Volkswirt Henning Vöpel
Warum Freiheit in der Begrenzung von Macht besteht
Henning Vöpel ist Direktor des Centrums für Europäische Politik. Foto: Centrum für Europäische Politik / Canva
Europa muss anfangen, den Schutz der Freiheit und die Stärkung der Souveränität als vordringlichste Aufgabe zu verstehen, meint Henning Vöpel. Warum das so ist, erklärt er hier.
Immer geht es um Macht. Macht manifestiert sich in Ordnungen. Wo Ordnung zerfällt, geht es um die Neuverteilung von Macht, die durch den Zerfall der Ordnung wieder bestreitbar wird. Und tatsächlich geht es heute, da Ordnungen zerbrechen, überall wieder um Macht. Um geopolitische Macht zwischen den USA, China, Russland und Europa. Auch in den Medien, den klassischen wie den „sozialen“.
Es geht um Deutungsmacht, Durchsetzungsmacht und Kontrollmacht in unterschiedlichen Sphären. Macht in der Unordnung ist gefährlich. Sie weitet sich aus, wenn ihr nicht Grenzen gesetzt werden. Aber auch dafür braucht es Macht.
Demokratie hat gleichberechtigte Debatte und Markt fairen Wettbewerb
Ordnungspolitik will Macht beschränken, ihren Missbrauch verhindern. Zum Schutz des Souveräns, der Bürger und Konsumenten. Es geht um politische und wirtschaftliche Macht. Ihre verfassungsmäßige Trennung und Kontrolle sind die wichtigsten Merkmale unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung.
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Immer geht es um Macht. Macht manifestiert sich in Ordnungen. Wo Ordnung zerfällt, geht es um die Neuverteilung von Macht, die durch den Zerfall der Ordnung wieder bestreitbar wird. Und tatsächlich geht es heute, da Ordnungen zerbrechen, überall wieder um Macht. Um geopolitische Macht zwischen den USA, China, Russland und Europa. Auch in den Medien, den klassischen wie den „sozialen“.
Es geht um Deutungsmacht, Durchsetzungsmacht und Kontrollmacht in unterschiedlichen Sphären. Macht in der Unordnung ist gefährlich. Sie weitet sich aus, wenn ihr nicht Grenzen gesetzt werden. Aber auch dafür braucht es Macht.
Demokratie hat gleichberechtigte Debatte und Markt fairen Wettbewerb
Ordnungspolitik will Macht beschränken, ihren Missbrauch verhindern. Zum Schutz des Souveräns, der Bürger und Konsumenten. Es geht um politische und wirtschaftliche Macht. Ihre verfassungsmäßige Trennung und Kontrolle sind die wichtigsten Merkmale unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung.
Die Demokratie hat die gleichberechtigte Debatte („giving people a voice“), der Markt den fairen Wettbewerb („giving people a choice“). Die Demokratie ist keine mehr, wenn es keine gleichberechtigte Debatte gibt, der Markt ist keiner mehr, wenn es keinen fairen Wettbewerb gibt.
Der zurzeit sichtbarste innere Konflikt dieser Ordnung ist das Machtbündnis zwischen Donald Trump und Elon Musk. Alte politische Macht verbindet sich mit der neuen digitalen zu einer gewaltigen Konzentration von Macht. Die Meinung von Musk ist nicht das Problem, auch nicht sein Gastbeitrag in einer deutschen Zeitung, seine Macht aber, sie kundzutun und zu verbreiten, ist sehr wohl eines. Diese Macht verhält sich asymmetrisch zu dem Einfluss, den sie haben darf.
Verächtlichmachung und Aneignung des Staates sind fatal
Der Kampf um die Macht der Medien ist längst übergegangen zu einem Kampf um die Macht des Staates. Staatliche Macht ist immer noch bedeutsam und begehrt. Sie verfügt über Mittel, die sonst keine andere Macht hat. Schon länger ist ein Kampf um den Staat sichtbar – zwischen der „neuen Rechten“, der extremen Linken, den Autoritären und den Libertären.
Es geht den einen um die Verächtlichmachung des Staates, den anderen um dessen Aneignung. Beides ist fatal für den Staat; seine Autorität, Unabhängigkeit und Akzeptanz erodieren. Die Folge ist seine schleichende, aber unaufhaltsame Delegitimation.
Diese Delegitimation wird verstärkt durch unheilige Allianzen zwischen politischer und wirtschaftlicher Macht. Eine Art postdemokratischer, digitalautoritärer Neofeudalismus ist entstanden. Schon Habermas sah in der privaten Aneignung der öffentlichen Sphäre eine Refeudalisierung der Gesellschaft. Die (Informations-)Freiheit des Einzelnen ist am Ende durch den Staat nicht mehr schützbar, wenn die Öffentlichkeit selbst verschwunden ist.
Interventionen von außen können kaum noch unterbunden werden
Die Disruption des Staates geht indes viel tiefer. Technologie gewinnt hoheitliche Macht, gewisse Funktionen des Staates werden überflüssig oder zumindest angreifbar, indem die Territorialität der hoheitlichen Macht des Staates aufgehoben wird. Interventionen von außen – von Meinungen über Wahleinmischung bis zu Desinformation – können kaum noch unterbunden werden.
Und hier geht es in erster Linie gar nicht um Musk. Der hybride Krieg ist ein permanenter Krieg, der im virtuellen Informationsraum stattfindet. Nicht mit Panzern und Kampfflugzeugen, sondern in den digitalen Medien und auf den Smartphones. Mit anderen Worten: Wir befinden uns bereits in einem (Des-)Informationskrieg. Und wir sind dabei, ihn zu verlieren, weil das Einfallstor, die Polarisierung und Spaltung der Gesellschaft, das Misstrauen gegenüber einer kaputten Öffentlichkeit, bereits weit offensteht.
Verhältnis zwischen Zentralität und Dezentralität liegt hinter Neuordnung
Hinter der Neuordnung der Macht liegt – auf abstrakterer Ebene – das Verhältnis zwischen Zentralität und Dezentralität, das für die Kontrolle der Macht und die Sicherung der Freiheit essenziell ist. Digitalisierung erhöht die Dezentralität. Unabhängige Einheiten können sich viel autonomer und in vielen Bereichen autarker organisieren.
Zugleich aber werden sie abhängiger von einer neuen digitalen Zentralität. Das sind Netzwerkknoten, die die Kontrolle über Daten, das Filtern von Informationen und die Aggregation über Algorithmen übernehmen. Natürlich ist auch der Staat als Zentralität problematisch, denn auch er ist anfällig für die Ausweitung und den Missbrauch der Macht. Auch kann und soll der Staat nicht die Wahrheit schützen – was ist denn „Wahrheit“? –, aber er kann und soll die Freiheit von Information, Meinung und Rede schützen.
Diese Freiheit ist die Essenz unserer Ordnung, ihr Schutz der Kern unserer Souveränität. Europa muss anfangen, den Schutz dieser Freiheit und die Stärkung der dafür notwendigen Souveränität als ihre vordringlichste Aufgabe zu verstehen. Unsere Ordnung hängt daran wie an nichts anderem, und sie ist dadurch gefährdet wie durch nichts anderes. Die Diskussion um Musk ist keine Frage der Meinungsfreiheit, sondern der strukturellen Macht. Ohne Freiheit wird es unmöglich sein, unsere Ordnung zu verteidigen. Sie ist dann bereits machtlos.
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