Aufschwung vorüber Was Knappheit für Investoren bedeutet
Es ist die aktuell größte Sorge der deutschen Wirtschaft: Was passiert, wenn das Gas ausgeht? Auch wir als Portfoliomanager beschäftigen uns mit dieser Frage, schließlich wird die Antwort auch maßgeblichen Einfluss auf die Entwicklung an den Kapitalmärkten haben – in Deutschland und ganz Europa. Wenn der Gasfluss versiegt, dürfte speziell die Industrie unter Druck geraten und der alte Kontinent als Standort massiv an Attraktivität verlieren. Wir sind davon überzeugt, dass die Verantwortlichen alles tun werden, um dem ein Stück weit vorzubeugen. Eine Rationierung wird hoffentlich nicht oder nur in geringem Maße notwendig sein. Klar ist aber auch: Man kann das Portfolio nicht voll auf eine derartige Mangelwirtschaft einstellen.
Vor diesem Hintergrund sehen wir die USA aktuell positiver und haben uns insbesondere in Europa defensiver aufgestellt. Bereits vor geraumer Zeit haben wir unser Engagement im europäischen Chemiesektor abgebaut. Auch wenn es hier hervorragend geführte Unternehmen gibt, können die Auswirkungen der Gaskrise diesen die Geschäftsgrundlage entziehen. Im europäischen Industriesegment haben wir ebenfalls das Risiko reduziert. Die Finanzmärkte komplett zu verlassen, ist aber dennoch keine geeignete Option. Denn es gibt einige Aktien starker Unternehmen, die aus unserer Sicht lange zu teuer bewertet waren, jetzt aber auf attraktiven Niveaus notieren. Klar ist jedoch: Noch ist nicht die Zeit für hohe Risiken.
Schwieriges Umfeld für Unternehmen und Investoren
Lange Jahre waren Energie und Arbeit günstig; die Globalisierung schritt voran. Heute ist die Welt eine andere, durch die Coronapandemie und den Krieg in der Ukraine hat ein neues Zeitalter der Knappheit begonnen und der jahrelange Aufschwung scheint zunächst vorbei zu sein. Darauf müssen Unternehmen reagieren können. Interessant finden wir daher etablierte Konzerne, bei denen eine Eigenschaft nicht fehlen darf: Anpassungsfähigkeit. Bestehen kann aus unserer Sicht nur, wer sich auf neue Situationen einstellen kann.
1.200% Rendite in 20 Jahren?
Am besten dafür positioniert sind Unternehmen, die über zukunftsfähige Geschäftsmodelle sowie eine hohe Preissetzungsmacht verfügen und aus eigener Kraft wachsen können. Diese gehen oft sogar gestärkt aus schwierigen Zeiten hervor, da sie beispielsweise über Zukäufe ihre Marktstellung weiter ausbauen können. Interessant finden wir beispielsweise Assa Abloy, einen Spezialisten für private und gewerbliche Sicherheitstechnik. Da das Unternehmen jedoch auch industrielle Produktionsanlagen in Europa betreibt, haben wir jüngst unser Engagement etwas reduziert.
Daneben sind wir auch auf der Suche nach jungen und dynamischen Unternehmen mit disruptivem Potenzial als Ergänzung. Dazu gehörte beispielsweise die Celsius Holding, ein US-amerikanischer Anbieter von Fitnessgetränken: Nachdem sich der Kurs aufgrund des Einstiegs eines großen Getränkekonzerns ungefähr verdoppelt hatte, haben wir das Papier mit Gewinn veräußert.
Anleihen dienen weiterhin als Absicherung
Anleihen haben nach wie vor ihre Daseinsberechtigung in einem langfristig ausgerichteten, diversifizierten Portfolio. Derzeit erfüllen festverzinsliche Papiere ihre Absicherungsfunktion zwar nur bedingt, da die Korrelation zu Aktien sehr hoch ist. Allerdings sind die Verluste auf der Anleiheseite nach wie vor geringer als bei Unternehmensbeteiligungen und wir sind überzeugt, dass sich die Anlageklasse künftig wieder stabilisieren wird. Für das Kernportfolio sind defensive Rentenpapiere wie Staatsanleihen und Pfandbriefe sowie bonitätsstarke Unternehmensanleihen aus den USA und Europa interessant. Eine Ergänzung können Renditetreiber wie Hochzinsanleihen, hybride Papiere wie Wandel- und Nachranganleihen sowie Staatsanleihen aus den Schwellenländern darstellen.