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Fondsmanagerin über Trends an Anleihemärkten „Banken sind Teil der Lösung dieser Krise – nicht das Problem“

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In welchen Branchen ist das Ausfallrisiko bei Anleihen jetzt besonders hoch?

Tournier: In der Energiebranche gab es in diesem Jahr bereits mehrere Ausfälle und es ist davon auszugehen, dass kurz- bis mittelfristig weitere hinzukommen. Tatsächlich bestand bei der Ölförderung bereits vor der Krise ein Überangebot, das durch den Nachfrageschock noch verstärkt wurde. Die Ungewissheit darüber, wann Corona-Maßnahmen wieder vollständig aufgehoben werden, wie es mit Flugreisen weitergeht und wie sich die Krise mit Homeoffice und Videokonferenzen langfristig auf die Arbeitswelt auswirkt, tragen zur unsicheren Entwicklung des Ölpreises bei.

Auch andere Branchen, darunter der Einzelhandel, vor allem die Nicht-Lebensmittelhändler, und der Freizeitsektor werden je nach Dauer der Abstandsregeln und der Auswirkungen der Krise auf die Verbrauchernachfrage unter Druck geraten. Das könnte zu einer Zunahme von Zahlungsausfällen führen, auch wenn viele Emittenten derzeit noch über ausreichend Liquidität oder Kreditlinien verfügen. Stark betroffen sind zudem die Automobilbranche sowie Fluggesellschaften. In diesen Branchen muss die staatliche Unterstützung unbedingt in die Analyse einbezogen werden.

Der Fonds wurde vor 15 Jahren aufgelegt. Wie hat sich Ihre Anlagestrategie in dieser Zeit verändert?

Tournier: Wir verbinden die Grundlagenforschung von Pimco, bei der gesamte Branchen im Fokus stehen, mit der Fundamentalanalyse einzelner Unternehmen und Staaten. Mit flexiblen, taktischen Anpassungen und einer breiten Risikostreuung wollen wir den maximalen Wertverlust begrenzen. Diese Strategie besteht seit Auflegung des Fonds unverändert.

Allerdings gab es in dieser Zeit durchaus Veränderungen am Markt. Erstens hat sich unser Anlageuniversum vergrößert: Während der Gesamtumfang von Investment-Grade-, Hochzins- und Schwellenländeranleihen vor 15 Jahren noch bei 5,6 Billionen US-Dollar lag, sind es heute fast 19 Billionen US-Dollar. Technische Faktoren wie der Einfluss von Zentralbanken und taktischen Käufern sowie passiver Fonds haben, zweitens, die Märkte und das Marktverhalten verändert. Die Fähigkeit, sich anzupassen und flexibel zu reagieren, wird immer wichtiger. Drittens haben wir durch neue Instrumente wie Kreditderivate oder AT1- und Coco-Anleihen mittlerweile mehr Möglichkeiten, zu investieren und uns zu positionieren.

Für institutionelle Investoren, die in Ihren Fonds investieren, wird ESG immer wichtiger. Hat das Einfluss auf Ihr Portfolio?

Tournier: Bei Pimco fließen ESG-Risikofaktoren, also Umwelt, Soziales und Unternehmensführung, in den Investmentprozess ein, der alle Vermögenswerte umfasst. Bei der Analyse einzelner Anlagen identifizieren wir die wichtigsten ESG-Risiken für bestimmte Branchen, Unternehmen und Regionen. Zu diesem Zweck verfügen wir über ein firmeneigenes Scoring für mehr als 2.500 Emittenten. Erkannt werden damit auch Trends bei Unternehmen, also wenn sich die ESG-Werte deutlich verbessern oder verschlechtern.  

Dadurch, dass wir ESG-Betrachtungen in unsere Bonitätsprüfung einbeziehen, erhalten wir ein detaillierteres Bild der Fundamentaldaten der Unternehmen. Stärker ins Gewicht fallen dann genau die Eigenschaften, nach denen Anleihegläubiger üblicherweise Ausschau halten: Unternehmen nämlich, die ihre Verbindlichkeiten im Blick haben, über eine starke Unternehmensführung verfügen, ihre Geschäftsziele konsequent umsetzen, ihre Bilanzen konservativ planen sowie klar umrissene operative Ziele verfolgen und wissen, welche Risiken sie eingehen können.

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