Es ist ein in Deutschland oft geübter Reflex: In einer hitzig geführten Debatte ist der Ruf nach einem Verbot nicht weit. So auch in der aktuellen Diskussion um Finanz-Influencer (Finfluencer). Zumindest Bündnis 90/Die Grünen sprechen sich für ein solches europaweites Werbeverbot für Finanzprodukte in sozialen Medien aus. Sie fürchten den großen Einfluss der Finfluencer und mögliche finanzielle Schäden für Verbraucher. Das ruft auch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) auf den Plan. Sie warnt inzwischen ausdrücklich vor unseriösen selbsternannten Finanzexperten in sozialen Medien.

Natürlich melden sich auch betroffene Finfluencer zu Wort: Ibo Ahmiane, bekannt als Professor Finanzen, sorgt sich beispielsweise, dass alle Finfluencer über einen Kamm geschoren werden. Er verstehe aber die Sorge um die schwarzen Schafe. „Wenn diese Vorschrift umgesetzt würde, hätten Verbraucher nicht mehr die Möglichkeit, auf verlässliche Empfehlungen zurückzugreifen“, so Ahmiane in einem Interview. Damit hat er aus meiner Sicht einen Punkt. Denn Finfluencer erschließen dem Finanzmarkt tatsächlich eine ganz neue Generation und vermitteln ihren Followern im Gegenzug wichtiges Finanzwissen.

 

Obwohl in den vergangenen Jahren immer wieder der Ruf nach einem Schulfach „Finanzen“ laut wurde, lernen wir in unseren Schulen bis heute kaum etwas darüber. Dabei ist das Wissen über Finanzthemen in der jungen Generation deutlich gestiegen, wie die Zahl der jungen Aktionäre eindrucksvoll belegt. Ich führe das auf die Finfluencer zurück, die in den sozialen Medien mit attraktiven Inhalten ein großes Bewusstsein für Finanzbildung geschaffen haben.

Zahl der Jungaktionäre in Deutschland auf Rekordniveau

Finfluencer haben einen großen Einfluss auf die gesamte Branche, indem Sie eine Zielgruppe erschließen, die bisher kaum angesprochen wurde. So entsteht eine neue Kultur im Umgang mit Finanzen und Anlagestrategien. Investierten 2017 noch 905.000 Menschen unter 30 Jahren in Aktien oder Fonds, waren es 2023 bereits 1,68 Millionen.

Und die Generation Z holt ihre Vorgängergeneration beim Aktienhandel sogar schon ein: Laut der Jugendstudie von Swiss Life Deutschland besaßen 2022 jeweils 37 Prozent der Millennials und der Generation Z Investmentfonds. Aktien gehören bei 29 Prozent der Millennials und 28 Prozent der Generation Z zum Anlageportfolio. Dies zeigt, dass sich die Menschen in Deutschland immer früher im Leben mit dem Thema Geldanlage auseinandersetzen und insbesondere den Finanzmärkten eine hohe Bedeutung beimessen. Finfluencer tragen aus meiner Sicht maßgeblich zu dieser Entwicklung bei.

Wissensvermittlung versus Anlageberatung

Wenden wir uns nun den möglichen Problemfeldern zu. Finfluencer bewegen sich in einem Spannungsfeld zwischen Influencer-Werberecht und Finanzmarktregulierung. Zumindest immer dann, wenn ihre Reels und Posts über die reine Wissensvermittlung zu allgemeinen Finanzthemen hinausgehen und Werbung für Angebote und Produkte gemacht wird. In diesem Fall gilt eine entsprechende Kennzeichnungspflicht der Werbung, wie sie im Influencer-Marketing mittlerweile gelernt ist.

Anders sieht es aus, wenn der Influencer den Kauf eines bestimmten Finanzinstruments empfiehlt. Je nach Setup (zum Beispiel ein begrenzter Mitgliederkreis oder Links zum Erwerb) verwässern sich die Grenzen zu einer aufsichtspflichtigen Wertpapierdienstleistung in Form der Anlagevermittlung oder Anlageberatung. Zu diesem Zeitpunkt kommen dann Aspekte wie Compliance, Rechtsweg und Haftung ins Spiel.

Finfluencer versuchen dieses Problem derzeit häufig damit zu umgehen, dass sie in ihren Beiträgen darauf hinweisen, es handele sich nicht um eine Anlageberatung. 

Ganz so einfach ist es aber nicht. Denn das Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) sagt: Eine Anlageberatung liegt auch dann vor, wenn sie als solche verstanden werden könnte. Konkret: Auch wenn Beiträge lediglich dazu anregen, konkrete Anlagestrategien zu verfolgen, greift das Gesetz.

Wissen Finfluencer, wovon sie sprechen?

Dies kann ein Problem für diejenigen sein, die in gutem Glauben handeln. Noch schwieriger ist es für den Verbraucher. Denn natürlich tummeln sich derzeit zu viele schwarze Schafe im Netz. Das Swiss Finance Institute belegt, dass von weltweit 29.000 untersuchten Finfluencern 56 Prozent „anti-skilled“, also völlig unbedarft in ihrem Themengebiet sind.

Das deckt sich auch mit meinen eigenen Erfahrungen: Von den 50 bis 60 relevanten deutschen Finfluencern verfolge ich etwa 30. Ein Großteil von ihnen bewegt sich rechtlich in einer sehr dunklen Grauzone, was eine Gefahr für Verbraucher und sie selbst darstellt.

 

Wie können Verbraucher also seriöse Influencer erkennen? Siebenstellige Followerzahlen sind kein Garant für echte Finanzbildung. Ahmianes Vorschlag, für mehr Transparenz zu sorgen, ist sicher nicht verkehrt. Aber er kann nicht ausreichen. Im schlimmsten Fall drohen den Verbrauchern hohe finanzielle Verluste. Die zentrale Frage lautet daher: Darf ein Influencer Finanzprodukte ohne Fachwissen bewerben?

Regeln des Finanzmarkts reichen aus

Mit einem Verbot würde sich diese Frage natürlich erübrigen. Der Gesetzgeber kann aber auch den Mehrwert von Finfluencern anerkennen und bestehende Regeln konsequent durchsetzen. Wir müssen Lösungen finden, von denen alle profitieren. Also einerseits die Verbraucher vor Verlusten und andererseits die Finfluencer vor möglichen Regressforderungen schützen.

Problematisch wird es, wenn in den Inhalten konkrete Produkte vorkommen. Denn dann greift das Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) und Finfluencer brauchen eine Lizenz nach diesem Gesetz. Diese Vorschriften ließen sich erfüllen, indem sich Finfluencer beispielsweise einem Haftungsdach anschließen. Ein solches bietet Regulierung, Compliance und administrative Unterstützung, während der Finfluencer rechtlich unabhängig bleibt.

Wenn wir also die bestehende Grauzone durch die bestehenden Finanzmarktregulierung schließen, profitieren alle Seiten. Die Verbraucher können sich darauf verlassen, dass die Inhalte der Finfluencer seriös sind. Die Bafin ist zufrieden, weil die Compliance die Beiträge dauerhaft überwacht. Und die Finfluencer selbst profitieren, weil sie mit einem Haftungsdach sicher sein können, dass sie nicht für ihre Inhalte haften.

 

Stefan Schmitt
Stefan Schmitt © Inno Invest

Über den Autor:

Stefan Schmitt ist Geschäftsführer der unabhängigen Vermögensverwaltung Inno Invest. Diese bietet auch ein Haftungsdach für vertraglich gebundene Vermittler an.