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UBP-Experte Norman Villamin Abschwung der Rohölpreise – wie lange noch?

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Nun haben die USA einen Sanktionsverzicht für Großabnehmer von Rohöl aus dem Iran ausgesprochen, um es diesen zu ermöglichen, trotz der Sanktionen vorübergehend weiter Öl aus dem Iran zu beziehen. Dieser Sanktionsverzicht scheint Presseberichten zufolge jedoch bestimmten Einschränkungen zu unterliegen und trägt nach unserer Einschätzung eher zu einer Stabilisierung der Märkte bei. Allerdings stellt er das iranische Ölangebot nicht unbedingt in vollem Maße wieder her, was zu einem weiteren Preisverfall führen könnte. So meldete beispielsweise Reuters, dass es Japan und Korea im Rahmen des ihnen gewährten Sanktionsverzichts gestattet ist, jeweils knapp 150.000 Barrel pro Tag zu importieren. Dies entspricht in etwa ihren durchschnittlichen Importen der Jahre 2016/17.

Wer weiterhin  iranisches Öl importiert

Nachdem sowohl Japan als auch Korea ihre Rohölimporte aus dem Iran im Oktober auf null reduziert hatten, bedeutet dies nun, dass beide Länder Öl aus dem Iran beziehen können, statt ihren Bedarf über den breiter gefassten Rohölmarkt zu decken. Reuters berichtet jedoch auch, dass China im Gegensatz dazu ein Sanktionsverzicht für den Import von lediglich 360.000 Barrel iranischen Rohöls pro Tag gewährt wurde – ein Volumen, das deutlich unter den 600.000 Barrel pro Tag liegt, die China 2016/17 aus dem Iran bezogen hat, und weniger als die Hälfte der 750.000 Barrel iranischen Rohöls pro Tag, die China im Oktober importiert hat.

Indien, ein weiterer wichtiger Abnehmer iranischen Rohöls, darf 300.000 Barrel pro Tag aus dem Iran importieren, was in etwa dem im Oktober verzeichneten Importvolumen entspricht. Somit können zwar Japan und Korea ihre insgesamt 300.000 Barrel pro Tag weiterhin aus dem Iran importieren, China kann jedoch einen Bedarf in gleicher Höhe nicht mehr über den Iran decken, sondern muss diese Menge am freien Markt beziehen. Alles in allem hat dies also nur geringfügige Auswirkungen auf das weltweite Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage.

Zwar waren wesentliche preistreibende Faktoren über weite Teile des bisherigen Jahresverlaufs 2018 weitgehend rückläufig und hat auch der spekulative Rückhalt der Rohölpreise nachgelassen. Im Hinblick auf 2019 dürfte das größte Risiko für die Rohölmärkte jedoch in den derzeit besonders geringen freien Kapazitäten liegen. Im Gegensatz zu den letzten zehn Jahren ist die Opec nicht mehr in der Lage, unerwartete Angebotsschocks – zum Beispiel aufgrund von Förderausfällen bei einem wichtigen Lieferanten (zum Beispiel Venezuela) oder einem überraschenden Nachfrageanstieg, beispielsweise aufgrund neuerlicher Konjunkturmaßnahmen in China – in wesentlichem Maße auszugleichen.

"Diese Energieaktien bevorzugen wir"

Sollte das Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage in den kommenden Monaten bestehen bleiben und der Abbau spekulativer Positionen andauern, können Anleger davon ausgehen, dass sich die Rohölpreise erneut im Bereich um 65 bis 70 US-Dollar je Barrel und somit etwa auf dem Niveau stabilisieren werden, auf dem sie vor der im Mai erfolgten Bekanntgabe der Wiedereinführung der Sanktionen gegen den Iran lagen. Vor diesem Hintergrund sorgen die Gewinnerholung im Energiesektor und der weltweite Kursrückgang bei Energieaktien um fast 9 Prozent seit Juli dafür, dass Energieaktien derzeit knapp über dem 1,5-Fachen des Buchwerts gehandelt werden. Historisch betrachtet bieten Bewertungen unter diesem Niveau einen attraktiven Einstiegspunkt für Anleger.

Innerhalb des weltweiten Energiesektors bevorzugen wir nach wie vor integrierte europäische Energieunternehmen. Diese haben im bisherigen Jahresverlauf deutlich besser abgeschnitten als der übrige Sektor und dürften diese Entwicklung auch Anfang 2019 fortsetzen. Integrierte europäische Energieunternehmen haben im dritten Quartal 2018 einen freien Cashflow in Höhe des Vierfachen ihres historischen Zehnjahresdurchschnitts generiert. Während diese Unternehmen bei fast allen wichtigen Kennzahlen Rekordergebnisse lieferten, litt die Entwicklung der Aktienkurse jedoch stark unter den niedrigen zugrunde liegenden Rohölpreisen. Doch trotz des Rückgangs der zugrunde liegenden Rohölpreise erwarten wir, dass die Generierung solider freier Cashflows bei den großen europäischen Ölgesellschaften in den kommenden Jahren andauern wird. Zusammen mit der derzeitigen Kapitaldisziplin dürfte dies vermehrt Aktienrückkäufe und Dividendenerhöhungen ermöglichen, die die Aktienkurse steigen lassen.

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