sozialen Zusammenhalts.

(Quelle: Europäische Kommission – Prioritäten 2019 bis 2024)

Vor allem der zweite Punkt zeigt, dass Europa beim Thema Digitalisierung aufholen möchte. Fida passt hier perfekt hinein: Es verspricht einen europaweit standardisierten Datenaustausch im Finanz- und Versicherungswesen, der Verbraucher entlastet und Innovation vorantreibt.

 

Hintergrund: Was sollte Fida eigentlich leisten?

Die Grundidee von Fida ist ähnlich der bereits etablierten PSD2-Richtlinie im Bankensektor, jedoch umfassender:

  • Echtzeit-Zugriff auf die persönlichen Finanz- und Versicherungsdaten für Bürgerinnen und Bürger.
  • Vereinheitlichte Schnittstellen für Banken, Versicherer, Finanzberater und Fintechs, um Innovationen und Wettbewerb zu fördern.
  • Produktivitätssteigerung durch automatisierte Prozesse, weniger Papierkram und reibungslosere Abläufe.
  • Besserer Verbraucherschutz durch mehr Transparenz, digitale Vergleichsmöglichkeiten und passgenaue Beratungslösungen.

Die Unsicherheit um einen möglichen Rückzug – und die aktuelle Kehrtwende

Noch vor Kurzem sah es so aus, als wolle die EU-Kommission Fida in den nächsten sechs Monaten zurückziehen. Offizielle Begründung: mangelnde Kompatibilität mit anderen Zielen, hohe Kosten und befürchtete Komplexität. Jetzt allerdings ist das neue Arbeitsprogramm der Kommission veröffentlicht worden, in dem Fida weiterhin fest verankert ist. So erfreulich das klingt, wirft es auch Fragen auf:

  1. Inwiefern sind die vorgebrachten Argumente (Kosten, Komplexität) noch gültig?
  2. Wie seriös wirkt ein Hin und Her in so einem strategisch wichtigen Projekt?

Hohe Kosten und Komplexität – wirklich ein Hindernis?

Die Branche betonte in den letzten Monaten immer wieder die möglichen Implementierungskosten und Umsetzungsprobleme. Doch ein Blick zurück zur PSD2-Richtlinie zeigt, dass solche Herausforderungen durchaus lösbar sind, wenn man:

  • Standards frühzeitig definiert
  • Temporär auf weniger Wettbewerb bei der Schnittstellengestaltung setzt, um einheitliche Lösungen zu finden
  • Alle relevanten Akteure konsequent einbindet

Gerade in Deutschland machte die Versicherungs- und Finanzdienstleistungswirtschaft in letzter Zeit große Fortschritte – gemeinsam mit der Bafin. Hier wurden in zahlreichen Arbeitsgruppen und Workshops bereits pragmatische Lösungen entwickelt. Nicht nur Fintechs, sondern auch der klassische Finanzberatungsmarkt sowie Versicherer begrüßen diese Initiative. Allen ist klar: Desto besser wir uns abstimmen, desto günstiger wird die Umsetzung. Und wir reden hier über viele Millionen Euro an Einsparpotenzial!

 

Warum Fida so wichtig wäre – und welches Signal davon ausgeht

Fida ist mehr als ein neues Stück Regulierung. Es ist ein Symbol dafür, wie ernst es die EU mit ihrer eigenen Digitalisierungsoffensive meint. Gerade jetzt, wo globale Wettbewerber im Fintech-Bereich rasch fortschreiten, könnten einheitliche europäische Standards für das digitale Finanz- und Versicherungswesen konkurrenzfähige Geschäftsmodelle fördern – und Europa stärken. Würde Fida scheitern, wäre das ein deutliches Signal, dass Europa trotz aller hehren Ziele lieber auf dem Status quo verharrt, anstatt mutige Innovation zuzulassen.

Perspektive für Verbraucher und Wirtschaft

Verbraucher:

  • Mehr Transparenz durch direkten Zugriff auf Bank-, Versicherungs- und Anlageinformationen in Echtzeit.
  • Bessere Beratung: Vergleichs- und Angebotsportale könnten genauere, datenbasierte Empfehlungen aussprechen.
  • Kostenvorteile: Mehr Wettbewerb und digitale Prozesse senken langfristig Preise und Gebühren.

Wirtschaft:

  • Innovationsraum für Start-ups und etablierte Firmen, die neue Modelle in der Finanzberatung, im Versicherungsgeschäft und im Bereich digitale Vermögensverwaltung entwickeln können.
  • Produktivitätssteigerung und Automatisierung durch standardisierte Datenflüsse.
  • Übergang zu Honorarmodellen und besseren hybriden Lösungen (digital + persönliche Beratung), was vor allem mit Blick auf den Fachkräftemangel im Finanzsektor essenziell wäre.

Vergleich mit anderer EU-Regulierungen

Während Fida die Datenbasis für mehr Innovation schaffen würde, zeigen andere EU-Initiativen im Finanzbereich – etwa Nachhaltigkeitsregeln oder Geldwäscherichtlinien – wie schnell Regulierung ins Detail abdriftet und sowohl Unternehmen als auch Verbraucher überfordert. Retail Investment Strategy und das Konzept von „Value for Money“ werden aktuell ebenfalls kontrovers diskutiert: Viele halten sie für zu schwammig und praxisfern.

Insofern könnte Fida durch klare, technische Standards und geringere Bürokratie ein Gegenmodell sein: Verbraucher würden nicht mit weiteren Fragebögen überhäuft, sondern hätten dank digitaler Schnittstellen effektiven Zugang zu ihren eigenen Daten. Das ist eigentlich der Kern von echtem Verbraucherschutz.

 

Droht Europa den Anschluss zu verlieren?

Der kurze Moment, in dem Fida scheinbar vor dem Aus stand, hat deutlich gezeigt, wie schnell Europa einen möglichen Vorsprung verspielen kann. Märkte wie die USA oder Asien haben weniger Hemmungen, große Digitalinitiativen voranzutreiben und auch das Ökosystem Fintech umfassend zu fördern. Wenn Europa in diesem Bereich entscheidend aufholen will, braucht es klare Leitplanken und mutige Projekte – genau das, wofür Fida eigentlich steht.

Fazit: Warum eine aktive Umsetzung jetzt nötiger ist denn je

Die Rückmeldung, dass Fida  weiterhin im Arbeitsprogramm der EU-Kommission gelistet ist, löst zwar Erleichterung aus, wirft aber auch Zweifel an der Kontinuität europäischer Digitalpolitik auf. Ein Vorhaben wie Fida „nur“ in der Liste zu behalten, reicht nicht: Es braucht konsequente Weiterarbeit, Finanzierung und eine realistische Roadmap. Die bisherigen Diskussionen haben viel Ressourcen verschlungen – jetzt ist es Zeit, zu zeigen, dass diese Investitionen sinnvoll und zukunftsweisend eingesetzt werden.

Chance für die deutsche Versicherungs- und Finanzwirtschaft

Unabhängig vom politischen Hin und Her könnte die deutsche Branche eine Vorreiterrolle einnehmen. Die engen Abstimmungen mit der Bafin haben bereits gezeigt, wie einheitliche Standards aussehen könnten. Wenn Banken, Versicherer und Finanzberater sich zusammenschließen, um freiwillig interoperable Schnittstellen zu etablieren, könnten sie sich nicht nur vom internen Wettbewerb freimachen, sondern auch eine Leuchtturmfunktion für ganz Europa übernehmen.

In diesem Zusammenhang braucht es jetzt unbedingt eine zweite „Berliner Runde“. Die erste Berliner Runde war ein Treffen führender Branchenvertreter, Verbände, Fintechs und der Aufsichtsbehörden in Berlin, das sich intensiv mit der Standardisierung und den Umsetzungsfragen rund um PSD2 beschäftigte. Dabei ging es vor allem darum, pragmatische Lösungen zu finden, die Kosten und Komplexität minimieren. Eine erneute Zusammenkunft im gleichen Format könnte nun sicherstellen, dass die bereits erarbeiteten Konzepte nicht verpuffen und Deutschland seine Rolle als Impulsgeber für den europäischen Finanzdatenraum weiter festigen kann.

Gerade angesichts der teils kritischen Haltung der französischen Versicherungs- und Bankenwelt gegenüber Fida hätte Deutschland damit eine einmalige Chance, Pionierarbeit zu leisten. Wer es schafft, Kosteneffizienz und Innovation unter einen Hut zu bringen, kann als Vorbild dienen – und langfristig den europäischen Markt prägen. „Fida lebt – zumindest auf dem Papier. Jetzt liegt es an der EU und der Branche, aus dem Projekt mehr als nur ein Symbol zu machen und Europa tatsächlich fit für die digitale Zukunft zu gestalten.“

Quellen und weiterführende Informationen:


DAS-INVESTMENT-Kolumnist Andreas Beys
DAS-INVESTMENT-Kolumnist Andreas Beys © Sauren Fonds-Service

Über den Autor:  

Andreas Beys ist Finanzvorstand des Kölner Dachfondshauses Sauren und zudem Mitglied im Steuerausschuss des deutschen Fondsverbands BVI. Als Kolumnist für DAS INVESTMENT beleuchtet Beys Themen der Investmentfondsbesteuerung aus der Perspektive von Anlegern und Finanzberatern. 

Wie hat Ihnen der Artikel gefallen?
Danke für Ihre Bewertung
Leser bewerteten diesen Artikel durchschnittlich mit 0 Sternen
PDF nur für Sie. Weitergabe? Fragen Sie uns.
Newsletter Titelbild
Ja, ich möchte den/die oben ausgewählten Newsletter mit Informationen über die Kapitalmärkte und die Finanzbranche, insbesondere die Fonds-, Versicherungs-und Immobilienindustrie abonnieren. Hinweise zu der von der Einwilligung mitumfassten Erfolgsmessung, dem Einsatz der Versanddienstleister June Online Marketing und Mailingwork, der Protokollierung der Anmeldung, der neben der E-Mail-Adresse weiter erhobenen Daten, der Weitergabe der Daten innerhalb der Verlagsgruppe und zu Ihren Widerrufsrechten finden Sie in der Datenschutzerklärung. Diese Einwilligung können Sie jederzeit für die Zukunft widerrufen.
+
Anmelden