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Frauen und Finanzberatung: Das Ende des rosa Deckmantels

Frauen wird gerne nachgesagt, dass sie sich zu wenig mit ihrer Finanzplanung beschäftigen. Dabei sind es ironischerweise oft Frauen, die im Alltag viele der finanziellen Entscheidungen treffen: Laut einer Studie managen 85 Prozent der befragten Frauen die täglichen Ausgaben, entscheiden 83 Prozent über größere Anschaffungen oder entscheiden mit und bezahlen 80 Prozent die Rechnungen.
Die Daten beziehen sich zwar auf eine Studie von UBS Investors Watch aus dem Jahr 2019, gelten aber weiterhin, wie Lisa Hassenzahl, Mitglied im Vorstand des FPSB Deutschland, in ihrem Vortrag deutlich machte. Sie war eine der Referentinnen bei einer digitalen Presse-Veranstaltung zum Thema „Frauen und Geld“, zu dem der Verein Financial Planning Standards Board (FPSB) eingeladen hatte.
Frauen benötigen einen anderen Beratungsansatz
Frauen würden allerdings ihre Ziele anders formulieren als Männer, weniger konkret auf eine Anlagemöglichkeit bezogen und dafür stärker auf die Lebensplanung ausgerichtet. Wichtige langfristige Ziele sind zum Beispiel: Planung des Ruhestands (76 Prozent), Absicherung bei Pflegebedürftigkeit (72 Prozent) sowie die Familie und sich selbst gegen Risiken absichern (68 Prozent). Dadurch entsteht aus ihrer Sicht das Missverständnis, dass Frauen kein großes Interesse an der Finanzplanung haben.
Stattdessen muss der Beratungsansatz für Frauen ein anderer sein. „Wir als Branche sollten darüber nachdenken, wie andere Beratungsangebote aussehen könnten.“ Das Thema müsse mehr Beachtung finden, damit Frauen sich auch mehr beachtet fühlen. Dabei verwehrt sie sich aber gegen den Begriff der „rosa Finanzen“: Sie möchte keine weiteren Finanzprodukte „speziell für Frauen“, die dann nur eine andere Verpackung als „männliche“ Produkte hätten und möglicherweise sogar teurer seien, quasi nur einen „rosa Deckmantel“ erhalten. Stattdessen sollte der Ansatz verfolgt werden: Es gibt unterschiedliche Menschen, für die unterschiedliche Herangehensweisen gewählt werden sollten. Von diesen Erkenntnissen können alle profitieren, die so ihre Zielgruppenansprache erweitern möchten.
Möglichkeiten für „weibliche Angebote“ seien beispielsweise Modelle, wie innerhalb einer Beziehung der Gender Pension Gap ausgeglichen werden kann – also die Lücke, die dadurch entsteht, dass Frauen im Durchschnitt in Deutschland 42 Prozent weniger Rente erhalten als Männer, wie Annika Peters von der Frauen Finanz Beratung Barbara Rojahn ausführte.
Das Thema werde auch noch auf anderer Ebene akut, da zunehmend Frauen beraten werden möchten, die von ihrem verstorbenen Mann Geld geerbt haben. Diese fühlten sich teilweise bei der bisherigen Bank nicht gut aufgehoben, da sich immer der Mann um diese Finanzen gekümmert habe und dadurch die Frau kein gutes Verhältnis zum Berater habe aufbauen können, erläuterte Constanze Hintze von Svea Kuschel + Kolleginnen. Diese wollen dann wechseln. Deshalb sei Frauen-Finanzberatung eine ideale Ergänzung zur bestehenden Finanzwelt.
Frauen müssen dabei nicht zwingend von Frauen beraten werden – und vor allem reiche es nicht aus, eine Frau zu sein, um Frauen besser beraten zu können, betonte Peters mit Nachdruck. Dennoch: Wenn die Kundinnen nun eine zertifizierte Beraterin möchten, sei das Angebot leider noch nicht groß genug. Klar ist deshalb also, dass die Quote von Frauen in der Beratung dringend erhöht werden muss.

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„Die Finanzbildung der Deutschen ist der Weltspartag“
Ein Problem sieht die Runde aber nicht nur in der Beratung von Frauen – „Finanzbildung ist in Deutschland Mangelware“, betonte Anne Connelly vom Karrierenetzwerk Fondsfrauen und dem Finanzportal Her Money, die die Gesprächsrunden moderierte. „Die Finanzbildung der Deutschen ist der Weltspartag“, zitierte sie ihren ehemaligen Chef, einen US-Amerikaner. Eine der Lösungen dafür: „Es muss zu Hause über Geld gesprochen werden“, betonte Stefanie van Dawen von der Familien-Strategieberatung. „Es sollte schon in den Schulen damit begonnen werden, Grundlagen in der Finanzbildung zu legen, ähnlich wie zum Beispiel im Bereich Ernährung oder Gesundheit“, ergänzte Claudia Müller vom Female Finance Forum. Darauf könne dann zu einem späteren Zeitpunkt im Leben aufgebaut werden. Leider sei es oft in Deutschland noch ein regelrechtes Tabu, über Geld zu reden, betonte die Runde einhellig. „Das gesellschaftliche Gespräch über Finanzen muss viel stärker werden.“
Die gerade beschlossene Bundesbildungsstrategie, für die ein Budget von 600.000 Euro zur Verfügung gestellt wurde, werteten alle Beteiligten aber lediglich als einen Tropfen auf den heißen Stein. Dies sei viel zu wenig, es benötige mindestens 5 Millionen Euro, damit diese etwas bringt, verdeutlichte Claudia Rankers von Rankers Family Office. Hinzu komme, dass Lehrer und Technik fehlten, um das Thema umzusetzen.
KI verbessert Zugang zu Investitionschancen
Kann dann Künstliche Intelligenz möglicherweise in Zukunft einen Teil dieser Arbeit ersetzen? Sind Finanzberatungstools, Apps et cetera nun die Zukunft? Oder können Apps Finanzplaner ersetzen? Nein, ist sich die Runde einig. Individuelle Betreuung und Vertrauen aufbauen könne eine KI nicht.
Ein Vorteil von Künstlicher Intelligenz sei es jedoch, dass sich der Zugang zu Investitionschancen verbessert habe, da die Kosten geringer sind, unterstrich van Dawen. Denn ein persönlicher Berater müsse ja schließlich auch bezahlt werden. „Ich hoffe, dass das System sich verbessert und es zukünftig weniger schlechte Angebote gibt“, betonte Müller. Aber auch sie ist der Ansicht: „Es ist gut, wenn überhaupt investiert wird“. KI könne zum Beispiel über spielerische Apps gerade auch für junge Leute kostenarm zur Finanzbildung beitragen.
Für sie alle sei Künstliche Intelligenz allerdings eine sehr gute Ergänzung der Arbeit: Sie unterstützt zwar nicht bei der Beratung, aber helfe zum Beispiel bei der Strukturierung von Bildungsangeboten. Die Erwartungshaltung ihrer Kunden sei nicht, dass sie sich um zum Beispiel Chat GPT zu kümmern, verdeutlichte van Dawen. Aber es würde erwartet, die Tools zu kennen und bedienen zu können.
Künstliche Intelligenz werde aber dazu führen, dass sich die Rolle von Beraterinnen und Beratern ändert: Durch KI könnten sie nun mehr Zeit dem Kunden und dessen Zielen widmen. Die Daten werden währenddessen im Hintergrund gesammelt. Aus der Finanzplanerin und dem Finanzplaner werde zukünftig ein Finanzcoach.