- Startseite
- Börsenwissen
-
Fomo: Niedriger Einsatz, hoher Gewinn? Bleib skeptisch!

Untersuchungen zeigen, dass ein Großteil der Millennials Fomo (engl. Fear of missing out, dt. Angst etwas zu verpassen) erleben. Das bedeutet, dass sie Dinge beispielsweise nur kaufen, weil sie Angst haben, eine Gelegenheit zu verpassen. Darauf setzen die Anbieter und machen Geschäft mit ihr. Auf diese Weise wird die Fomo zum Killer deines Erfolgs an der Börse!
Fomo: Die Angst der Herdentiere
Wer sein Produkt an den Mann oder Frau bringen will, braucht nur die Angst zu triggern, sei es durch Zeitknappheit oder Lagerknappheit. Denn: Wer etwas verpasst, gehört nicht dazu. Der Mensch ist aber ein Herdentier und will Teil einer Gruppe sein, mitbekommen, was die anderen machen. Er oder sie will dabei sein, wenn etwas Spannendes passiert.
In den vergangenen 15 Jahren hat dieser Impuls zum Siegeszug sozialer Netzwerke geführt, die uns am (vermeintlichen) Leben unserer Mitmenschen in Echtzeit teilhaben lassen. Wenn man regelmäßig anderen Menschen in sozialen Medien folgt, hat man den Eindruck, dass diese schöner, sportlicher, erfolgreicher, glücklicher sind und ein erfüllteres Leben führen als man selbst.
Besonders stark wird der Impuls etwas zu verpassen, wenn es um viel Geld geht, weil damit unsere Gier angesprochen wird, die neben Liebe, Hass und Furcht zu unseren stärksten Emotionen gehört.
Verpasste Gelegenheiten
Eine weitere Fomo-Technik ist es, dem Publikum zu zeigen, welche Gelegenheiten es verpasst hat. Wer hat sich nicht schon geärgert, wenn er von anderen hört, dass sie mit irgendeiner (obskuren?) Kryptowährung, einer ganz bestimmten (Wasserstoff?) Aktie, oder neuen Produkten (wie binäre Optionen oder NFTs) viel Geld verdient haben und hat sich dabei die Frage gestellt: Warum habe ich das nicht schon früher mitbekommen, dann hätte ich auch absahnen können? Diese Fomo-Technik funktioniert (für den Verkäufer) in den meisten Fällen sehr gut und spricht den schnellen, reflexiven Teil unseres Gehirns an!
Die Angst davor, die tollen Erlebnisse und die Erfolge der anderen zu verpassen (Fomo), nutzen kleine und große Broker, Emittenten, große Market-Maker und Liquidity-Provider. Die Angst kann einen dazu bringen, hochriskante beziehungsweise sehr unkluge Entscheidungen zu treffen.
Hype durch Fomo
Beispiele an den Finanzmärkten findet man in den vergangenen Jahrzehnten haufenweise: Bereits Ende der 1990er Jahre war der Kursanstieg der Deutschen Telekom nach deren Börsengang Hauptgesprächsthema in den Friseursalons, Kneipen und Stadien in Deutschland und brachte viele Menschen – ohne jegliches Verständnis – dazu, sich Telekom-Aktien zu kaufen. Die enormen Verluste nach dem Platzen der New-Economy-Blase sind eine der tieferen Ursachen für die Zurückhaltung vieler Menschen in Deutschland im Hinblick auf Wertpapieranlagen.
Die Entwicklung der Märkte für Krypto-Assets wäre ohne Fomo überhaupt nicht denkbar. Auch hier haben viele Anleger viel Geld verloren, schafft doch der durch Fomo getriggerte Hype um eine bestimmte Kryptowährung überhaupt erst die Möglichkeit für Pump-and-Dump-Strategien der Emittenten von Kryptowährungen.
Auch die starken Kurssprünge von Meme-Aktien sind eine Folge von Fomo, wobei die Gamestop-Aktie eines der bekannteren, aber keineswegs das einzige Beispiel ist. Durch Online-Communitys wie Reddit wird die Fomo der Teilnehmer angefeuert, sodass sich ein Hype mit immer größeren Kursanstiegen aufbaut, der aber letztlich immer zusammenbricht, was zu enormen Verlusten der in der Endphase eingestiegenen Anleger führt.
Wenig Einsatz, hohe Gewinne?
Das Problem mit den (vermeintlichen) Erfolgen, mit denen die anderen angeben, ist, dass sie uns immer nur einen Teil der Wahrheit erzählen. Viele Social-Media-Influencer führen in der Realität keineswegs das glamouröse Leben, das sie uns mithilfe von inszenierten und nachbearbeiteten Bildern und Videos vorspielen. Auch die meisten Kapitalanleger erzählen uns immer nur von ihren Erfolgen und niemals von ihren Misserfolgen, die es aber auch gibt. Insofern erfahren wir auf diese Weise immer nur die halbe Wahrheit und müssen uns die andere Hälfte der Wahrheit eigenständig dazu denken.
Letztlich stellt uns auch hier wieder unser steinzeitliches Gehirn, das uns zu schnellem Denken verführt, eine Falle. Für das Leben in der afrikanischen Savanne war es absolut überlebensnotwendig, ein gut integrierter Teil der Herde zu sein und dort „im Flow“ zu bleiben. Das Problem, dass man nur gefilterte Informationen über die anderen Herdenmitglieder bekommt, wie in sozialen Netzwerken, gab es überhaupt nicht, da man mit den anderen ja auf engstem Raum zusammenlebte. Niemand konnte dem anderen wirklich etwas vorspielen.
Sich von Fomo völlig freizumachen, ist sicher eine große Herausforderung. Man muss sich immer wieder bewusst machen, dass uns viele, wenn nicht die meisten Menschen, gefilterte Informationen über sich und ihre Erfolge geben, wobei das für soziale Medien noch stärker gilt als für den persönlichen Umgang.
Zudem hilft eine sachliche und nüchterne Beschäftigung mit dem Kapitalmarkt und seinen Funktionsprinzipien. Wenn man dies beherzigt, kommt man schnell zurück auf die Erkenntnis von Milton Friedman: „There is no free lunch.“ Erzählungen über angeblich hohe Gewinne mit wenig Einsatz sollten einen skeptisch machen! Sie sollten vielmehr dazu führen, in sich selbst zu vertrauen und in sich und sein Wissen zu investieren. Am besten mit jemandem, der sich damit auskennt, der viel Erfahrung hat.
Über die Autoren
Christoph D. Wahlen und Gösta Jamin sind Gründer der Finanzakademie by Pro Coaching. In den vergangenen Jahrzehnten haben die beiden an der Börse selbst schmerzliche Erfahrungen mit Fehlern gemacht, die eigentlich vermeidbar gewesen wären. In der Serie „Geld-Psychologie" schreiben sie über Fallen, die unser Gehirn uns stellt, um dir dabei zu helfen, sie aufzudecken und zu vermeiden. Mehr Infos und Weiterbildungsangebote findest du auf Finanzakademie – by PRO Coaching.