LinkedIn DAS INVESTMENT
Suche

Themen-Experte Werte schaffen mit aktivem 360°-Ansatz

ANZEIGE
ANZEIGE

Zunehmende Rezessionsrisiken Die Bilanzen könnten invertieren

Regen am Times Square, New York
Regen am Times Square, New York: Zurzeit lässt das Wachstum nach, und die Rezessionsrisiken steigen – weltweit. | Foto: Imago Images / TheNews2

Im Überblick

  • Finanzkrisen verlaufen häufig ähnlich, aber jeder Zyklus hat andere Extreme.
  • Die aktuellen Extreme sind die Folge der geldpolitischen Maßnahmen der Zentralbanken, die dazu dienten, eine lange Phase schwachen Wachstums und niedriger Inflation zu beenden.
  • Vor dem Hintergrund einer nachlassenden Nachfrage und sinkender Gewinnmargen scheinen die Bilanzen der Unternehmen immer anfälliger zu werden.
Rob Almeida, MFS IM

Finanzkrisen fühlen sich immer ähnlich an, weil sie in der Regel zu einem allgemeinen Rückgang der Bewertungen führen. Aber das stimmt nicht. Jede ist anders. Allen gemein ist, dass in ihrem Rahmen Extreme korrigiert werden – allerdings jedes Mal andere.

Beispielsweise waren die pandemiebedingten Lockdowns Anfang 2020 der Funke, der den Markt zum Brennen brachte. Dafür verantwortlich, dass er überhaupt brennen konnte, waren aber die über Jahre hinweg angehäuften Schulden der Unternehmen und ihre fragilen Bilanzstrukturen. Die globale Finanzkrise 2008 brachte den Markt wieder ins Gleichgewicht, nachdem die viel zu hohen Kredite US-amerikanischer Haushalte zu Finanzinstrumenten zusammengefasst und von internationalen Finanzinstituten gehandelt worden waren. Die Rezession und die Kapitalverluste nach dem Platzen der Technologie- und Telekommunikationsblase in den späten 1990er-Jahren waren eine Korrektur der Ungleichgewichte durch Investitionen, die weit über das wirtschaftlich Notwendige hinausgingen.

Viele meinen, dass Krisen – unabhängig davon, ob sie die Wirtschaft, Währungen, Aktien, Anleihen oder Wohnimmobilien betreffen – die Folge zu hoher Verschuldung sind. Das ist nur zum Teil richtig. Zwar sind die Schulden in allen Krisen der vergangenen Jahrhunderte ein Thema, aber ein Problem sind sie nur dann, wenn man sie nicht zurückzahlen kann. Wenn schuldenfinanzierte laufende Erträge oder Sicherheiten unter Druck geraten, wird das Ungleichgewicht zwischen Vermögen und Schulden zu einem echten Problem. Wenn die Werte von Sicherheiten fallen oder die laufenden Erträge einbrechen, müssen Schuldner neue Sicherheiten bieten oder den Kredit zurückzahlen. So entsteht ein Teufelskreis, der zu Zwangsverkäufen zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt führt, sodass eine Finanzkrise folgt.

Was hat das mit der heutigen Lage zu tun?

Eine der immer wieder genannten Eigenschaften des Unternehmenswachstums nach 2008 war „langfristige Stagnation“. Das ist Volkswirte-Jargon für schwaches Wachstum bei zugleich niedriger Inflation, weil mehr gespart als investiert wird. Während der enttäuschenden Wirtschaftserholung der 2010er-Jahre lösten die steigenden Ersparnisse privater Haushalte und Unternehmen bei den internationalen Zentralbanken Deflationssorgen aus, sodass sie zum Quantitative Easing griffen.

Weil die Sparer leer ausgingen, investierten sie ihr Kapital in Staats- und Unternehmensanleihen, um Erträge zu erzielen. Aber wegen der schwachen Konjunktur war die Nachfrage nach Kapital gering. In Anbetracht der Wirtschaftslage sollten Unternehmen eher vorsichtig sein, statt in neue Projekte und Produktionskapazitäten zu investieren. Die Kombination aus Kreditgebern, die ihr Geld feilboten, und dem geringen Interesse der Marktteilnehmer daran drückte die Anleiherenditen auf bis dahin einzigartig niedrige Niveaus. Eine Seite musste nachgeben. 

 

Die Anbieter schufen sich selbst eine Nachfrage. Die Finanzierungsbedingungen für Unternehmen waren einfach zu günstig, um nicht zuzugreifen. Das Ergebnis waren so viele Staats- und Unternehmensanleihen-Emissionen wie noch nie und enorme Verschuldungsquoten, weil die Unternehmen versuchten, die Aktionärserträge durch Übernahmen, Aktienrückkäufe und höhere Dividendenausschüttungen aufzuwerten. Durch die höhere Verschuldung stiegen die Bewertungen risikoreicher Wertpapiere ungerechtfertigt stark an. Die Realwirtschaft hielt nicht mit. Wie schon gesagt: Nicht die Höhe der Schulden ist das Problem, sondern das Verhältnis zwischen Vermögen und Schulden.

Niedrigere laufende Erträge und Abschreibungen

Zurzeit lässt das Wachstum nach, und die Rezessionsrisiken steigen – weltweit. Weil durch die immer geringere Endverbrauchernachfrage die Umsätze sinken, die Lager immer voller werden und zugleich Kapital- und Lohnkosten steigen, geraten die Margen unter Druck. In den vergangenen Wochen haben einige bekannte Unternehmen ihre Gewinnprognosen gesenkt. Aus unserer Sicht werden noch mehr hinzukommen. Nach Jahren mit einer hohen Verschuldung schwächt die Kombination aus rückläufigen laufenden Erträgen und hohen festen Zahlungsverpflichtungen die Bilanzen.

Fremdfinanzierte Übernahmen waren für Unternehmen während der Stagnation und nach den Lockdowns ein wesentlicher Wachstumsfaktor. 2022 sind die Kurse börsennotierter Wertpapiere – von Staatsanleihen mit AAA-Rating bis hin zu Aktien – gefallen, weil die Renditen risikoloser Papiere nicht mehr bei oder unter null lagen. Angesichts der deutlichen Bewertungsrückgänge börsennotierter Wertpapiere seit Anfang des Jahres ist davon auszugehen, dass es an den privaten Märkten ähnlich aussieht. Abgesehen von den offensichtlichen Risiken schuldenfinanzierter Private-Debt-Portfolios und ähnlicher Investments könnte dies zu einer Spirale werden, die auch die Börsen betrifft.

In Anbetracht der vielen Innovationen und Verzerrungen durch moderne Technologien und der seit mehreren Jahrzehnten fallenden Kreditkosten überrascht es nicht, dass der Goodwill in den Unternehmensbilanzen – ein immaterieller Vermögenswert, der entsteht, wenn ein Unternehmen ein anderes zu einem Preis übernimmt, der über dem Nettovermögenswert liegt – in den letzten 20 Jahren stetig gestiegen ist. Sein Anteil am Aktionärskapital hat in den USA und Europa enorm zugelegt, auf fast 50 Prozent beziehungsweise über 40 Prozent.

Grafiken 1 und 2: Hochtrabende Annahmen sind immer schwerer zu rechtfertig

Wie bei privaten Vermögenswerten beruht der Wert des Goodwill auf Annahmen, wobei im letzteren Fall die Annahmen oft sehr optimistisch waren und wahrscheinlich korrigiert werden müssen. Nicht nur niedrigere Margen und Gewinne sind Risiken, sondern auch die Aussicht auf Abschreibungen. Sie wirken sich auf die Verschuldungsquoten aus, sodass Bilanzen invertieren können, also der Wert des Unternehmensvermögens negativ mit den Unternehmensschulden korreliert ist.

Fazit

Lange haben wir geglaubt, dass die Bilanzen vor Covid-19 anfällig waren. Der Abschwung 2020 hätte zu einer Korrektur beitragen können – hat er aber nicht. Da das Rezessionsrisiko und die Kosten weltweit steigen, könnten die Unternehmenserlöse enttäuschend schwach sein. Hinzu kommt, dass der Goodwill im Zusammenhang mit Übernahmen deutlich nach unten korrigiert werden muss, während im Nachgang der außergewöhnlich lockeren Geldpolitik im Jahr 2020 zugleich die Verschuldung steigt.

Vor diesem Hintergrund muss man seine Hausaufgaben machen und Fundamentalanalysen erstellen – und darauf achten, ob die Bilanzen invertieren.

Weitere Markteinschätzungen von MFS Investment Management finden Sie hier.

Die hier dargestellten Meinungen sind die des Autors und können sich jederzeit ändern. Sie dienen ausschließlich Informationszwecken und dürfen nicht als Empfehlung, Aufforderung oder als Anlageberatung verstanden werden. Prognosen sind keine Garantien. 

Wie hat Ihnen der Artikel gefallen?

Danke für Ihre Bewertung
Leser bewerteten diesen Artikel durchschnittlich mit 0 Sternen
Hinweis: Diese News ist eine Mitteilung des Unternehmens und wurde redaktionell nur leicht bearbeitet.