Natixis-Strategin Esty Dwek
Frischer Wind aus Washington
Esty Dwek ist bei Natixis für internationale Marktstrategien zuständig. Foto: Natixis Investment Managers
US-Präsident Joe Biden stellt die soziale Verantwortung des Staates in den Vordergrund seiner Politik. Seine Bemühungen könnten die US-Wirtschaft langfristig stärken und einen Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit leisten, hofft Natixis-Strategin Esty Dwek.
Die ersten 100 Tage im Amt hatten es für Joe Biden in sich. Sie zeigen, welche Richtung er einschlägt: mehr Staat, mehr Steuern und mehr Gemeinwohl. Wie sein Vorgänger zielt auch Biden auf die Verbesserungen der Lebensbedingungen des breiten Mittelstandes und der arbeitenden Bevölkerung. Nur bedient es sich er sich dabei einer politischen Agenda, die eine radikale Abkehr von den dominanten Denkmustern des wirtschaftsliberalen Staatsverständnisses der vergangenen Jahrzehnte darstellt. Biden will die US-Wirtschaft gerechter machen, mit Staatsgeld, sozialen Hilfsprogrammen und einer sozialdemokratischen Variante von America First.
In kurzer Folge brachte der neue US-Präsident drei Programme...
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
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Die ersten 100 Tage im Amt hatten es für Joe Biden in sich. Sie zeigen, welche Richtung er einschlägt: mehr Staat, mehr Steuern und mehr Gemeinwohl. Wie sein Vorgänger zielt auch Biden auf die Verbesserungen der Lebensbedingungen des breiten Mittelstandes und der arbeitenden Bevölkerung. Nur bedient es sich er sich dabei einer politischen Agenda, die eine radikale Abkehr von den dominanten Denkmustern des wirtschaftsliberalen Staatsverständnisses der vergangenen Jahrzehnte darstellt. Biden will die US-Wirtschaft gerechter machen, mit Staatsgeld, sozialen Hilfsprogrammen und einer sozialdemokratischen Variante von America First.
In kurzer Folge brachte der neue US-Präsident drei Programme in Billionenhöhe auf den Weg, welche die sozialen Bedingungen der Menschen in den USA auf unterschiedliche Weise verbessern helfen sollen. Dem gigantischen Infrastrukturprogramm (2 Billionen US-Dollar) folgte der American Rescue Plan (1,9 Billionen Dollar) und zuletzt nun der American Families Plan (1,8 Billionen Dollar). Bezahlt werden soll all dies zu einem guten Teil über Steuererhöhungen für Unternehmen und private Einkommensbezieher.
Von den Demokraten dürfte Biden wenig bis keine Unterstützung für seine Pläne erfahren. Er weiß sich aber eins mit der neuen US-Finanzministerin Janet Yellen und dem Fed-Vorsitzenden Jerome Powell. Beide halten die durch die Corona-Pandemie noch deutlicher sichtbar gewordene Ungleichheit in der US-Gesellschaft als problematisch im Hinblick auch auf die Stabilität der Wirtschaft in den USA. Und tatsächlich hatte die Fed zuletzt hervorgehoben, dass ihr Fokus stärker auf einem soliden Arbeitsmarkt als auf der Bekämpfung von Inflation liege. Dabei geht es nicht nur um die Reduzierung von Arbeitslosigkeit per se, sondern auch um die Chancen auf gleichen Zugang zum Arbeitsmarkt, gleiche Löhne und um Chancen für Menschen mit geringerem Bildungsniveau.
Eigentlich hätte man erwarten können, dass die Märkte auf den fundamentalen Schwenk der US-Politik mit Verunsicherung und heftigen Schwankungen reagieren. Aber bisher ist dies nicht der Fall. Die Stimmung an den Märkten wird noch von den positiven Wachstumsaussichten getragen, welche die Hilfsprogramme ausgelöst haben. Für das laufende Jahr rechnen die Experten der OECD mit einem Wirtschaftswachstum von 6,5 Prozent. In dessen Windschatten könnte auch Europa von zusätzlichen Wachstumsstimuli profitieren.
Dabei birgt der Kurs von Biden durchaus Risiken. Und diese gehen vor allem von der auf neue Rekordniveaus steigenden Verschuldung des amerikanischen Staates aus. Kritiker fragen: Können sich die USA diese gigantische Verschuldung leisten? Könnte sie den US-Dollar oder die US-Zinsen unter Druck setzen? Auch den US-Aktienmärkten droht Ungemach. Je nachdem, in welchem Umfang die Pläne zur Unternehmenssteuerreform Realität werden, könnte der Gewinn je Aktie zwischen 5 und 9 Prozent zurückgehen.
Auch in der Umweltpolitik hat der neue US-Präsident eine 180-Grad Wende herbeigeführt. Er ist dem Pariser Klimaabkommen erneut beigetreten und kündigte Pläne zur Halbierung der US-Treibhausemissionen bis zum Jahr 2030 an. Dass seine Pläne mehr als ein Lippenbekenntnis sind, zeigt sich an der bemerkenswerten Executive Order mit dem Titel „Climate Related Financial Risk“. Darin werden alle US-Behörden angewiesen, Klimarisiken offenzulegen und mit den Wirtschafts- und Klimaberatern des Weißen Hauses und dem Office of Management and Budget zusammenzuarbeiten, um diese Risiken zu überwachen und zu messen.
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