Rentenpolitik in Deutschland Private Altersvorsorge: Warum die Riester-Rente jetzt in die Werkstatt muss
Die Bundesregierung will das Thema private Altersvorsorge für die Menschen hierzulande „zugänglicher machen“. Das erklärte die FDP-Abgeordnete Anja Schulz Ende Juni im Bundestag. „Wir wollen ein privates Altersvorsorge-Depot, das den Menschen den Zugang zum Kapitalmarkt eröffnet.“
Wie das konkret aussehen soll, skizzierte Florian Toncar, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, vier Wochen zuvor auf Anfrage der CSU-Abgeordneten Mechthilde Wittmann im Bundestag sowie im Online-Interview mit den Betreibern des digitalen Vermögensverwalters Growney: „Als zentralen Baustein schaffen wir dafür ein förderfähiges Altersvorsorge-Depot ohne Garantie. Die Idee dahinter ist, chancenreichere Anlagen mit höheren Renditen zu ermöglichen und zudem den Wettbewerb unter den Anbietern zu fördern.“
Beispielrechnung: mehr als 80.000 Euro Vorteil
Das noch in dieser Legislaturperiode geplante Gesetz hierfür soll demnach gestaffelt in Kraft treten. Am Ende ergebe sich beispielsweise bei einem Sparplan für heute 37-Jährige ein finanzieller Vorteil von mehr als 80.000 Euro, hat die Geldanlage-Plattform Growney berechnet. Gefördert werden sollen zukünftig auch zum Beispiel Investments in aktiv gemanagte Fonds und kostengünstige ETFs. Auch Lebensversicherer könnten den Plänen zufolge das Altersvorsorge-Depot als fondsgebundene Lebensversicherung ohne Garantie und mit Verrentungsoption anbieten. Darüber hinaus sollen Garantieprodukte gefördert werden, die beispielsweise 80 Prozent des angesparten Kapitals zu Beginn der Auszahlungsphase garantiert zur Verfügung stellen müssen.
Riester-Bestand ist seit sieben Jahren rückläufig
Mit diesen Plänen würde das von Christian Lindner (FDP) geführte Ministerium wichtige Punkte aus der Vorschlagsliste umsetzen, welche die sogenannte Fokusgruppe private Altersvorsorge vor rund einem Jahr in ihrem Abschlussbericht präsentiert hat. Ihr Ziel war es, eine renditestarke Alternative zur Riester-Rente zu bieten. Der Bestand von derzeit insgesamt noch rund 15,5 Millionen Verträgen ist seit sieben Jahren rückläufig (siehe Grafik). Ende 2023 teilte sich diese Gesamtzahl auf in 10,3 Millionen Versicherungen, 3,2 Millionen Fondssparpläne, 1,6 Millionen Eigenheimrenten und etwa eine halbe Million Banksparpläne. Die Empfehlungen der Fokusgruppe gelten grundsätzlich auch für diesen Riester-Bestand. Die bestehenden Verträge können allerdings nur im Konsens zwischen den Vertragspartnern geändert werden.
Förderung soll einfacher und unbürokratischer werden
Die Anbieter können ihre Riester-Produkte für das Neugeschäft entsprechend anpassen oder grundlegend neue Produkte anbieten. Die Kunden können ihre Sparbeiträge sowie die erhaltenen Zulagen in der Ansparphase – so wie bisher auch bei Riester – von der Steuer absetzen. Für zwischenzeitliche Erträge in der Ansparphase wird keine Abgeltungssteuer fällig. Erst in der Auszahlungsphase werden die Erträge mit dem persönlichen Einkommensteuersatz belegt, der in der Regel allerdings niedriger als während des Erwerbslebens ausfällt. Anders als im jetzigen Riester-System soll die Förderung per Grund- und Kinderzulage beziehungsweise Sonderausgabenabzug einfacher und unbürokratischer werden. Außerdem ist eine digitale Plattform geplant, auf der Verbraucher die Angebote selbst miteinander vergleichen können.
Grünen-Politiker: „Die Riester-Rente ist gescheitert“
„Wir erwarten eine schlagfertige Reform, die den Status quo deutlich verbessert“, sagt Stefan Schmidt, der für die Grünen im Finanzausschuss des Bundestags sitzt. „Eine Lösung für die private Altersvorsorge muss künftig möglichst viele Menschen erreichen, kostengünstig sein und dafür sorgen, dass die Menschen am Ende des Tages wirklich mehr Geld in der Tasche haben.“
Hallo, Herr Kaiser!
Damit reagiert er auf eine aktuelle Analyse des Berliner Internetportals „Finanztip“. „Die Zahlen belegen ein weiteres Mal: Die Riester-Rente ist gescheitert. Hunderttausende haben ihre Verträge aufgelöst – mit starken finanziellen Einbußen für die Versicherten.“ Auch laut „Finanztip“ fällt die Bilanz der 2002 eingeführten Riester-Rente verheerend aus: Knapp ein Viertel der insgesamt mehr als 20 Millionen bis Ende 2023 abgeschlossenen Verträge existieren heute nicht mehr.
Konkret seien 4,6 Millionen Riester-Verträge aus den Statistiken verschwunden, berechneten die Finanztip-Studienautoren, denen nach eigenen Angaben exklusive Zahlen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS), des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) und der Deutschen Rentenversicherung (DRV) vorliegen. „Das sind alles jeweils förderschädliche Vertragsbeendigungen, also aktive Kündigungen von Sparern“, zitiert das „Versicherungsjournal“ eine Sprecherin von „Finanztip“. Abgänge durch Todesfälle in der Beitrags- oder Auszahlphase zählen hier ebenso nicht mit herein wie die einmalig gezahlten Kleinbetragsrenten. Laut BMAS waren Ende 2022 eine Million Verträge in der Rentenphase und ein Fünftel bis ein Viertel wurde nicht mehr bespart.
Hälfte der Riester-Verträge erfüllt ihren Zweck nicht
„Nimmt man die gekündigten und die stillgelegten Verträge zusammen, erfüllen knapp die Hälfte aller abgeschlossenen Verträge nicht ihren Zweck”, kritisiert der für das Thema Altersvorsorge bei „Finanztip“ zuständige Redakteur Martin Klotz. Die staatlich geförderte private Zusatzvorsorge wurde als eine Möglichkeit geschaffen, die entstandene Lücke aus der parallel beschlossenen Rentenkürzung auszugleichen. Unzufriedene Kunden warnt Klotz allerdings: „Die Kündigung eines Riester-Vertrags kommt Sparern teuer zu stehen. Zum einen müssen sie alle erhaltenen Zulagen und Steuervorteile zurückzahlen.“ – im Schnitt der vergangenen drei Jahre immerhin rund 1.900 Euro pro Vertrag. „Zum anderen behalten die Anbieter einen Teil des eingezahlten Geldes ohnehin, und zwar die Provisionen sowie die Verwaltungs- und Fondskosten.”
Hoffnung auf schnelle Reform der Riester-Rente
Wer seinen Riester-Vertrag wie von „Finanztip“ empfohlen stillgelegt hat, könnte von der für 2025 geplanten Reform der staatlich geförderten Vorsorgprodukte profitieren. „Das neue Depot-Modell muss deutlich weniger kosten und auch für bisherige Riester-Sparer zugänglich sein“, fordert Verbraucherschützer Klotz. „Das heißt, dass sie ihr angelegtes Geld kostengünstig und vor allem ohne explizite Zustimmung der bisherigen Anbieter auf das Altersvorsorge-Depot übertragen können. Denn so hätten sie noch eine Chance, ihr Geld aus der Riester-Falle herauszuholen.” Beim neuen Altersvorsorge-Depot ist geplant, sowohl auf die Bruttobeitragsgarantie als auch die Pflicht zur Verrentung zu verzichten, die das Riestern für viele Verbraucher in den vergangenen Jahren eher unattraktiv gemacht haben.