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Appel und Albert: Wie Deutschland wieder nach vorne kommt

DAS INVESTMENT: Deutschland diskutiert über Produktivität und Arbeit. Herr Appel, auch Sie sagten, es müsse mehr gearbeitet werden. Brauchen wir nicht vor allem schlauere statt mehr Arbeit?
Frank Appel:Schlauere Arbeit bedeutet produktivere Arbeit – das erreichen wir durch Digitalisierung und Innovation. Aber es geht auch um die Menge: Eine Studie des DIW zeigt, dass Menschen mit höherem Stundenlohn heute mehr arbeiten als früher, während Menschen mit niedrigerem Stundenlohn weniger arbeiten. Diese Entwicklung führt zwangsläufig zu mehr Ungleichheit.
Müssten im Umkehrschluss dann die unteren Lohngruppen besser bezahlt werden?
Appel: Das geht nur Hand in Hand mit höherer Produktivität. Die Digitalisierung ist hier der entscheidende Hebel – auch im Dienstleistungssektor. Erst muss mehr Wert pro Stunde geschaffen werden, dann können wir über Umverteilung sprechen.
Herr Albert, Sie blicken täglich in kleinere und mittlere Unternehmen. Wie wird dort die Produktivitätsdebatte wahrgenommen?
Götz Albert: Wir stecken in einem Produktivitätsparadoxon. Der historisch hohe Beschäftigungsstand täuscht, denn wir verlieren hochproduktive Industriearbeitsplätze mit internationaler Wettbewerbsfähigkeit. Diese werden durch Dienstleistungsjobs mit geringerer Wertschöpfung ersetzt. Ein Beispiel: Wenn ein Industriearbeitsplatz mit 80.000 Euro Jahresgehalt durch zwei Lieferdienst-Jobs ersetzt wird, ist das volkswirtschaftlich ein Rückschritt – auch wenn danach zwei statt einer Person beschäftigt sind.
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DAS INVESTMENT: Deutschland diskutiert über Produktivität und Arbeit. Herr Appel, auch Sie sagten, es müsse mehr gearbeitet werden. Brauchen wir nicht vor allem schlauere statt mehr Arbeit?
Frank Appel: Schlauere Arbeit bedeutet produktivere Arbeit – das erreichen wir durch Digitalisierung und Innovation. Aber es geht auch um die Menge: Eine Studie des DIW zeigt, dass Menschen mit höherem Stundenlohn heute mehr arbeiten als früher, während Menschen mit niedrigerem Stundenlohn weniger arbeiten. Diese Entwicklung führt zwangsläufig zu mehr Ungleichheit.
Müssten im Umkehrschluss dann die unteren Lohngruppen besser bezahlt werden?
Appel: Das geht nur Hand in Hand mit höherer Produktivität. Die Digitalisierung ist hier der entscheidende Hebel – auch im Dienstleistungssektor. Erst muss mehr Wert pro Stunde geschaffen werden, dann können wir über Umverteilung sprechen.
Herr Albert, Sie blicken täglich in kleinere und mittlere Unternehmen. Wie wird dort die Produktivitätsdebatte wahrgenommen?
Götz Albert: Wir stecken in einem Produktivitätsparadoxon. Der historisch hohe Beschäftigungsstand täuscht, denn wir verlieren hochproduktive Industriearbeitsplätze mit internationaler Wettbewerbsfähigkeit. Diese werden durch Dienstleistungsjobs mit geringerer Wertschöpfung ersetzt. Ein Beispiel: Wenn ein Industriearbeitsplatz mit 80.000 Euro Jahresgehalt durch zwei Lieferdienst-Jobs ersetzt wird, ist das volkswirtschaftlich ein Rückschritt – auch wenn danach zwei statt einer Person beschäftigt sind.
Appel: Das stimmt, aber dieser Wandel ist wahrscheinlich unvermeidbar. Die USA sind durch dieses Tal der Tränen bereits gegangen und haben danach als Dienstleistungsland wieder zu hoher Wertschöpfung gefunden. Entscheidend ist jetzt die richtige Weichenstellung: KI und Digitalisierung sind eine Riesenchance für alternde Gesellschaften wie Deutschland. Wir können wegfallende Arbeitskräfte durch intelligente Systeme ersetzen und unseren Wohlstand sichern. Deutschland müsste eigentlich sagen: Alles, was digitalisiert werden kann, muss auch digitalisiert werden.

Beim Thema Digitalisierung sehen viele Deutschland im Hintertreffen gegenüber USA und China. Sie haben das bereits 2019 als wichtiges Thema identifiziert – hat sich seitdem genug getan?
Appel: In den Unternehmen passiert enorm viel, aber im öffentlichen Bereich herrscht Stillstand. Ein Beispiel: In Dänemark läuft die Verwaltung weitgehend digital. Bei uns werden noch immer Akten hin- und hergetragen, und wir diskutieren mehr über die Risiken der Digitalisierung als über ihre Chancen. Selbst für einen simplen Funkmasten braucht es endlose Genehmigungsprozesse. In Norwegen steht auf jedem Berg eine Antenne – und das stört dort niemanden.
Die Transformation betrifft ja nicht nur Technologie. Bei der Unternehmenskultur gibt es in den USA eine Gegenbewegung zu progressiven Werten – Stichwort „Anti-Wokeness“. Wie sehen Sie diese Entwicklung?
Albert: Die Unternehmenskultur hat sich fundamental gewandelt. Das alte patriarchalische Modell – ein Chef entscheidet alles allein – funktioniert nicht mehr. Die neue Generation von Managern und Eigentümern weiß: Ohne klare Werte und eine moderne Führungskultur bekommt man heute keine guten Leute mehr. Das gilt besonders für kleinere und mittlere Unternehmen, wo man sich nicht hinter Konzernstrukturen verstecken kann.
Appel: Die Telekom hat hier bewusst Schritte in Richtung einer offeneren Kultur gemacht. Dass das Pendel manchmal in das andere Extrem ausschlägt, darf einen nicht irritieren. Menschen mit verschiedenen Lebensmodellen eine Heimat zu geben, ist eine Stärke und wird sich langfristig auszahlen. Allerdings muss man die Balance wahren: Der Schutz von Minderheiten ist wichtig, aber man darf die Mehrheit nicht verlieren. In den USA ist dieses Gleichgewicht teilweise gekippt.
Sie setzen sich für Migration ein, hoffen aber gleichzeitig auf ein Bundestagswahlergebnis von über 40 Prozent für die CDU. Wie passt das zusammen?
Appel: Wir müssen die aktuellen Sorgen der Menschen ernst nehmen – viele Kommunen sind mit der Situation überfordert. Aber langfristig braucht Deutschland eine geordnete Migration, und zwar nicht nur Hochqualifizierte. Auch für Dienstleistungsberufe benötigen wir Zuwanderung, sonst wird unser Wirtschaftsmodell nicht mehr funktionieren.
Zum Schluss ein Blick auf die Finanzbranche: Der Trend geht zu passiven Investments. Folgt Lupus alpha dem Beispiel anderer Häuser und legt einen aktiven ETF auf?
Albert: Zunächst einmal: Ein ETF muss nicht passiv sein – es ist schlicht ein börsengehandeltes Produkt. Wir beobachten die Entwicklung genau. Aber gerade im Small & Mid Cap-Bereich, wo wir etwa 1.200 Werte im Universum haben, ist aktives Management unverzichtbar. Der passive ETF muss jeden „Hausmüll“ kaufen, der im Index ist – wir nicht. Unsere Stärke ist der direkte Kontakt zu Unternehmen und Investoren. Diese Beziehungen sind ein wesentlicher Erfolgsfaktor für langfristig überdurchschnittliche Renditen.
Appel: Für die Stabilität der Kapitalmärkte ist aktives Management extrem wichtig. Wenn wir nur noch passive Investoren haben, dann führt jede Pressemitteilung zum Kollaps des Marktes. Das sehen wir heute schon in Ansätzen. Es ist gefährlich, wenn Werte nur deshalb vernichtet oder geschaffen werden, weil die Herde den ETFs folgt. Als Aufsichtsratsvorsitzender brauche ich Investoren, die sich intensiv mit dem Unternehmen beschäftigen – und nicht nur passiv sagen: Der Index ist der Index.
Über Frank Appel:
Frank Appel, geboren 1961 in Hamburg, begann nach seiner Promotion in Neurobiologie seine Karriere bei McKinsey, bevor er 2000 zur Deutschen Post AG wechselte. Von 2008 bis 2023 war er Vorstandsvorsitzender der Deutschen Post DHL Group. Aktuell ist Appel Aufsichtsratsvorsitzender der Deutschen Telekom AG und Mitglied des Aufsichtsrats von RWE. Er gilt als pragmatischer Manager, der den Logistikkonzern erfolgreich diversifiziert und weiterentwickelt hat.
Über Götz Albert:
Götz Albert ist seit 2019 Managing Partner und Chief Investment Officer (CIO) bei Lupus alpha. In dieser Position verantwortet er die Bereiche Portfolio Management, Research und Analyse. Albert ist seit 2003 bei Lupus alpha tätig und leitete zuvor als Partner das Portfolio Management für Small & Mid Caps. Vor seinem Wechsel zu Lupus alpha war Albert als Leiter der Small & Mid Cap-Analyse bei Independent Research sowie bei der DB Cargo AG beschäftigt.
Das Interview wurde am Rande des Fondskongress in Mannheim geführt.



