Stolls Fondsreisen Frankreich: Finanzielle Weichenstellung im Élysée-Palast

Eigensinnig sollen sie sein und modebewusst, zumindest die Hauptstädter. Zum Frühstück nehmen sie nur einen Café mit Croissant – und das Leben so, wie es kommt. Die Franzosen genießen ihren Ruf und sind stolz auf ihr Land. Schließlich war Frankreich in der Vergangenheit eine bedeutende Macht in Europa und der Welt. Vor allem ältere Franzosen sehen das auch heute noch so. Die jüngere Generation denkt inzwischen deutlich europäischer. Ein Großteil zumindest.
Am kommenden Sonntag kommt es zur richtungsweisenden Stichwahl in Frankreich. Auf der einen Seite steht der pro-europäische Amtsinhaber Emmanuel Macron, auf der anderen Seite die rechtsradikale Nationalistin Marine Le Pen. Macron präsentiert sich als weltoffener und wirtschaftsnaher Kandidat. Le Pen nimmt für sich in Anspruch, die Kandidatin des Volkes zu sein. Die erste Wahlrunde konnte der Amtsinhaber am 10. April für sich entscheiden. In Umfragen liegt er vor der entscheidenden Stichwahl mit 53 zu 47 Prozent knapp vor Le Pen. Viele Beobachter hoffen auf eine Wiederwahl Macrons, denn der Präsident gilt im Gegensatz zu seiner Gegenspielerin als Garant für Stabilität und solide Finanzpolitik. Doch noch bleibt die Unsicherheit, zumindest bis Sonntag.
Der Europäer gegen die Nationalistin
Aus Sicht von Investoren wäre ein Sieg der rechtsextremen Partei Rassemblement National eine Katastrophe. „Die Reaktion der Märkte könnte heftig ausfallen. Le Pen steht der Europäischen Union sehr kritisch gegenüber, auch wenn sie inzwischen auf einen Frexit verzichtet. Darüber hinaus ist ihr Wirtschaftsprogramm auf soziale Maßnahmen ausgerichtet, die das Haushaltsdefizit und die französische Verschuldung noch stärker belasten würden", schätzt Jean-Marie Mercadal, Investmentstratege bei OFI Asset Management die Situation vor dem Richtungsentscheid ein.
Der Experte befürchtet, das es bei einem Sieg von Le Pen zu einer Ausweitung der Risikoaufschläge bei französischen Staatsanleihen gegenüber deutschen Bundesanleihen kommen würde. Zudem würde es den Aktienmarkt belasten. ,,Der französische Leitindex Cac 40, der die 40 größten Aktiengesellschaften in Frankreich umfasst, könnte nachgeben und der Euro gegenüber dem US-Dollar abwerten“, sagt Mercadal.
Le Pen will vor allem mit Versprechen zum Thema Kaufkraftverlust beim Wählervolk punkten. Wie im restlichen Europa zieht auch in Frankreich die Inflation an, wenn auch nicht ganz so stark wie im EU-Durchschnitt. Im März betrug die Teuerungsrate 4,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Investoren sorgen sich hingegen vor den wirtschaftlichen Eingriffen, falls Le Pen gewählt werden sollte. So will die Präsidentschaftskandidatin die Autobahnen verstaatlichen.
„Das hätte große Auswirkungen auf die betroffenen Unternehmen. Und die für die Umsetzung ihrer Maßnahmen erforderlichen Ausgaben würden die durch die jüngsten Konjunkturpakete bereits aus dem Gleichgewicht geratenen Staatsfinanzen ernsthaft beeinträchtigen“, kommentiert Benjamin Melman, Cio von Edmond de Rothschild AM. Bei älteren Menschen wirbt die Rechtspopulistin für eine Absenkung des bisherigen Renteneintrittsalters von 62 auf 60 Jahre. Macron will dagegen das Renteneintrittsalter auf 65 Jahre erhöhen.
Die Zahlen sprechen für Macrons Wirtschaftspolitik: Frankreich verzeichnete 2021 das kräftigste Wirtschaftswachstum seit einem halben Jahrhundert. Trotz Omikron-Welle zog die Konjunktur im vergangenen Jahr um 7 Prozent an und damit so stark wie seit 52 Jahren nicht mehr. Die Franzosen hatten frühzeitig auf Corona-Maßnahmen wie Zugangsbeschränkungen und Maskenpflicht gesetzt. Die Impfquoten waren hoch, starke Einschränkungen wurden vermieden. Der Konsum zog dadurch deutlich früher an als beispielsweise in Deutschland. „Die französische Wirtschaft hat sich spektakulär erholt und das hat die Wirtschaftskrise ausgelöscht“, lobt Finanzminister Bruno Le Maire.