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Finanztransaktionssteuer: Immer auf die Kleinen

Torsten Utecht, Finanzvorstand Generali Deutschland Holding
Torsten Utecht, Finanzvorstand Generali Deutschland Holding
Im Herbst 2008 geht die Finanzwelt in die Knie. Aktienindizes verlieren an einzelnen Tagen so viel wie sonst in Wochen oder Monaten. Banken, die sich mit Kreditderivaten verzockt haben, wanken. Damit Kredit- und Weltwirtschaft nicht zusammenbrechen, müssen die Staaten ran. Sie garantieren Bankeinlagen oder übernehmen gleich große Teile privater Banken. Finanziert wird das mit Steuergeldern.

An den Kosten beteiligt werden die Banken seitdem kaum. Bis jetzt. Eine neue Steuer soll es ab nächstem Jahr richten. „Wir wollen, dass diejenigen, die die Krise verursacht haben, auch in Zukunft einen Beitrag zur Behebung der Folgen leisten“, sagt Bundeskanzlerin Angela Merkel. Funktionieren soll das über die Finanztransaktionssteuer (FTS). DAS INVESTMENT fasst die Details zusammen.

Was wird besteuert?

Der Handel mit Wertpapieren. Konkret: Jedes Mal, wenn jemand zum Beispiel eine Aktie oder Anleihe kauft oder verkauft, muss er einen Steuersatz von 0,1 Prozent auf das Handelsvolumen zahlen. Bei Derivaten sind es 0,01 Prozent. Bei einem Aktienhandel werden also insgesamt 0,2 Prozent Steuern fällig – 0,1 Prozent vom Verkäufer und 0,1 Prozent vom Käufer.

Das soll die Marktteilnehmer zu einer ruhigeren Hand zwingen und den Hochfrequenzhandel, bei dem in sehr kurzer Zeit sehr viel gehandelt wird, quasi abschaffen. Elf Länder haben sich bisher bereiterklärt, die Steuer 2014 einzuführen.

Schätzungen der Europäischen Kommission zufolge wird die Steuer pro Jahr rund 30 Milliarden Euro an Einnahmen in die Kassen spülen. In welche, ist dabei noch unklar. Noch haben sich die Parteien nicht geeinigt, ob das Geld an die EU oder die einzelnen Staaten geht.

Wen trifft es außer Banken und Hochfrequenzhändler noch? Experten zufolge jeden, der für die Rente vorsorgen will. Und zwar über unterschiedliche Produkte:

Die klassische Lebens- oder Rentenversicherung

Eines der betroffenen Produkte ist die klassische Lebens- oder Rentenversicherung. Hier legt der Versicherer die Sparbeiträge des Kunden am Kapitalmarkt an. Er kauft und verkauft also vor allem Anleihen und Aktien, um Erträge einzufahren. Das hält sich zwar in Grenzen, weil Versicherer langfristige Investoren sind und etwa Anleihen über sehr lange Zeiten halten.

Aber frisches Geld, das durch neue Verträge hereingespült wird, muss auch angelegt werden. „Zum heutigen Stand können wir noch keine exakte Rechnung vorlegen“, sagt Henning von der Forst, bei der Nürnberger zuständiges Vorstandsmitglied für die Kapitalanlagen. „Je nachdem, bei wie vielen Beteiligten in der Kette einer Transaktion die Steuer tatsächlich anfallen wird, gehen wir davon aus, dass die jährliche Nettoverzinsung eines vorsichtig umschichtenden Lebensversicherers durch die FTS um 5 bis 10 Basispunkte niedriger sein wird.“

Konnte ein Versicherer seinem Kunden vorher also 4,1 Prozent Nettoverzinsung gutschreiben, dürften es nach Abzug der FTS noch 4,0 Prozent sein. Bei einem Anfangskapital von 5.000 Euro und einer jährlichen Sparrate von 150 Euro (ohne Kosten gerechnet), bekäme der Kunde nach 20 Jahren im ersten Fall 66.582 Euro heraus. Bei dem niedrigeren Zinssatz wären es 65.718 Euro.

Torsten Utecht, Finanzvorstand der Generali Deutschland Holding, sieht die Steuer deshalb auch kritisch: „Die gesamte Portfoliorendite würde durchschnittlich mit 3 bis 4 Basispunkten belastet. Das entspricht fast einer Verdopplung der heutigen Kosten für die Verwaltung der Kapitalanlagen.“

Der Unmut unter den Versicherern über die FTS ist daher groß: „Wenn der Staat den Hochfrequenzhandel begrenzen will, soll er diese Akteure kontrollieren“, sagt Uwe Siegmund, Chef-Investmentstratege der R+V. „Versicherungen, die als Geschäftsmodell eine Kapitalanlagepolitik der ruhigen Hand betreiben, braucht man nicht dazu zu zwingen. Im Übrigen werden auch Absicherungsgeschäfte, also das Risikomanagement, besteuert“, gibt er zu bedenken.

Fondspolicen und Drei-Topf-Hybride

Das Risikomanagement ist auch betroffen, wenn es um Fondspolicen geht. Und um Riester-Verträge. Utecht: „Alle CPPI-Mechanismen wie dynamische Hybride und Garantiefondskonzepte werden teurer.“ Nehmen wir als Beispiel jenen Drei-Topf-Hybrid, der sich im Markt durchgesetzt hat, wenn es um fondsgebundene Versicherungen mit Garantien geht. Das Modell sieht vor, dass die Anbieter relativ oft zwischen den drei Töpfen Deckungsstock, Wertsicherungsfonds und freiem Fondstopf umschichten. Schon auf dieser Ebene fällt also die Steuer an.

Dann muss der Versicherer innerhalb des Deckungsstocks auf Marktänderungen reagieren. Noch mal Steuer. Auch der Wertsicherungsfonds schichtet je nach Markt zwischen Aktien und Anleihen um. Noch mal Steuer. Im dritten Topf entscheidet sich auch der Kunde mal für einen neuen Fonds (noch mal Steuer), in dem der Fondsmanager wiederum umschichtet (und noch mal Steuer). Wie soll da genug Rendite für die Altersvorsorge übrig bleiben?

Riester-Renten

Die Fondsgesellschaft Union Investment, hierzulande größter Anbieter von Riester-Fondssparplänen, hat beispielhaft ausgerechnet, wie stark sich die FTS auf einen Riester-Sparer auswirken könnte. Ein Anleger, der monatlich 100 Euro über 40 Jahre in einen Riester-Fondssparplan steckt, bekäme bei 5 Prozent Wertentwicklung ohne Steuer 148.856 Euro heraus.

Mit Steuer wären es nur noch 134.652 Euro. Also über 14.000 Euro weniger. „Es ist absurd zu glauben, dass ein Fondsmanager seine Anlageentscheidung in erster Linie unter steuerrechtlichen Gesichtspunkten trifft“, so Sinan Temelli, Pressesprecher bei Union. „Das ginge völlig am Wesen eines Fonds vorbei.“ Das Fazit der Versicherer und Fondsgesellschaften fällt ernüchternd aus.

Einerseits will der Staat die Altersvorsorge fördern. Gleichzeitig hält er aber das Zinsniveau künstlich niedrig und packt jetzt eine neue Steuer aus. „Es geht bei der Steuer nicht darum, die Welt zu retten, oder um irgendeine Lenkungsfunktion“, sagt ein Marktteilnehmer, der nicht genannt werden will. „Es geht schlicht um Steuereinnahmen.“


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