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Frauenfonds unter Druck: Milliardenschwere Abflüsse seit 2023

Die Begeisterung für Gender-Fonds, auch Frauenfonds genannt, ist in der Investmentwelt merklich abgekühlt. Nach drei Jahren mit Mittelzuflüssen erlebte das Segment weltweit einen dramatischen Umschwung: Allein 2023 zogen Anleger 1,2 Milliarden US-Dollar aus den auf Geschlechtergleichheit fokussierten Fonds ab, 2024 kamen nochmals Abflüsse von 375 Millionen US-Dollar hinzu. Das geht aus einer ex...
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Die Begeisterung für Gender-Fonds, auch Frauenfonds genannt, ist in der Investmentwelt merklich abgekühlt. Nach drei Jahren mit Mittelzuflüssen erlebte das Segment weltweit einen dramatischen Umschwung: Allein 2023 zogen Anleger 1,2 Milliarden US-Dollar aus den auf Geschlechtergleichheit fokussierten Fonds ab, 2024 kamen nochmals Abflüsse von 375 Millionen US-Dollar hinzu. Das geht aus einer exklusiven Erhebung von Morningstar hervor.
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„Der Trend hat sich gedreht“, bestätigt Shannon Kirwin, Analystin von Morningstar. „Diese Entwicklung spiegelt den breiteren Trend in der ESG-Branche wider.“ Globale Zuflüsse in Nachhaltigkeitsfonds erreichten 2022 ihren Höhepunkt und gingen seither stark zurück – bedingt durch unterdurchschnittliche Performance, Greenwashing-Bedenken, regulatorische Änderungen und eine wachsende Anti-ESG-Bewegung in den USA.

Rendite bleibt hinter Erwartungen zurück
Neben der Abkehr von Nachhaltigkeitsthemen kämpfen Gender-Fonds mit einem weiteren Problem: Die meisten von ihnen haben ihre Benchmark nicht übertroffen. „Der typische Gender-Fonds liegt über ein Jahr sowie über drei und fünf Jahren knapp hinter dem Durchschnitt seiner Morningstar-Kategorie zurück“, erklärt Kirwin. Die verhältnismäßig schwache Performance ließe sich zum Teil auf die Branchengewichtung zurückführen.
Im Vergleich zu gängigen Benchmarks haben Gender-Fonds so in der Regel geringere Positionen in den Energie- und Technologiebranchen – Sektoren, die in den vergangenen Jahren überdurchschnittlich performten. „Vor allem die Untergewichtung im Technologiesektor wirkte sich im vergangenen Jahr negativ auf die Performance aus“, so Kirwin. Hinzu komme, dass solche Fonds oft höhere Gebühren als traditionelle Fonds verlangen.
Das zeigt sich auch am Beispiel der größten europäischen Gender-Fonds, dem Nordea 1 - Global Diversity Engagement Fund (Fondsvolumen: 714, 8 Millionen US-Dollar), dem BNP Paribas Inclusive Growth (Fondsvolumen: 665,4 Millionen US-Dollar), dem UBS Global Gender Equality ETF (Fondsvolumen: 368,6 Millionen US-Dollar), dem Mirova Women Leaders Equality Fund (Fondsvolumen: 322,7 Millionen US-Dollar) und dem Ampega Diversity Plus Aktienfonds (Fondsvolumen: 146,8 Millionen US-Dollar). Über drei und fünf Jahre gelang es keinem von ihnen die Performance des MSCI World, gemessen am iShares Core MSCI World ETF, zu übertreffen. Über ein Jahr schnitt einzig der UBS Global Gender Equality ETF mit einem Wertzuwachs von 10,2 Prozent geringfügig besser ab als der bekannte Weltindex.
Anders sieht es im laufenden Jahr aus. Angesichts der nachlassenden Dominanz des US-Tech-Sektors schnitten hier alle fünf Gender-Fonds besser ab als der große MSCI World.
Fondsmanagerin sieht „Achterbahnfahrt“
Katharina Seiler, Fondsmanagerin des DWS Invest ESG Women for Women, beschreibt die vergangenen Jahre als „echte Achterbahnfahrt“. Der Start ihres Frauenfonds im Januar 2022 – kurz vor Beginn des Ukraine-Kriegs – erwischte einen denkbar ungünstigen Zeitpunkt. „Im Portfolio hatten wir seinerzeit Europa übergewichtet, einfach weil wir dort mehr Unternehmen mit guten Nachhaltigkeitswerten gefunden hatten. Der Ukraine-Krieg und seine Folgen haben unser Portfolio daher stark getroffen“, erklärt Seiler.
Zudem wurden durch den Krieg viele Nachhaltigkeitsthemen plötzlich hinterfragt. „Muss man seine Position zu militärischer Rüstung nicht überdenken? Ist Energie aus fossilen Quellen zumindest temporär nicht doch akzeptabel? Das hat uns nicht in die Hände gespielt.“ Anschließend kam der KI-Boom, dessen „Wucht wir etwas unterschätzt hatten“, räumt Seiler ein.
Ihr Frauenfonds hat die rauen Jahre trotz des holprigen Starts und einiger Rückschläge überlebt. Dass das längst nicht auf alle Gender-Fonds zutrifft, zeigen die Zahlen von Morningstar. Während auf dem Höhepunkt rund 26 europäische Fonds mit Fokus auf Geschlechtergerechtigkeit existierten, sind es 2025 nur noch 20. Weltweit sind von 74 noch 49 übrig geblieben.
Diversität als Wettbewerbsvorteil
Trotz der aktuellen Herausforderungen sehen Experten weiterhin Potenzial im Gender-Investment-Ansatz. Anna Vaananen, Head of Listed Impact Equity bei Axa IM, betont: „Forschungen und empirische Studien zeigen immer wieder, dass eine höhere Diversität innerhalb der Belegschaft Unternehmen einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil verschafft.“
Vaananen managt den Axa WF Framlington Social Progress, der zwar kein reiner Gender-Fonds ist, aber in Unternehmen investiert, deren Geschäft auf die Erreichung eines oder mehrerer Ziele für nachhaltige Entwicklung (kurz: SDGs) ausgerichtet ist, wobei auch Gender eine Rolle spielen kann. „Traditionelle ESG-Analysen konzentrieren sich bislang vor allem auf die Diversität in Führungsetagen und Vorständen, dabei wird sie primär als Faktor zur Risikominimierung betrachtet. Wir hingegen sehen in Diversitätsbestrebungen eine Chance für Unternehmen, vielfältige Talente zu gewinnen und zu binden, was der Entwicklung innovativer Lösungen zuträglich ist.“
Was die Diversitätsbestrebungen angeht, sieht Vaananen trotz des derzeitigen Anti-Woke-Trends auch Verbesserungen: „Wir beobachten, dass Unternehmen zunehmend die Bedeutung von Diversität auf allen Hierarchieebenen erkennen, was für Fortschritte auf diesem Gebiet spricht. Dies gilt insbesondere für Unternehmen im Impact-Universum, die Nachhaltigkeit gezielt in ihr Wertschöpfungsmodell integriert haben.“
Zwischen Kritik und Hoffnung
Neben Performance-Problemen sehen sich Gender-Fonds jedoch auch konzeptioneller Kritik ausgesetzt. Einige Expertinnen wie etwa Finanzcoach Dani Parthum kritisieren, dass das Marketing um Frauenfonds stereotype Sichtweisen auf Frauen bediene. „Frauen möchten risikobewusst investieren, dabei renditestark und unkompliziert“, argumentiert Parthum bei „Capital“. Frauenfonds würden diesen Anforderungen oft nicht gerecht.
Katharina Seiler wehrt sich gegen den Vorwurf, Gender-Fonds würden die Trennung beim Investieren nur verschärfen: „Unsere Zielgruppe macht 50 Prozent der Weltbevölkerung aus und ist bisher kaum erreicht worden. 70 Prozent der Frauen in Deutschland investieren immer noch nicht – diese Zahlen sind nach wie vor erschreckend hoch.“
Sie vergleicht die Situation mit dem Autofahren in den 1950er Jahren: „Es geht um den Einstieg für eine Zielgruppe mit enormem brachliegendem Kapital, die dringend vorsorgen muss, um die Versorgungslücke zu schließen. Wenn Frauen sich mit dem kleinen Auto erst einmal auf der Straße wohlfühlen, trauen sie sich später vielleicht auch zu, den Porsche oder den Mercedes zu fahren.“
Für die Zukunft bleibt Seiler optimistisch: „Ich bin überzeugt, dass der Trend wie beim technologischen Fortschritt klar in eine Richtung geht. Es kann Rückschläge geben – diese vier Jahre unter der Trump-Administration werden uns ein bisschen zurückwerfen – aber langfristig werden Frauen stärker.“
>> Das ganze Interview mit Katharina Seiler können Sie hier lesen.



