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Der Milliarden-Fonds Acatis Value Event steht wohl vor Abflüssen

Es war ein unsanftes Ende einer jahrelangen und äußerlich sehr erfolgreichen Beziehung: Die Fondsgesellschaft Acatis hat den Fondsberatern eines ihrer Mischfonds das Beratungsmandat entzogen. Wie nun von vielen Seiten bestätigt wurde, war es ein glatter Rausschmiss. Bei dem Fonds handelt es sich nicht um irgendeinen Fonds, sondern um das Dickschiff des Hauses Acatis, den Acatis Value Event Fonds (ISIN: DE000A0X7541). Geführt wird er von extern, durch die Fondsberater Henrik Muhle (Aktienseite) und Uwe Rathausky (Anleihen) der Fondsboutique Gané. 2020 kam zudem Marcus Hüttinger dazu. Zum 31. März, so kündigt Acatis nun an, wolle man das Mandat von Gané beenden...
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Es war ein unsanftes Ende einer jahrelangen und äußerlich sehr erfolgreichen Beziehung: Die Fondsgesellschaft Acatis hat den Fondsberatern eines ihrer Mischfonds das Beratungsmandat entzogen. Wie nun von vielen Seiten bestätigt wurde, war es ein glatter Rausschmiss. Bei dem Fonds handelt es sich nicht um irgendeinen Fonds, sondern um das Dickschiff des Hauses Acatis, den Acatis Value Event Fonds (ISIN: DE000A0X7541). Geführt wird er von extern, durch die Fondsberater Henrik Muhle (Aktienseite) und Uwe Rathausky (Anleihen) der Fondsboutique Gané. 2020 kam zudem Marcus Hüttinger dazu. Zum 31. März, so kündigt Acatis nun an, wolle man das Mandat von Gané beenden.
Der Fonds hat in den 15 Jahren seines Bestehens atemberaubende 7,8 Milliarden Euro eingesammelt, die Gané-Gründer sind mit zahlreichen Auszeichnungen bedacht worden. Kein Wunder: Es lief einfach rund in dem Mischfonds, der auf Aktien sowie Anleihen setzt und dabei auf günstige Bewertungen und Events, finanzrelevante Ereignisse in Unternehmen, Wert legt.
Dabei haben Fondsberater zunächst einmal eine untergeordnete Stellung in einem Fonds. Sie sind nicht die offiziellen Manager und dürfen sich auch nicht so nennen. Rein rechtlich beraten sie einfach eine Kapitalverwaltungsgesellschaft. In der Praxis jedoch sind es bei dieser Konstellation regelmäßig die Fondsberater, die auswählen, worin der Fonds investiert.
Neuer Fondsmanager noch wenig bekannt
Nun also übernehmen Spezialisten aus dem Hause Acatis die Anlageentscheidungen für den Acatis Value Event Fonds. Konkret soll Johannes Hesche das Portfolio bestücken, unterstützt wird er dabei von Acatis-Chef Hendrik Leber.
Ein Manko: Der Name Hesche ist in der Fondsbranche noch wenig bekannt. Hesche kam 2018 zu Acatis. Er leitet dort das qualitative Portfoliomanagement und tritt als Fondsmanager des Acatis Value und Dividende (ISIN: AT0000A146T3) auf.
„Wir werden den Fonds kontinuierlich und mit ruhiger Hand weiterführen, so wie es die Anleger von uns gewohnt sind“, verspricht Hesche in einer Mitteilung von Acatis. „Die bisherige von Acatis vorgegebene Strategie der geraden Linie mit einem konzentrierten Portfolio aus stabilen Qualitätsunternehmen mit reifen Geschäftsmodellen und gut prognostizierbaren Cashflows bleibt 1:1 erhalten“, so Hesche weiter.
Und was passiert nun mit dem Acatis Value Event? Eine Instanz im Markt sind Analyse- und Rating-Agenturen. Sie filtern das Fondsuniversum vor, viele Anleger richten sich nach ihren Urteilen. Eine Medaille von Morningstar oder ein A-Rating von Scope ist für Fonds ein wertvolles Asset.
Das sagen Fonds-Ratingagenturen
Bei Scope hat man zu der Situation bereits Stellung genommen. Der Acatis Value Event „trägt seit zehn Jahren ununterbrochen ein Top-Rating“, seit 20 Monaten bewerte Scope ihn mit der Spitzennote A, schreiben die Analysten. Seit Auflage habe der Fonds ein jährliches Plus von 8,9 Prozent erwirtschaftet. Auf unterschiedliche Zeiträume übertreffe er seine Vergleichsgruppe deutlich.
Doch was zählt, ist bei Geldanlagen nun mal die Zukunft. Und hier schimmert bei Scope Skepsis durch: Neu-Fondsmanager Hesche habe zwar betont, die Allokation zunächst nicht verändern zu wollen. „Wie sich der Managerwechsel mittel- bis langfristig auswirken wird, ist jedoch offen“, kommentiert Scope. Für Kontinuität spreche immerhin, dass Hesche sich mit dem Anlagestil Value auskenne. Denn er verantwortet den Fonds Acatis Value und Dividende, der seit 2022 bereits mit den Ratings B und zuletzt sogar A glänzen konnte.
Aber das war es auch schon mit den Vorzügen.
„Ob Hesche die Event-Orientierung und den Rententeil des Acatis Value Event genauso versiert fortführen kann, muss er allerdings erst beweisen“, gießen die Scope-Analysten umgehend wieder Wasser in den Wein. Kritisch sieht man bei Scope generell, wenn bei Fonds das Management wechselt – und im Besonderen, wenn das so abrupt wie im vorliegenden Fall geschieht. Der Acatis Value Event wird bei Scope daher fürs Erste unter kritischer Beobachtung stehen. Anleger sollten ihr Geld trotzdem nicht hektisch abziehen, sondern sich erst kritisch mit den neuen Gegebenheiten auseinandersetzen, raten die Analysten.
Silber bei Morningstar gefährdet
Morningstar verweist auf Anfrage von DAS INVESTMENT zunächst auf seine unterschiedlichen Rating-Methoden. Der Acatis Value Event behält zunächst alle seine Morningstar-Sterne, denn das quantitative Sterne-Rating von Morningstar beruht auf dem risikoadjustierten Anlageergebnis der Vergangenheit. Insofern spielt dort ein Managerwechsel zunächst keine Rolle. Daneben hat Morningstar jedoch auch ein qualitatives Fonds-Bewertungsverfahren. Das sogenannte Medaillen-Rating schätzt die Zukunft ein. Es kann nicht nur durch menschliche Analysten vergeben werden, sondern auch durch einen Algorithmus. Das war etwa im Acatis Value Event der Fall. Der Fonds trägt nach dieser automatisierten Analyse eine Silbermedaille von Morningstar.
Das könnte sich jedoch möglicherweise bald ändern, schätzt Morningstar-Analystin Natalia Wolfstetter. Konkret könnte der Bewertungspfeiler „People“ den Ausschlag geben – eine von mehreren Bewertungskategorien im Medaillen-Rating von Morningstar. Betrachtet werden dort die Fondsgesellschaft und die beteiligten Manager. Wolfstetter erläutert: „People“ misst einerseits die langfristige risikoadjustierte Performance der Muttergesellschaft. Hier steht der Fonds aller Voraussicht nach gut da, denn bewertet wird – wie vormals auch – die Muttergesellschaft Acatis.
Schwieriger kann es beim Track Record werden, der auch hineinzählt. Denn statt der Performance, die Muhle und Rathausky in den vergangenen drei Jahren gegenüber der Benchmark erzielt haben, wird nun die Leistung von Neu-Fondsmanager Hesche gemessen – auch aus anderen Fonds. Ebenso wertet Morningstar ein stabil bestehendes Fondsmanagement als positives Indiz. Fondsmanager – das waren für Morningstar bislang die Fondsberater Muhle und Rathausky. Auch dieser Punkt könnte dem Fonds das Rating verhageln. Denn statt der 15 Jahre, die Muhle im Value Event Fonds nachweisen kann, fängt Fondsmanager Hesche dort bei 0 an.
Der Algorithmus von Morningstar nimmt seine qualitativen Bewertungen einmal pro Monat vor. Wenn er also kurz nach dem offiziellen Fondsmanagerwechsel wieder beim Acatis Value Event vorbeischaut, könnte sich das Morningstar-Rating ändern, erläutert Wolfstetter. Die renommierte Ratingstufe Silber könnte er dann los sein.
Reaktion der Investoren
Aber wer sind eigentlich die Anleger, die den Managern des Acatis Value Event zuletzt knapp 8 Milliarden Euro anvertraut haben? Über die Anteilseigner des Fonds existiert keine öffentliche Liste. Verschiedentlich ist jedoch in der Branche die Rede nicht nur von Privatanlegern, die bei Banken, Volksbanken, Sparkassen oder im freien Vertrieb, auch über Pools und Fondsplattformen, Fondsanteile gekauft haben. Ebenfalls dürften eigene Investments der Institute hineinzählen. Und last not least: Für das zehnstellige Euro-Volumen dürften maßgeblich auch institutionelle Investoren verantwortlich sein: Mega-Investoren wie zum Beispiel Versicherungsgesellschaften. Diese könnten eigene Regeln haben, wie sie bei einem Managementwechsel in ihren investierten Fonds verfahren. Es liegt auf der Hand: Wenn bei solchen Investoren Mittel verschoben werden, bewegen sich sehr große Volumina auf einmal.
Hört man sich unter Investoren um, herrscht nach außen zunächst Zurückhaltung. Das Zerwürfnis zwischen Acatis und Gané gilt als Fall, den es so noch nie gab. Viele Beobachter wollen ihre Position erst ausloten. Die Fondsplattform Attrax schreibt etwa an ihre Kunden: „Wir [….] sind bereits an die Fondsgesellschaft Acatis herangetreten und werden zeitnah mit allen handelnden Personen in einen detaillierten Austausch gehen, um weiterführende Informationen über die Auswirkungen der personellen Veränderungen auf den Fonds zu erhalten.“ Sobald man sich ein Bild gemacht habe, wolle man eine Einschätzung abgeben. Mittlerweile hat Acatis auch angekündigt, am Dienstag in einer Online-Konferenz die Lage zu erklären.
Doch insgesamt ist ein gerüttelt Maß an Skepsis kaum zu überhören. Beim Kölner Vermögensverwalter Rheinische Portfolio Management hat man kurzen Prozess gemacht: Der Acatis Value Event fliegt aus dem Fondsuniversum, aus dem die Kölner einmal pro Quartal beliebte Mischfonds-Perlen auswählen. Aus diesen bestücken sie eine Vermögensverwaltungsstrategie. Analyst Maksym Dundar meint: Man könne nicht sicherstellen, dass das neue Fondsmanagement den Anlageprozess unverändert fortführen werde. Daher könne man sich auch nicht auf den Track Record des neuen Managers verlassen. Der Acatis Value Event war zuletzt regelmäßig in den Top Ten von RP vertreten gewesen.
Beim Maklerunternehmen BPS Vermögensverwaltung befürchtet man ein Klumpenrisiko: Neben dem von Gané beratenen Fonds habe man auch andere Fonds aus dem Hause Acatis eingesetzt. Da es jetzt mehr personelle Überschneidungen gebe, wolle man sich vom Acatis Value Event trennen und zukünftig möglicherweise in andere Gané-Fonds investieren.
Vor allem große Institute wie die DWS, die den Fonds ebenfalls an Kunden vertreibt, wollen sich öffentlich nicht positionieren.
Deutliche Mittelabflüsse erwartet
Mit dem erzwungenen Management-Wechsel im Acatis Value Event, seien „massive Bestandsverschiebungen zu erwarten“, schätzt Björn Drescher, der mit seiner Beratungsfirma Drescher & Cie. das Ohr nah an der Fondsbranche hat. Schätzungen, die im Rahmen der Recherche dieses Portals zu hören waren, reichen von einer bis zu 4 Milliarden Euro, die absehbar aus dem Fonds abgezogen werden könnten.
Andererseits könnte der Fonds auch von der Trägheit der Masse profitieren: Viele Anleger kümmern sich selten um ihre Investments. Nicht, weil sie überzeugte Buy-and-Hold-Anleger wären, sondern weil es schlicht anstrengend ist, ständig am Ball zu bleiben.
Außerdem: Befürchtungen sind gerade dann besonders groß, wenn ein unerwartetes Ereignis soeben eingetreten ist. Später setzt Gewöhnung ein. Anleger reagieren erst verschreckt und arrangieren sich dann. Mitunter sogar schnell – wie in der Corona-Krise oder nach Russlands Einfall in die Ukraine. Beim Acatis Value Event könnte es ebenso sein: Das Ereignis, das als hohe Welle daherkam, plätschert einfach aus.
Zerwürfnis Acatis/Gané – wer jetzt profitiert
Letzten Endes dürfte für viele Anleger jedoch maßgeblich die Leistung der neuen Fondsmanager zählen. Es lässt sich davon ausgehen, dass die Entscheidungen von Acatis-Fondsmanager Hesche ab sofort mit Argusaugen verfolgt werden. Wehe, es passiert ein Anlage-Missgeschick.
Überzeugte Fans von Muhle/Rathausky könnten sich auch in Richtung Gané orientieren. Dort hat man mittlerweile eine Investmentgesellschaft gegründet. Gané hat zudem in den vergangenen Jahren zwei neue, eigene Fonds aufgelegt. Wie beim ersten Fonds ebenfalls unter dem Haftungsdach BN & Partners Capital, doch ohne die Hilfe von Acatis, sondern mit Universal-Investment. 2022 kam der Gané Global Equity Fund, 2023 folgte der defensive Mischfonds Gané Global Balanced. Auch wenn beide laut ihrer Macher nicht als Ersatz für den Acatis Value Event taugen – die neuen Gané-Fonds könnten jetzt vermehrt Zuflüsse aus dem Acatis Value Event erfahren. Aktuell beherbergen beide zusammen erst 206 Millionen Euro.
Und dann gibt es noch die lachenden Dritten: Es könnten auch andere Fonds von dem Zerwürfnis profitieren. Welche Mischfonds-Kandidaten für Fans des Acatis Value Event infrage kommen, stellen wir hier und hier vor.
Doch selbst, wenn bald Gelder im Milliardenbereich abfließen sollten: Mit seinen 8 Milliarden Euro hat der Acatis Value Event eine gehörige Speckschicht angesetzt. Falls die eine oder andere Milliarde wegschmilzt: Es bleibt trotzdem eine Substanz übrig, von der andere Fondsmanager nur träumen können.
Gané dagegen muss jetzt wieder weit unten anfangen. Denn gerade institutionelle Investoren, die in einen Milliardenfonds mit veritablem Track Record investiert haben, dürften kaum so einfach in ein frisch aufgelegtes Kleinvehikel umschwenken. Für Gané ist das eine große Hürde – die Henrik Muhle und Uwe Rathausky nun zum zweiten Mal überwinden müssen.
Hinweis: Im Text hieß es ursprünglich, dass Gané das Haftungsdach BN & Partners Capital verlassen habe. Es ist allerdings mit seien beiden neuen Fonds auch weiterhin dort angebunden. Wie haben die Stelle berichtigt.



