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Altersvorsorge in Deutschland
Vermittler und Verbraucherschützer kritisieren Bürgerrente
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Altersvorsorge in Deutschland Vermittler und Verbraucherschützer kritisieren Bürgerrente

Finanzwende-Aktivisten haben dem GDV symbolisch einen Pokal mit der Aufschrift  „Lobbyist Nr. 1“ überreicht.
Protestaktion: Demonstranten überreichen dem Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) symbolisch einen Pokal mit der Aufschrift „Lobbyist Nr. 1“. Mit Skepsis begegnet auch der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) den Plänen, ein neues Altersvorsorgeprodukt unter dem Namen Bürgerrente einzuführen. | Foto: Bürgerbewegung Finanzwende e. V.

Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) vertritt bekanntlich die Interessen aller rund 460 in Deutschland tätigen Versicherungsunternehmen auf politischer Ebene. Dafür wendete der Verband allein im Jahr 2020 rund 15 Millionen Euro auf – so viel, wie keine andere im Bundestags-Lobbyregister aufgeführte Organisation der Finanzbranche. Das findet die Bürgerbewegung Finanzwende kritikwürdig und hat dem GDV symbolisch einen Pokal mit der Aufschrift „Lobbyist Nr. 1“ überreicht. 

Gleichzeitig habe man darauf aufmerksam machen wollen, wie gefährlich „unbegrenzter und intransparenter Lobbyeinfluss“ sei. „Problematisch wird Lobbyismus, wenn ein Ungleichgewicht der Kräfte zwischen den verschiedenen Seiten der Debatte herrscht. Etwa beim GDV und weiteren Akteuren der Finanz- und Versicherungswirtschaft: Mit Blick auf ihr Budget und ihre personellen Ressourcen sind sie Akteuren der Zivilgesellschaft, der Bürgerbewegung Finanzwende zum Beispiel, klar überlegen.“ 

Daniel Mittler ist In der Geschäftsführung insbesondere für die Bereiche Kampagnen und Kommunikation zuständig.
Daniel Mittler © Finanzwende e. V.

Das dürfe sich bei der in den nächsten Monaten anstehenden Riester-Reform nicht negativ auswirken, mahnt Daniel Mittler, der in der Finanzwende-Geschäftsführung insbesondere die Bereiche Kampagnen und Kommunikation verantwortet: „In der Diskussion über die Zukunft der Altersvorsorge darf sich der Staat nicht schon wieder vor den Karren der Finanzlobby spannen lassen. Wohin es führen kann, wenn die Finanzlobby zu viel Einfluss erhält, haben wir bei der Riester-Rente gesehen. Immer vorne dabei beim Lobbying ist der GDV: Branchenübergreifend gibt niemand so viel Geld für die Beeinflussung von Bundestag und Ministerien aus. Was dabei genau passiert, ist für die Öffentlichkeit kaum nachvollziehbar.“ 

Wie berichtet, hat der Gesamtverband der GDV seinen Vorschlag der sogenannten Bürgerrente jetzt auch offiziell eingebracht. Demnach wollen die deutschen Lebensversicherer mit ihrem Konzept die staatlich geförderte Privatvorsorge fürs Alter neu beleben. „Im Vergleich zur Riester-Rente ist die Bürgerrente einfacher, verständlicher, nachhaltiger und renditestärker“, kommentierte GDV-Präsident Norbert Rollinger. Um höhere Erträge abzuwerfen, müsse der derzeit bei Riester-Produkten vorgeschriebene 100-prozentige Kapitalerhalt zu Rentenbeginn auf 80 Prozent sinken. Das Kapital sollte dabei „maßgeblich nachhaltig“ angelegt werden. 

Mehr Flexibilität 

Mit ihrem neuen Konzept wollen die Versicherer außerdem die Auszahlung für die Versicherten in der Rentenphase flexibler gestalten. Bereits heute ist zu Rentenbeginn zwar eine Teilauszahlung von 30 Prozent des Vermögens möglich. Zusätzlich soll es eine Rentengarantiezeit geben, von beispielsweise zehn Jahren. Genauso lange würden die Anbieter mindestens eine Rente auszahlen: Stirbt der Versicherte früher, ginge das verbleibende Garantie-Kapital an die Hinterbliebenen.

Einfachere Förderung

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Die Förderung soll mit der Bürgerrente einfacher und verständlicher werden. Das Ziel: weniger Bürokratie und ein Ende der ärgerlichen, nachträglichen Rückforderung von Riester-Zulagen, weil die Förderbedingungen nicht oder nur noch zum Teil erfüllt sind. Die Idee: Zu jedem eingezahlten Euro legt der Staat 50 Cent obendrauf. Auf diese Weise würde die Zulage proportional zum Eigenanteil steigen – bis zu einer Fördergrenze, die bei 4 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung (2023: 87.600 Euro) liegen könnte. 

 

Aktuell läge der maximale förderfähige Eigenanteil somit bei 3.504 Euro pro Jahr, dazu kämen die Zulagen. So würden auch mittlere Einkommensgruppen stärker als bisher von Zulagen profitieren als nur von der Steuerersparnis. Die staatliche Förderung würde so viel stärker von den Menschen wahrgenommen, außerdem käme ein größerer Teil davon direkt dem Vertrag zugute. Die Beiträge für die Bürgerrente blieben steuerfrei, dafür würden die Leistungen im Wege der nachgelagerten Besteuerung in der Auszahlungsphase voll besteuert. 

Dynamische Förderung

Das aktuelle Fördersystem der privaten Altersvorsorge beinhaltet keine regelmäßige Anpassung der Zulagen, während der Eigenanteil aufgrund der steigenden Löhne jedes Jahr steigt. Die Folge: Sparer müssen immer mehr Geld aufwenden, um den gleichen Zuschuss vom Staat zu erhalten. Die Bürgerrente verknüpft laut GDV deshalb die Förderung mit der Einkommens- und Inflationsentwicklung. Weil die Beitragsbemessungsgrenze für die gesetzliche Rente jährlich steigt, könnte automatisch auch der Förder- und Eigenbeitrag mitwachsen – zu Gunsten höherer Leistungen im Rentenalter.

Mehr Förderberechtigte

Ein Produkt für alle Menschen – ohne Ausnahme. Mit der Bürgerrente sollte der Kreis der Förderberechtigten nach Ansicht der Versicherer auch um die Gruppe der Selbstständigen erweitert werden, die nicht rentenversicherungspflichtig sind. Das reduziere die Komplexität und belässt auch jene Menschen im Fördersystem, die mal abhängig beschäftigt, mal selbstständig sind.

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