Politisches Chaos in Paris Renditen französischer Staatsanleihen übersteigen erstmals Griechenland
Die französischen Finanzmärkte durchleben ihre schwerste Bewährungsprobe seit der Eurokrise. Der Renditeaufschlag französischer Staatsanleihen gegenüber deutschen Bundesanleihen ist auf 0,9 Prozentpunkte gestiegen – ein Niveau, das zuletzt 2012 während der europäischen Staatsschuldenkrise erreicht wurde. Die Rendite der zehnjährigen französischen Staatsanleihen kletterte über die 3-Prozent-Marke und liegt damit zeitweise sogar über jener griechischer Anleihen.
Politischer Machtkampf als Katalysator
Im Zentrum der Marktturbulenzen steht der erbitterte Streit um den Haushaltsplan von Premierminister Michel Barnier. Seine Regierung strebt Einsparungen und Steuererhöhungen in Höhe von 60 Milliarden Euro an, verfügt im Parlament jedoch über keine eigene Mehrheit. Die größte Oppositionsfraktion unter Marine Le Pen vom Rassemblement National erhöht den Druck und droht mit einem Misstrauensvotum, sollte Barnier den Haushalt per Verfassungsartikel durchsetzen.
Die politische Unsicherheit schlägt sich unmittelbar auf die Finanzmärkte nieder. Der französische Leitindex CAC 40 verzeichnete einen Rückgang von 2,2 Prozent und war damit das Schlusslicht unter Europas wichtigsten Börsenbarometern. Besonders der Finanzsektor leidet unter der angespannten Situation: Die Aktien des Versicherungskonzerns Axa verloren 4,5 Prozent, die der Großbank Société Générale gaben auf Wochensicht 4,3 Prozent nach (Stand: 29. November, 10.00 Uhr).
Strukturelle Probleme belasten Ausblick
Die aktuellen Marktreaktionen spiegeln tieferliegende strukturelle Probleme wider. Mit einem Haushaltsdefizit von 6,2 Prozent des BIP und einer Staatsverschuldung von 112,7 Prozent liegt Frankreich deutlich über den EU-Stabilitätskriterien. Die Europäische Union hat das Land bereits unter verschärfte Defizitüberwachung gestellt. Barniers Zusage, das Defizit bis Ende 2025 auf 5 Prozent zu senken, wird von Ökonomen zunehmend skeptisch beurteilt.
1.200% Rendite in 20 Jahren?
Die prekäre Haushaltslage hat auch die Ratingagenturen auf den Plan gerufen. Moody's und Fitch haben bereits negative Ausblicke vergeben, S&P Global Ratings wird seine Bewertung in Kürze überprüfen. Eine Herabstufung des aktuellen AA-Ratings wird von Marktbeobachtern als wahrscheinlich eingeschätzt.
Das sagt die Investmentwelt
Die Investmentbranche zeigt sich zunehmend besorgt. Greg Hirt, Global Chief Investment Officer bei Allianz Global Investors, warnt: „Es könnte sehr gut zu einer Situation kommen, in der die Regierung erneut in Gefahr gerät. Es könnte durchaus sein, dass wir am Ende einen Spread zu deutschen Bundesanleihen auf dem Niveau Italiens haben.“ Die Commerzbank empfiehlt ihren Kunden bereits eine Reduzierung des Frankreich-Exposures.
La Française beziffert die Wahrscheinlichkeit eines Scheiterns der Barnier-Regierung auf 50 Prozent, während die Breite der Investmentbanken mit etwa 30 Prozent etwas optimistischer sind. Im Falle eines politischen Patts erwarten Analysten einen weiteren Anstieg des Spreads auf 95 bis 100 Basispunkte sowie eine Underperformance französischer Aktien von 2 bis 3 Prozent gegenüber europäischen Indizes.
„Es fällt schwer, die Entwicklung in Frankreich zu optimistisch einzuschätzen“, sagt auch Mark Dowding, Investmentchef bei RBC Bluebay Asset Management. Er warnt vor anhaltendem Verkaufsdruck bei französischen Staatsanleihen, sollte sich die politische Lage weiter verschlechtern. Gareth Hill, Fondsmanager bei Royal London Asset Management, sieht in einem möglichen Scheitern der Regierung Barnier eine weitere Erschwernis für den Schuldenabbau.
Anders als während der griechischen Schuldenkrise 2012, als die Renditen auf etwa 40 Prozent hochschnellten, ist die aktuelle Situation weniger dramatisch. Dennoch signalisiert die Annäherung der Renditen an das griechische Niveau eine wachsende Besorgnis der Investoren über die politische und fiskalische Stabilität der zweitgrößten Volkswirtschaft der Eurozone.