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Finanztransaktionssteuer: Korrekturen dringend notwendig

Holger Hartmann
Holger Hartmann
Die Einführung einer Steuer auf Finanztransaktionen in Europa ist scheinbar kaum noch aufzuhalten. Zu groß ist der politische Wille sowohl auf europäischer Ebene als auch innerhalb der Regierungen wichtiger EU-Mitgliedsstaaten, den Finanzsektor als vermeintlichen Verursacher an den Kosten der Krise zu beteiligen.

Zudem ist auch eine regulatorische Wirkung der Finanztransaktionssteuer beabsichtigt. Mit der Steuer sollen bestimmte als schädlich betrachtete Geschäftsmodelle unattraktiv werden, indem sich die Transaktionskosten steuerbedingt erhöhen. Dies gilt insbesondere für den sogenannten Hochfrequenzhandel, bei dem Geschäfte mit geringen Gewinnmargen aber hohen Volumina im Nano-Sekundentakt abgewickelt werden. Auch wenn zur Regulierung unerwünschter Handelspraktiken eine aufsichtsrechtliche Lösung wesentlich besser geeignet wäre, ist die Lenkungssteuer jedoch noch nicht der gravierendste Webfehler im EU-Richtlinienvorschlag zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer.

Steuerliche Wirkungen bei Derivaten bisher nicht ausreichend berücksichtigt

Beim Handel mit Derivaten an Terminbörsen wie der EUREX ergibt sich ein Kaskaden-Effekt. Die Besonderheiten des Börsenhandels, in den eine zentrale Gegenpartei eingebunden ist, führen hier dazu, dass ein einzelner wirtschaftlicher Vorgang wie etwa der Erwerb einer Option gleich mehrfach besteuert wird. Von dieser kumulierten Steuerbelastung werden insbesondere Unternehmen der Realwirtschaft getroffen, die darauf angewiesen sind, sich gegen Zins- und Währungsrisiken abzusichern.  

Aber auch bei den Absicherungsgeschäften, die notwendig sind, um ein Derivat darzustellen, vervielfacht sich die Steuerbelastung dramatisch. Denn im Hintergrund muss der Basiswert, beispielsweise eine Aktie, ständig ge- und verkauft werden, und dies würde jedes Mal Finanztransaktionssteuer auslösen. Die Steuerbelastung treibt schließlich den Preis für das Derivat so hoch, dass es unverkäuflich wird. Da Derivate die zentralen Bausteine für Anlageprodukte wie strukturierte Anleihen und Zertifikate sind, ist davon auszugehen, dass auch diese für die private Vermögensbildung wichtigen Finanzinstrumente praktisch nicht mehr angeboten werden könnten.  

Sachgerecht wäre daher nur eine Lösung, die Absicherungsgeschäfte vom Anwendungsbereich der Finanztransaktionssteuer ausnimmt und börsengehandelte Derivate nur einmal steuerlich belastet.

Die Zeche zahlt der Anleger


Die Finanztransaktionssteuer wird im Ergebnis zu einem Bestandteil des Preises von Finanzprodukten. Die Erhebung beteiligt also nicht - wie vorgeblich beabsichtigt - in erster Linie die Finanzindustrie an den Kosten der Krise. Vielmehr bürdet sie diese Kosten vor allem auch den Anlegern auf. So werden beispielsweise bei der Fondsanlage sowohl der Erwerb als auch die Rückgabe der Investmentanteile mit der neuen Steuer belastet. Zudem löst auch jede Umschichtung innerhalb des Fonds-Portfolios Finanztransaktionssteuer aus. Da die Steuer aus dem Fondsvermögen gezahlt wird, geht sie ebenso wie die bei Erwerb des Investmentanteils gezahlte Steuer zu Lasten der Rendite des Anlegers.

Nach jüngsten Berechnung des europäischen Dachverbandes der Fondsindustrie Efama verschlingt die Finanztransaktionssteuer dadurch über die gesamte Laufzeit eines 40-jährigen Fonds-Sparplan bei einer angenommen 5-prozentigen Jahresrendite sowie 100 Euro monatlicher Sparrate 9,5 Prozent der Auszahlungssumme.

Tatsächlich sinkt die Rendite für die Fondsanleger aber noch stärker. Denn in der Berechnung sind Steuerbelastungen des Fondsvermögens durch die Finanztransaktionssteuer auf die von den Fonds beispielweise zur Absicherung von Kurs- oder Währungsrisiken eingegangen Derivategeschäfte, noch nicht einmal enthalten. Bei Geldmarktfonds, die sowohl kürzer gehalten werden als auch eine höhere Umschlagshäufigkeit des Fonds-Portfolios aufweisen, ist nach den Berechnungen der Efama davon auszugehen, dass die jährliche Rendite um wenigstens 2 Prozent sinkt. Dies würde derzeit selbst ohne Berücksichtigung der Inflation eine negative Verzinsung und damit das Aus für das Produkt Geldmarktfonds bedeuten.

Im Rahmen der privaten Altersvorsorge ergibt sich zudem ein höchst bedenkenswerter Umverteilungsmechanismus: Zunächst werden bestimmte Altersvorsorge-Produkte mittels Zulagen, etwa im Rahmen von Riester-Verträgen nach dem Altersvermögensgesetz, mit Steuermitteln subventioniert, um sie dann wieder mit Finanztransaktionssteuer zu belegen.  

Zeitfenster schließt sich


In einem gemeinsamen Brief haben Deutschland, Frankreich, Italien, Österreich, Belgien, Finnland, Spanien, Portugal und Griechenland die EU-Ratspräsidentschaft Anfang Februar aufgefordert, die erste Lesung des Richtlinienentwurfs noch in der ersten Jahreshälfte 2012 abzuhalten. Es wäre also höchste Zeit, die technische Ausgestaltung der Steuer zu überarbeiten.


Zum Autor: Holger Hartmann ist Partner der Kanzlei Bödecker Ernst & Partner in Düsseldorf.

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