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Altersvorsorge in Deutschland
Vermittler und Verbraucherschützer kritisieren Bürgerrente
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Altersvorsorge in Deutschland Vermittler und Verbraucherschützer kritisieren Bürgerrente

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Kostengünstigere Produkte

Ein Standardprodukt, weniger Dokumentationsaufwand, schlankere Prozesse zwischen Anbietern und staatlichen Förderstellen, und auch digitale Vertriebsmöglichkeiten: All das senke die Kosten. „Mit der Bürgerrente ließe sich die private Altersvorsorge deutlich günstiger gestalten – ohne auf den Service einer persönlichen Beratung zu verzichten. Die Vermittler sorgen für ein größeres Verständnis des Produkts und mithin für dessen hohe Verbreitung“, heißt es vom GDV. Jedoch sollen die Kunden die Verträge auch in Eigenregie online abschließen können. 

Letzteres hat der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) kritisiert und darauf hingewiesen, dass eine individuelle Altersvorsorge eine persönliche Beratung brauche: „Der GDV will einen beratungslosen digitalen Vertriebsweg ermöglichen. Das wird viele abschrecken, wenn sie sich ohne Beratung auf Jahrzehnte binden sollen, ohne vorher mit einem qualifizierten Versicherungsvermittler ihre Vorsorgepläne durchgesprochen zu haben“, warnt BVK-Präsident Michael H. Heinz im Interview mit DAS INVESTMENT

 

„Dass auch eine Vermittlung der sogenannten Bürgerrente über uns Versicherungskaufleute als fester Bestandteil möglich sein soll, beruhigt uns nicht“, betont Heinz. „Es zeigt, dass der GDV die Bedeutung gerade der Altersvorsorge für die Menschen mit ihrer jahrzehntelangen Bindung nicht zu begreifen scheint. Das finden wir für einen Spitzenverband der Versicherungswirtschaft recht bedenklich.“ Der BVK fordere eine „vernünftige“ Reform der seit über 20 Jahren bestehenden Riester-Rente „statt eines fragwürdigen Neustarts der privaten Altersvorsorge“. 

Wenige Kundenbeschwerden 

„Wenn der GDV meint, die private Altersvorsorge einfacher, renditestärker und nachhaltiger umzubauen, fragen wir uns, warum man dafür das Rad neu erfinden muss und nicht stattdessen die bewährte Riester-Rente reformiert“, erklärt Heinz. „All die Eigenschaften ließen sich problemlos für die bestehenden und künftigen Riester-Sparer anwenden. Dazu haben wir konstruktive Vorschläge unterbreitet. Einen vermeintlichen Neustart der Altersvorsorge unter einem neuen Namen braucht es nicht und würde nur dazu führen, Bürgervertrauen zu beschädigen.“

Außerdem führt der BVK als Argument für die persönliche Finanzberatung aktuelle Daten des Versicherungsombudsmanns an, laut denen sich im Jahr 2022 nur wenige Kunden über Versicherungsvermittler beschwert haben: „Laut dem kürzlich veröffentlichten Tätigkeitsbericht der anerkannten Schlichtungsstelle wurden nur 331 zulässige Beanstandungen über unseren Berufsstand bearbeitet“, kommentiert BVK-Präsident Heinz. „Bezogen auf Millionen vermittelter Versicherungsverträge liegt die Beschwerdequote im verschwindend geringen Promillebereich.“ 

„Kernproblem hohe Kosten“

Die Gegenposition nimmt auch im Streit um die Vertriebskosten der Assekuranz die 2018 vom ehemaligen Grünen-Politiker Gerhard Schick mitgegründeten Bürgerbewegung ein: „Das Kernproblem der Kunden – die viel zu hohen Kosten – wird nicht wirklich angegangen. Hier haben die Versicherer ihre Hausaufgaben nicht gemacht. Stattdessen wollen sie künftig noch mehr Steuergeld in die eigenen Kassen lenken“, kritisiert Finanzwende-Vorsorgeexpertin Britta Langenberg. Ihr ernüchterndes Fazit lautet: „Mit der GDV-Rente liefern die Versicherer eine Lösung für sich, aber nicht für die Bürger.“  

Jörg Asmussen © GDV

Der GDV will sein Konzept trotz aller Kritik in die aktuell neu gegründete Fokusgruppe des Bundesministeriums der Finanzen einbringen: „Es ist gut, dass es jetzt losgeht mit dem Dialog zur privaten Altersvorsorge. Die geförderte private Altersvorsorge ist reformfähig und hat eine Reform verdient – zügig und mit Blick für die echten Bedürfnisse der Bürger“, erklärte GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen zum dieswöchigen Start der Gespräche zwischen Vertretern von Politik, Finanzwirtschaft, Sozialpartnern, Wissenschaft und Verbraucherschutz. „Das heutige System ist rund 20 Jahre alt, ohne grundlegende Änderung bisher. Eine zeitgemäße Weiterentwicklung ist schon lange überfällig.“ 

Der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) wünscht sich hingegen eine Grundsatzentscheidung der Bundesregierung, bei der Altersvorsorge nicht länger auf privatwirtschaftliche Anbieter zu setzen. Der Verband fordert daher „ein Bekenntnis zum Ende des bisherigen Riester-Systems sowie einem echten Neustart“: Konkret sei ein öffentlicher Vorsorgefonds den privaten Angeboten klar überlegen, sagt VZBV-Vorständin Ramona Pop. „In der Fokusgruppe muss es dann darum gehen, wie ein Vorsorgefonds umgesetzt wird. Darüber, dass Riester gescheitert ist brauchen wir uns nicht mehr monatelang in einer Expertenkommission austauschen.“ 

Höhere Renditen als mit Riester

Mit welchen finanziellen Anreizen zukünftig insbesondere Angehörige der untere Einkommensgruppen bei der privaten Altersvoroge gefördert werden können, dürfte die Fokusgruppe im Sommer darstellen. In ihrem dann erwarteten Abschlussbericht sollen auch die Ergebnisse der im Koalitionsvertrag genannten Prüfungaufträge aufgegriffen werden: Neben Verbesserungen für bestehende Riester-Verträge geht es auch um die mögliche Förderung von privaten Produkten mit höheren Renditemöglichkeiten. Ebenfalls auf der Tagesordnung des von Finanz-Staatssekretär Florian Toncar (FDP) geleiteten Gremiums steht ein öffentlich verantworteter Fonds, der auch im Bundestagswahlkampf 2021 eine wichtige Rolle gespielt hatte

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