DAS INVESTMENT Academy: Christian, du hast die Finanzlern-App Finstep gegründet. Wie bist du auf die Idee gekommen?

Christian Binder: Das Projekt hat sich aus einer Konstellation von Zufällen ergeben. Ich bin seit ein paar Jahren leidenschaftlich im Start-up-Bereich unterwegs. Dadurch wuchs in mir der Wunsch, Teams mit aufzubauen und Lösungen zu entwickeln. Ein Problem, das dringend gelöst werden muss, war für mich dabei die ganze Zeit offensichtlich. Generationen von Schülerinnen und Schülern, mich eingeschlossen, kommen aus der Schule und fühlen sich nicht auf das Leben vorbereitet. Das ist etwas, das mich schon länger umtreibt.

Hinzu kommt, dass ich mich schon als Kind für Finanzthemen begeistert habe. Ich hatte nie viel Geld zur Verfügung. Aber ich mochte die analytische Denkweise und habe meine Mutter mit 16 Jahren darum gebeten, mir meine erste Aktie zu kaufen. Außerdem habe ich bereits eine Social-Media-Agentur begleitet, die sich darum gekümmert hat, Themen seriös und mit hohem Vertrauen für Jugendliche aufzubereiten. Auf diese Weise entstand neben dem Problembewusstsein auch ein Gefühl für die Lösung. Darüber hinaus hat der Investor, für den ich damals gearbeitet habe, durchblicken lassen, dass er ein Geschäftsmodell in dem Bereich unterstützen würde. Das war dann der letzte Auslöser dafür, meine Idee in die Tat umzusetzen.

Wie seid ihr dann konkret in die Umsetzung gegangen?

Christian: Wir haben vor allem Straßenumfragen gemacht, also viel mit Kindern und Jugendlichen geredet. Wir wussten am Anfang nur, dass es um Finanzen und Jugendliche gehen soll und sind deshalb stumpf auf diese zugegangen und haben unsere Idee dabei immer weiterentwickelt.

Plötzlich haben wir verstanden: Finanzen sind ein relevantes Thema, aber die richtigen Tools fehlen.

Die Jugendlichen sind inzwischen alle Digital Natives, haben aber keine digitalen Werkzeuge, um ihr Geld zu managen, obwohl die meisten Ausgaben, die sie tätigen, Online-Käufe sind.

Wie sieht euer Produkt genau aus?

Christian: Unser Produkt ist ein finanzieller Begleiter für Jugendliche. Es vereint dabei zwei große Bereiche. Auf der einen Seite den Theorieteil, in dem wir Finanzwissen durch kleine Kurse, ähnlich wie bei Duolingo, vermitteln. Wir beschäftigen uns vor allem mit den Themen Einkommen erhöhen und Ausgaben senken. Im neuesten Kurs geht es beispielsweise darum, wie man seine Ausbildung finanziert. Da werden Stipendien und Ähnliches in kurzen animierten Videos erklärt und man kann Punkte verdienen und gegen Belohnungen eintauschen.

 

Auf der anderen Seite kann man sein theoretisches Wissen in Praxistests anwenden, seine Ausgaben kategorisieren und als gut oder schlecht bewerten.

Kurzfristige Ziele als Sparmotivation

Bei Jugendlichen läuft viel über Zukunftsvorstellungen. Deshalb haben wir einen Ziel-Tracker eingebaut, in den sie ihre Wünsche eintragen können und sehen, wie viel sie sparen müssen, um sie zu erreichen und was es vielleicht ändern würde, wenn sie einen Ferienjob annehmen.

Was wollt ihr mit Finstep erreichen?

Christian: Wir möchten die zentrale Anlaufstelle für Finanzfragen und Entscheidungen von Jugendlichen werden. Geld sollte aus unserer Sicht weder glorifiziert noch stigmatisiert werden, sondern einfach als das Hilfsmittel begriffen werden, das man braucht, um das Leben führen zu können, das man will.

Wenn ich mit 18 dumme Konsumentenkredite aufnehme und mich verschulde, bin ich nicht mehr frei in der Ausgestaltung meines Lebens.

Dann lasse ich das Studium, das ich eigentlich machen wollte, wahrscheinlich sein und nehme den ersten Job, den ich finden kann, weil ich Geld reinholen muss. Wir reden zum Beispiel auch darüber, dass Jugendliche ihren Eltern gegenüber einen Unterhaltsanspruch haben, aber auch darüber, welchen Einfluss es auf die Beziehung hat, wenn man diesen einklagt und wie man beim Jugendamt Hilfe bekommt. Denn auch das gehört zur Lebensrealität von jungen Menschen. Genau wie Stipendien, bei denen viele oft gar nicht glauben, dass sie dafür infrage kommen.

Das klingt nach einem großen Ziel. Ist das alles kostenfrei?

Christian: Das ist unser Anspruch. Wir möchten natürlich ab einem gewissen Zeitpunkt auch Geld mit Finstep verdienen, aber der Bildungsbereich mit der Theorie soll davon ausgenommen sein. Schließlich geht es bei uns um das Vertrauen von Jugendlichen, dessen sind wir uns absolut bewusst. Deshalb muss alles, was wir machen, transparent und glaubwürdig sein. Die Lerninhalte sollen eine Art „Safe Haven“ bleiben, da wir diese auch Schulen zur Verfügung stellen. Um diese Inhalte nutzen zu können, muss man keinen Account anlegen, wir können also noch nicht mal das Nutzungsverhalten tracken.

Wie soll Finstep stattdessen Geld verdienen?

Christian: Wir denken aktuell über ein Modell mit einem Bezahlstatus nach. Dafür müssen wir allerdings noch ein Paket schnüren, für das unsere Nutzer Geld bezahlen würden. Was das angeht, sind wir aktuell in der Testphase. Unser Hauptfokus ist, das Produkt weiterzuentwickeln und vor allem kontinuierlich hochwertigen Lern-Content zu bieten, aber auch im Bereich der Tools Mehrwert zu stiften.

Was möchten die Jugendlichen mit eurer App erreichen?

Christian: Das wichtigste Thema – und darauf haben uns unsere Schülerpraktikanten gebracht – ist tatsächlich die Zielerreichung. Genau wie wir haben auch Jugendliche kurz- und langfristige Ziele. Eine 15-jährige Schülerin benutzt unsere App beispielsweise, weil sie später ein Produktionsstudio gründen möchte. Und weil sie weiß, dass das teuer wird, möchte sie gerne schon anfangen zu sparen. Das ist ihr Ansporn, über einen besseren Umgang mit Geld nachzudenken und etwas über Steuern und Ähnliches zu lernen. Ich freue mich sehr, wenn sie dann mit 18 oder 25 Jahren gründet. Sollte sie sich auf dem Weg bis dahin dagegen entscheiden, dann war das trotzdem ihre Motivation dafür, sich um ihre Finanzen zu kümmern.

 

Wohnungssuche: Inbegriff erwachsener Geldprobleme

Andere wollen die neueste Playstation oder ein Moped kaufen. Jugendlichen geht es also nicht unbedingt darum, zu erfahren, wie Investieren funktioniert. Sie möchten einen konkreten Zustand erreichen. Sie wollen wissen, was für sie drin ist. Ich glaube, das ist auch der Punkt, an dem es bei der Finanzbildung oft scheitert. Viele Menschen fragen sich: Warum sollte ich überhaupt investieren? Eine gängige Argumentation ist die Altersvorsorge.

Viele Menschen wissen, dass sie privat vorsorgen müssen, weil sie sonst viel zu wenig Rente bekommen. Das ist ein guter Ansatz, aber gleichzeitig auch eine Herausforderung, weil die Altersvorsorge so unfassbar weit weg ist. Dass ich in einem halben Jahr in den Urlaub fahren will, ist viel näher dran.

Gibt es ein Finanzthema, das die Nutzer am meisten interessiert?

Christian: Das Thema, über das sich alle am meisten Sorgen machen, ist mit Abstand die Wohnungssuche. Das ist für viele Jugendliche der Inbegriff von erwachsenen Geldproblemen, weil es das erste offizielle Vertragsverhältnis ist, mit dem viele in Berührung kommen. Niemand hat einen solchen Vertrag vorher wirklich gesehen und deshalb haben viele Angst davor, weil sie sich nicht auskennen und gar nicht wissen, wie sie anfangen sollen. Zu der Miete kommen also auch noch juristische Sorgen und die Frage, was man vor dem Einzug eigentlich noch beachten sollte.

Worauf freust du als Gründer dich dieses Jahr bei Finstep am meisten?

Christian: Ganz klar auf den Austausch mit Jugendlichen. Wir arbeiten mit gemeinnützigen Organisationen zusammen und gehen in die Schulen, wo wir den Schülern eine Stunde Rede und Antwort stehen. Da bekommt man direkt Feedback und es gibt nichts Schöneres für mich, als danach das Gefühl zu haben, dass man vielleicht eine Perspektive aufgezeigt hat.

Angst vor Überforderung

Teilweise bin ich an Schulen und dann kommen 14-Jährige und sagen: „Aus uns wird sowieso nichts, wir werden nicht reich.“ Andere möchten gar nicht wohlhabend sein, weil Menschen mit Geld eine Steuererklärung machen müssen. Sie haben Angst, dass plötzlich Sachen von ihnen erwartet werden, die sie nicht leisten können, weil sie nicht wissen, wie eine Steuererklärung funktioniert und in ihrem Umfeld niemanden haben, der es ihnen zeigen kann.

Aus wirtschaftlicher und rationaler Perspektive sind bessergestellte Jugendliche für Fintechs wie uns zwar ganz klar die sinnvollere Zielgruppe, weil sie oft deutlich mehr Bock auf Finanzthemen haben. Aber trotzdem glaube ich, dass es den Kampf wert ist, auch andere Gruppen für Finanzthemen zu begeistern.

Wie bist du selbst mit Finanzen in Berührung gekommen?

Christian: Ich habe mir als Kind gerne Charts angeguckt und ich liebe Rätsel. Ich glaube, ich habe es nicht gemacht, weil ich reich werden wollte. Das wollte ich nur einmal. Da habe ich in Sony investiert, bevor die Playstation drei oder vier auf den Markt kam. Damals dachte ich, die Aktie müsste dann richtig nach oben gehen. Ich habe allerdings nicht bedacht, dass das im Markt zu diesem Zeitpunkt längst eingepreist war.

Konntest du dir schon früh vorstellen, dein eigenes Unternehmen zu gründen?

Christian: Absolut.

 

Was ist das Beste am Gründerdasein?

Christian: Ganz klar: die persönliche Weiterentwicklung. Ich sagte schon, dass Rätsel lösen mein Hobby ist. Und ich habe das große Glück, dass ich in meinem Job mit sehr vielen Problemen konfrontiert werde und dann fühle ich mich häufig, wie bei einem Kreuzworträtsel und bin sehr glücklich, wenn ich es lösen kann. Außerdem ist es schön zu sehen, wenn sich ein Teammitglied plötzlich etwas zutraut, dass es sich vorher nicht zugetraut hätte.

Hast du Tipps für junge Menschen, die sich vorstellen können, auch mal ein Unternehmen zu gründen?

Christian: Vor allem: einfach machen! Die anderen kochen auch nur mit Wasser. Es gibt natürlich wahnsinnig smarte Menschen da draußen, und gerade, wenn man selbst ein bisschen ängstlich oder zurückhaltend ist, hat man immer das Gefühl, alle anderen wissen es viel besser und haben schon einen Plan und ich werde nie so sein. Ich habe das Gefühl, das ist der größte Trugschluss.

Die Führungsetage weiß auch nicht automatisch besser, wie es läuft.

Man unterschätzt, wie schnell man Expertin oder Experte wird. Also, sucht euch etwas, was euch begeistert, lernt dazu, schafft euch ein Profil und fangt an! Vielleicht wird es auch nichts und dann ist das auch völlig in Ordnung. Dann kann man was anderes machen.