

Manager von Mischfonds-Klassiker im Interview „Bei besonders unbeliebten Branchen schauen wir genauer hin“

DAS INVESTMENT: Ihr Mischfonds hat nach dem schwierigen Jahr 2022 wieder ordentlich aufgeholt. Wie stellen Sie sich angesichts der vielen weltweiten Krisenherde auf?
Marc Profitlich: Wir sehen Krisen eher als Chance, denn manche Unternehmen werden zu Unrecht abgestraft. Grundsätzlich versuchen wir uns nicht zu sehr vom Konjunkturzyklus und anderen volkswirtschaftlichen Faktoren abhängig zu machen. Um das zu erreichen, sind wir regional breit gestreut: Die zwanzig Unternehmen im Portfolio stammen derzeit aus zehn verschiedenen Ländern.
Gibt es Regionen, in denen Sie nicht investieren?
Profitlich: Asien meiden wir aufgrund von politischen Risiken und Bedenken rund um die Führung vieler Unternehmen. Mit dem Onlinehändler Mercado Libre und dem Handelsunternehmen Femsa, das die rund um die Uhr geöffneten Läden der Kette Oxxo betreibt, haben wir aber zwei Unternehmen aus Lateinamerika im Portfolio. Was für regionale Risiken gilt, berücksichtigen wir auch bei Rohstoffen und Währungen. Ganz ausschließen lassen sich Risiken selten, daher versuchen wir zu große Abhängigkeiten von einzelnen Faktoren zu vermeiden und ein ausgewogenes Portfolio zusammenzustellen.
Mit Ihrem Mischfonds setzen Sie auf zwei Säulen. Können Sie das kurz erläutern?
Profitlich: Die werttreibende Säule stellen langfristige Unternehmensbeteiligungen dar. Wir investieren in qualitativ hochwertige und zukunftsträchtige Unternehmen. Die derzeit gehaltenen zwanzig Unternehmen stehen insgesamt für etwa zwei Drittel des Portfolios. Zur wertstabilisierenden Säule gehören Aktien Sondersituationen und Anleihen Sondersituationen, die derzeit für ein Drittel des Fonds stehen. Diese ermöglichen es uns auch in einem Umfeld von immer noch relativ niedrigen Zinsen im Euroraum unkorrelierte, positive und stabilisierende Renditebeiträge zu generieren.
Haben Sie ein Beispiel für Ihre zweite Säule?
Profitlich: Ein aktuelles Beispiel aus dem Anleihe-Segment sind Senior-Papiere der Credit Suisse, die wir nach dem Zusammenschluss des Instituts mit der UBS erworben haben. Die Unsicherheit unter den Marktteilnehmer war in dieser Zeit besonders hoch. Wir haben uns für Anleihen der operativen Tochtergesellschaften der Credit Suisse entschieden, die in der Haftungskaskade vor allen anderen Anleihen der Holdinggesellschaft, also des Mutterkonzerns, stehen. Die Anleihen sind damit nicht für eine Gläubigerbeteiligung im Falle eines Zahlungsausfalls vorgesehen. Selbst nach dem Zusammenschluss der Bank mit der UBS notierten diese Anleihen mit einem Renditeaufschlag von etwa 3 Prozentpunkten gegenüber gleichrangigen Anleihen der UBS bei einer Endfälligkeit im Jahr 2026. Nach dem Zusammenschluss der beiden Institute engte sich der Renditeunterschied der beiden Papiere nahezu vollständig ein und wir konnten in nur vier Wochen etwa 5 Prozent Rendite einfahren.
Auf Aktienseite legen Sie den Fokus auf widerstandsfähige Unternehmen, die in Krisen Marktanteile gewinnen. Gibt es Firmen, die gerade besonders hervorstechen?
Profitlich: Ein aktuelles und sehr passendes Beispiel ist das bereits genannte, lateinamerikanische Unternehmen Mercado Libre. Die gründergeführte Firma ist im E-Commerce in Lateinamerika führend. Anders als viele nordamerikanische und europäische Wettbewerber ist Mercado Libre seit Jahren hochprofitabel und verfügt über eine saubere Bilanz. Im schwierigen Marktumfeld der vergangenen 18 Monate mit hoher Inflation und Zurückhaltung bei den Konsumenten sind zudem zwei Konkurrenten vom Markt verschwunden. Mit Sea Limited hat sich ein großer asiatischer Wettbewerber aus dem Markt in Lateinamerika zurückgezogen, mit Americanas ging ein weiterer lokaler Wettbewerber bankrott. Dies spielt Mercado Libre in die Hände, denn das Unternehmen ist in einer hervorragenden Position die Marktanteile der strauchelnden Wettbewerber aufzusammeln und so gestärkt aus dem aktuellen Umfeld hervorzugehen.
Seit Jahresbeginn hat Ihr Fonds ein Plus von mehr als 16 Prozent eingefahren. Welche Rolle spielen dabei jeweils die beiden Säulen?
Profitlich: Bei den von uns gehaltenen langfristigen Unternehmensbeteiligungen haben sich im vergangenen Jahr die Fundamentaldaten stark von den Aktienkursen entkoppelt. Unsere zehn größten Beteiligungen werden den Gewinn zwischen dem Jahr 2022 und 2024 im Durchschnitt um fast 30 Prozent steigern. Gleichzeitig sind die Aktienkurse im vergangenen Jahr deutlich zurückgekommen und die Bewertungen sind entsprechend attraktiver geworden. Auch bei den Sondersituationen, insbesondere bei Anleihen, spielt uns das Umfeld in die Karten: Durch den starken und steilen Zinsanstieg haben sich die Risikoaufschläge bei Rentenpapieren stark ausgeweitet. Die Nervosität im Anleihe-Markt ist immer noch groß. In einem solchen Umfeld gibt es viele spannende Chancen.
Welche Branchen halten Sie derzeit für besonders aussichtsreich?
Profitlich: Bei besonders unbeliebten Branchen schauen wir grundsätzlich genauer hin. Mercado Libre etwa stammt als E-Commerce-Unternehmen aus einer Branche, die in den vergangenen 18 Monaten am Kapitalmarkt eher unbeliebt war. Eine weitere von Investoren gemiedene Branche ist derzeit die Bauindustrie. Wir haben dagegen im vergangenen Jahr Aktien des Schweizer Bauchemie-Unternehmens Sika hinzugekauft. Da die Produkte der Firma zu einem großen Teil bei Sanierung und Instandhaltung von Infrastruktur, also etwa Brücken, abgesetzt werden, ist Sika weniger konjunkturabhängig als viele Wettbewerber. Anders als im Bereich Neubau-Wohnimmobilien, der gegenwärtig durch eine Krise geht, werden in diesem Markt weiterhin stabile Umsätze erzielt. Das Unternehmen sollte das operative Ergebnis im Jahr 2023 daher erneut steigern können. Die Aktie wurde unserer Einschätzung nach zu Unrecht abgestraft.
Über den Interviewten:
Marc Profitlich gründete im Jahr 2013 zusammen mit Nicolas Schmidlin die Fondsberatung Profitlich-Schmidlin. Ihr gleichnamiger Mischfonds (ISIN: DE000A1W9A28) ging ein Jahr später an den Start.