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Finanzprofis kommentieren Bidens Wahlsieg „USA sind von 180-Grad-Wende in der Politik weit entfernt“

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Insgesamt diente die Steueragenda von Biden im Wahlkampf wohl primär der Mobilisierung der Stammwähler und es ist nicht davon auszugehen, dass hiervon in den kommenden vier Jahren viel umgesetzt wird. Gleiches gilt im Hinblick auf die monopolartigen Strukturen vor allem der US-Technologieunternehmen. Zwar werden diese von den Demokraten regelmäßig beklagt. Aber auch hier ist nicht zu erwarten, dass gerade vor dem Hintergrund der globalen Bedeutung dieser Unternehmen die Strukturen von einem Wahlgewinner Biden tatsächlich verändert werden.

In Ermangelung eines einheitlichen Kongresses dürfte der neue Präsident Biden den größeren Handlungsspielraum in der Außenpolitik haben. Und hier liegt die Relevanz für die Finanzmärkte in der Entwicklung des Verhältnisses zum Rivalen China. Tatsächlich handelt es sich hier aber um viel mehr als den immer wieder zitierten Handelskrieg, welcher mit der Präsidentschaft Trumps verbunden wird. Im Kern geht es um die Frage der globalen technologischen und militärischen Führerschaft, die weder die Republikaner noch die Demokraten an China verlieren wollen. Die Unterschiede dürften da eher in der Herangehensweise der beiden Kandidaten liegen. Während sich Trumps Ton gegenüber Peking nach einem Wahlsieg wohl eher noch verschärft hätte, wird Biden nun vermutlich auf die alten Partner der USA zugehen, um diese in eine Strategie zur Begrenzung des globalen Einflusses von China einzubeziehen. Dies allerdings wäre für Europa wenig angenehm, profitiert doch gerade Deutschland von den engen wirtschaftlichen Verbindungen zu China.

Didier Saint-Georges, Mitglied des Investmentkomitees bei Carmignac

Die entscheidende Frage nach der Wahl von Joe Biden sind nicht die Rechtsstreitigkeiten, mit denen das Trump-Team nun beginnen wird. Vielmehr steht nun die Frage im Mittelpunkt, ob der nächste Präsident mit einer Mehrheit im Senat regieren wird. Gewinnen die Demokraten eine der beiden Stichwahlen in Georgia, die für den 5. Januar angesetzt sind, können sie diese Mehrheit noch erreichen.

Aber selbst in diesem Fall könnte Biden Schwierigkeiten haben, radikale Wirtschaftsvorhaben durchzusetzen. Widerstand dürfte von einigen, sehr konservativen demokratischen Senatoren kommen.

Freiere Hand wird Joe Biden auf dem Gebiet der internationalen Beziehungen haben. So könnte er zum Beispiel dem Pariser Abkommen zum Klimawandel oder der Weltgesundheitsorganisation wieder beitreten. Bei mit solchen Entscheidungen verbundenen Finanzfragen hätte der Senat allerdings ein Mitspracherecht. Eine entschlossene Haltung gegenüber China könnte eines der wenigen Themen sein, bei dem er parteiübergreifend Unterstützung erhalten würde.

Felix Schindler, Research-Spezialist bei Warburg-HIH Invest

Institutionelle Investoren werden ihre Immobilienquote aufgrund fehlender Anlagealternativen weiter erhöhen. Das wird auch unter dem kommenden US-Präsidenten Joe Biden so sein. Denn der zentrale Faktor für die Immobilienmärkte sind weiterhin die Zinsen, die in den USA niedrig bleiben werden. Die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Wirtschaft lässt der amerikanischen Zentralbank Fed mittelfristig keinen Spielraum für Zinserhöhungen.

Steffen Sebastian, Inhaber des Lehrstuhls für Immobilienfinanzierung an der International Real Estate Business School der Universität Regensburg

Die Wahl Joe Bidens zum neuen Präsidenten wird keine unmittelbaren Auswirkungen auf die US-Immobilienmärkte haben. Der dominierende Einflussfaktor sind weiterhin die Zinsen und diese werden auch in den USA niedrig bleiben. Die Wirtschaftskrise und die Verschuldung lassen der Fed keinen Spielraum für Erhöhungen. Für Europa ist das eine gute Botschaft, denn so entsteht kein Druck vonseiten der US-Zinsen auf die EZB, ihrerseits die Zinsen anzuheben.

Der größte Unterschied zu Donald Trump ist, dass Joe Biden wirksame Schritte gegen den Klimawandel unternehmen will. Für die EU und die europäische Wirtschaft ist dies positiv, da mit Unterstützung der USA der Druck auf die EU, den Klimawandel quasi im Alleingang zu verlangsamen, nachlässt. Dies dürfte sich in EU-Klimavorgaben niederschlagen, die zumindest nicht noch strenger ausfallen werden. Für die Immobilienbranche hierzulande ist dies eher eine gute Nachricht. Für das Klima hoffentlich auch.

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