Kapitalmarktforscher Heinz-Werner Rapp
Kapitalmarktforscher Heinz-Werner Rapp
Ein toxischer Mix aus wirtschaftlichen Fehlentwicklungen und politischem Versagen hat in vielen westlichen Gesellschaften in den vergangenen Jahrzehnten wachsende soziale Spannungen verursacht. Nicht zuletzt die Globalisierung hat zu einer asymmetrischen Verteilung von Wohlstand geführt. Während Investoren stark von der sogenannten Globalisierungsdividende profitierten, mussten viele Arbeitnehmer Einkommensverluste hinnehmen.
Diese Asymmetrien wurden von der etablierten Politik in vielen westlichen Ländern nur mangelhaft adressiert. Das Vertrauen der Wähler hat dabei Schaden genommen – nicht nur in die Regierungen, sondern zunehmend auch in das gesamte demokratische System. Die Mitte des politischen Spektrums wurde geschwächt, während extreme Positionen an den Rändern wachsenden Zuspruch erhielten.
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
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Ein toxischer Mix aus wirtschaftlichen Fehlentwicklungen und politischem Versagen hat in vielen westlichen Gesellschaften in den vergangenen Jahrzehnten wachsende soziale Spannungen verursacht. Nicht zuletzt die Globalisierung hat zu einer asymmetrischen Verteilung von Wohlstand geführt. Während Investoren stark von der sogenannten Globalisierungsdividende profitierten, mussten viele Arbeitnehmer Einkommensverluste hinnehmen.
Diese Asymmetrien wurden von der etablierten Politik in vielen westlichen Ländern nur mangelhaft adressiert. Das Vertrauen der Wähler hat dabei Schaden genommen – nicht nur in die Regierungen, sondern zunehmend auch in das gesamte demokratische System. Die Mitte des politischen Spektrums wurde geschwächt, während extreme Positionen an den Rändern wachsenden Zuspruch erhielten.
Der Wunsch nach simplen Antworten auf komplexe Herausforderungen treibt nun populistische Bewegungen voran und verstärkt den schleichenden Übergang zu autoritären Strukturen. Es entsteht ein zyklischer Prozess, auch bekannt als „soziodynamische Progression“, der das Wachstum populistischer und autokratischer Bewegungen in den letzten Jahren gut erklärt (siehe Abbildung 1). Die volle Tragweite dieser Dynamik wird jedoch oftmals unterschätzt oder nicht erkannt.
Die Erosion demokratischer Werte ist in den USA besonders weit vorangeschritten. Seit Jahren weisen Studien auf eine extreme gesellschaftliche Spaltung im Land hin. Ein Großteil der Bevölkerung hat das Vertrauen in die Regierung verloren und betrachtet die Demokratie als unfähig, zentrale Probleme zu bewältigen (siehe Abbildung 2). Viele Wähler in den USA wenden sich vom bestehenden System ab und sehnen sich nach einem „starken Anführer“.
Ein erschreckendes Ergebnis dieser Dynamik ist, dass die älteste Demokratie der modernen Welt nun direkt auf eine Autokratie zusteuert. Maßgeblich verantwortlich dafür ist der selbsternannte Volkstribun Donald Trump. Sollte Trump erneut die Präsidentschaftswahlen gewinnen, wäre dies eine erhebliche Zäsur für die amerikanische Demokratie. Seine politische Agenda, bekannt unter dem Label „Project 2025“, zielt unter anderem darauf ab, den administrativen Unterbau der USA zu schleifen und demokratische Prozesse gezielt und umfassend auszuhebeln.
Wichtige Positionen im Staatsapparat würden mit ergebenen Gefolgsleuten besetzt. Sowohl das Justizministerium als auch das FBI würden als Waffe eingesetzt, um oppositionelle Stimmen zu unterdrücken und Widerstand zu brechen. Ein derart massiver „Power Grab“ wäre, ähnlich wie der von Trump provozierte Sturm auf das Kapitol, ein beispielloser Angriff auf die Grundpfeiler der US-Demokratie.
Doch Unterstützung kommt inzwischen sogar vom Obersten Gerichtshof der USA: einerseits durch erzkonservative und klar parteipolitisch gefärbte Rechtsprechung, andererseits durch neue Grundsatzurteile, die Trump selbst im Falle eines echten Staatsstreichs umfassende Immunität gewähren. Die bevorstehenden US-Präsidentschaftswahlen markieren daher einen entscheidenden Wendepunkt in der amerikanischen Politik. Die derzeitige Fragilität des US-Systems ist ein ernstes Warnsignal für die Zukunft der westlichen Demokratien und sollte nicht unterschätzt werden.
Auch in Europa fühlen sich viele Bürger von den politischen Eliten vernachlässigt oder sogar bevormundet und wenden sich zunehmend alternativen politischen Bewegungen zu. Dies spiegelt sich im Aufstieg radikaler Kräfte in Ländern wie Italien, Österreich und den Niederlanden wider. Ein klares Signal für diese politische Wende ist auch der scharfe Rechtsruck bei den Europawahlen 2024 – besonders ausgeprägt im Wahlverhalten der jüngeren Generation. Diese europaweite Entwicklung wird stark von Themen wie innerer Sicherheit und unkontrollierter Migration beeinflusst. Ein drastischer Wandel zeigt sich speziell in Frankreich, wo die rechtsnationale Partei Rassemblement National (RN) zur stärksten Kraft aufstieg.
Insbesondere in Frankreich hat es die politische Führung versäumt, zentrale Probleme wie soziale Ungleichheit, die Kluft zwischen Stadt und Land, mangelhafte Infrastruktur, schleppende Digitalisierung, Inflation, Migration und Kriminalitätsbekämpfung wirksam anzugehen. Daraus resultiert massive politische Entfremdung. Umfragen zeigen, dass 71 Prozent der Franzosen nicht glauben, dass die etablierten Parteien ihre Interessen vertreten. Dieses tiefe Misstrauen der Bevölkerung gegenüber den Eliten hat den Aufstieg des Rechtspopulismus in Frankreich wesentlich begünstigt.
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